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HAPPY BIRTHDAY, HORST! - Ein offener Brief an einen Freund

HAPPY BIRTHDAY, HORST!

Ein offener Brief an einen Freund

Manchmal, wenn ich einfach nur in meiner Hängematte abhänge und den Wolken hinterher sehe, denke ich daran, wie mich meine wunderbare Lebensgefährtin zum ersten Mal drauf aufmerksam gemacht hat, wie unfassbar schön Wolken von oben aussehen – wie eine endlose ausgebleichte phantastische Prärie nämlich. Und das ist dann regelmäßig der Moment, an dem ich dich auf einem wilden Mustang dahin galoppieren sehe; ohne Sattel, natürlich, als HARANTOR.

Als überirdische, mythische Gestalt, beinahe so, wie ich mir als Junge den Karl May`schen Geist des Llano Estacado vorgestellt habe, tauchst du plötzlich aus flirrender Luft heraus auf, lautlos. Jagst auf diesem Mustang mit den unheimlich roten Augen über die endlose Weite. Vielleicht, weil du schon ein bisschen spät dran bist für eins der Marlos-Treffen… auf denen du mit anderen Dan Shocker-Freunden gern und ausgiebig getafelt und über deine vielen Leidenschaften diskutiert und gelacht hast, Macabros, Karl-Edward Wagners Kane, Heftromane, Fantasy-Schmöker, sag` ich da nur.

Na, auf jeden Fall aber … und das ist das Wichtigste … bist du, wenn ich dich so fantasymäßig dahinpreschen sehe, am Leben und nicht, wie in der realen Welt tief, tief unterhalb dieser herrlichen Wolken-Prärie, vor nun bald auch schon wieder fast zwei Jahren, am 8. September 2023, viel zu jung gestorben. Ich hoffe und wünsch` es dir, dass du dort hoch über uns unterwegs bist! Genau so würde es sich gehören, für einen wie dich.

Du weißt, wie du bin ich eher selten einer von der rührseligen Sorte und lieber ironic by nature. Als Schwabe mag ich`s auch gern direkt, also gnadenlos ehrlich. Auch das mögen heutzutage nicht mehr viele, es kommt bei gewissen Herrschaften, mit deren Erwähnung ich uns an dieser Stelle verschone, weil ich uns nicht die Stimmung versauen will, auch immer mehr außer Mode.

Tja. Aber du und ich, wir kamen auf dieser Basis prima klar miteinander, und ohne, dass wir uns tagtäglich sehen oder schreiben mussten. Also vergiss die Wenigen, die gern dran erinnern, dass du „nicht immer ganz einfach“ warst. Auch für die lebst du weiter. Mit deinem Zauberspiegel hast du vielen – Fans wie all denjenigen, die den Zauberspiegel einfach „nur“ gern lesen – ein weites Land eröffnet. Und denjenigen, die dir ihre Beiträge anvertraut haben, hast du grenzenlose Möglichkeiten eröffnet, kreativ zu sein, ihre Meinung zu äußern … aber eben auch deine Meinung zu hören zu bekommen … und die nicht weniger anderer.

Auch mir hast du gern eins mitgegeben, als ich noch Helferlein befreundeter Autoren in den Fließbandschreiber-Katakomben derer von Pabel-Moewig und Kelter war. Ich hab`s nicht vergessen, ich habe zugehört und, im Rahmen meiner damaligen Fähigkeiten, gelernt. Erst danach hast du mir Tipps von Jürgen Grasmück weitergereicht … und mich so rechtzeitig zum Start der Grusel-Serie Damona King in neue Gefilde gelotst, zu Gustav Lübbes Bastei Verlag nämlich. Andere begabte Autoren wie Manfred Weinland, Roland Rosenbauer und der unvergessene W.K. Giesa nahm Jürgens Literarische Agentur, vertreten durch Karin Grasmück, unter Vertrag und sorgte für eine Vollbeschäftigung, die heutzutage für Heftromanautoren, die nicht Ian Rolf Hill heißen (der wiederum bitte trotz seiner Ideen und packenden Schreibe nicht mit Stephen Kings Sohn Joe Hill verwechselt werden sollte) absolut nicht mehr selbstverständlich ist. Mir hast du die Zügel freigegeben und vor allem Hans-Joachim Alpers empfohlen, weil, „bei dem kannst du noch all das lernen, was du von mir nicht gelernt hast“. Allein dafür bin ich dir mindestens ein Leben lang dankbar.

Dass ich bei Sinclair nicht allzu lange aushielt und stattdessen dem „Lockruf des schnöden Mammons“ ins gelobte Land der Filme folgte, säuerte dich gewaltig an, später aber haben wir zusammen über meine „Abnabelung“ und mein „Erwachsenwerden“ gelacht, vor allem, nachdem ich einen gewissen Horst-Hermann von Allwörden in einem auf ganz eigene Art und Weise gruseligen TV-Werk auftreten ließ. Andere, wie der im SFCBW weltberühmte Erzengel Marec nehmen mir ähnliche Schabernacke heute noch übel. Du nicht. Sogar deine mit Helmut W. Pesch geschriebenen Fantasy-Romane hast du mir geschickt, mit der kryptischen Aufforderung: „Fühl` er sich herausgefordert!“ HHvA in seiner Identität als Harantor, ganz klar. Also habe ich irgendwann meine Vision von Fantasy abgeliefert: Die Jugend-Fantasy-Serie „Camelon“. Dein Kommentar: „Da wird sich der andere Fantasy-Zausel bei Bastei aber freuen.“

Das tat er. Wirklich. Weil er im Gegenzug „meine“ Damona King nun alleine beziehungsweise alleine mit seinen Vertrauten ausgestalten und in „den Tempel der Schatten“ führen durfte.

Und du? Du hast unermüdlich den Zauberspiegel gemanagt. Du warst der Zauberspiegel. Deine scheinbar nie versiegende Energie habe ich irgendwann auch in mir gespürt. Deine Liebe zum Fandom, zu Fans, war schon lange identisch mit meiner. Und ist es, nicht nur dieser Beitrag zeigt es hoffentlich, bis heute.

Aber ich komme ins Schwafeln. Lassen wir`s an dieser Stelle einfach dabei: ohne dich wäre heute vieles in meinem Leben anders. Nicht schlechter – anders. Geschrieben habe ich schon immer. Aber ohne einen Freund wie dich, der mir Ronald Hahn (der nach seiner Maddrax-Karriere heute bevorzugt Science Fiction mit und über Frauen mit airbag-großen Brüsten schreibt) und, vor allem, Hans-Joachim Alpers (der leider ebenfalls schon tot ist, aber so wenigstens „Ronnibalds“ Entwicklung nicht mehr miterleben musste) als tüchtige neue Impulsgeber empfohlen hat, würde eine ganz wichtige Wurzel fehlen.

Da ist´s mir, bei allem Schmerz, den ich auch heute noch wegen deines Todes verspüre, so lieber, wie es war … und ist.

Es heißt, nur wer vergessen ist, ist wirklich tot.
Du bist nicht vergessen.

Dein Zauberspiegel ist nicht mehr deiner, okay. Den gibt seit deinem Tod in der realen Welt deine wunderbare Lebensgefährtin und Frau Bettina heraus, was keine Selbstverständlichkeit war, das lass` dir gesagt sein!

Sie managt ihn anders, auf ihre Art. Und mindestens genauso gut und souverän, wenn nicht noch viel besser und souveräner als du.

Vor allem jedoch – zum Glück! – managt sie deinen, ihren, unseren Zauberspiegel nicht so selbstzerstörerisch über sämtliche persönlichen Grenzen hinaus wie du. Nachdem einige deiner Weggefährten nach deinem Tod schnell das Weite gesucht und gefunden haben – leider auch Uwe Schnabel, der dir immer viel bedeutet hat – hat sie mittlerweile ihre Weggefährten gefunden. Und ihren Weg, den Zauberspiegel zu machen. Frustrierend ist, wie sie heute in einem „Zwischenruf“ ausführen wird, dass einige der Probleme, über die ihr beiden damals schon diskutiert habt, immer noch existieren. Aber die wird sie mit ihren Weggefährten knacken, jede Wette.

In diesem Sinne, lieber Horst, Hexen-Hermann, Harantor: Gib deinem Mustang die Zügel frei und die Hacken zu spüren. Er soll sich beeilen. Du hast heut` Geburtstag, und den, deine Frau Bettina und euren – unseren – Zauberspiegel gilt es zu feiern, nicht nur auf jenem Marlos-Treffen, das am Ende der bleichen Wolken-Prärie auf dich wartet.

Tja, und du merkst schon: Nix war`s mit ironic by nature beim Schreiben dieser Zeilen hier.
Du bist in meinen, in unseren Gedanken. Aber du fehlst.
Herzlich, dein Martin

 

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