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Ein Jubiläum - NOVA Science Fiction 30

0Ein Jubiläum
NOVA Science Fiction 30

Ein Magazin zwischen  "belebender Wirkung auf die deutsche SF-Szene" und "Frust, Enttäuschung und dauerhafter Verstimmung"

Seit 2002 erscheint mit NOVA ein Magazin, dass sich die Förderung der deutschen SF-Kurzgeschichte auf die Fahnen geschrieben hat. 30 Ausgaben bei drei Verlagen und mittlerweile  6 Herausgeber waren daran beteiligt.

Werfen wir doch einfach mal einen Blick in die Jubiläumsausgabe:

Nova 30Zur Einführung
NOVA ist in Deutschland neben Exodus die Sperrspitze für literarische SF. Michael K. Iwoleit und seine Mitstreiter sind stolz darauf, hohe Maßstäbe an die Qualität der in Nova veröffentlichten Storys zu legen. Sie nehmen für sich in Anspruch, die deutschsprachige SF-Story gefördert, wenn nicht gar gerettet zu haben und verweisen darauf, dass viele inzwischen anerkannte Autoren zuerst in Nova geschrieben haben. Das macht neugierig auf die Storys und in einem Jubiband sollten doch erst recht nur die besten Geschichten zu finden sein oder?

Die Aufmachung ist  jedenfalls professionell und ansprechend. Jede Story ist mit einer meist farbigen Illu versehen. Dabei kommen verschiedene Künstler zum Einsatz. Außerdem gibt es jeweils ein Vorwort der Redaktion und ein Nachwort des jeweiligen Autoren. Der Band gliedert sich in drei Teile: Storys, NOVA Sekundär und NOVA Jubiläum.

Die Storys
Karsten Kruschel "Drecksdrohnen und die Mathematik Mozarts"
Artigas Fessenheim, Professor für Objektkunst, Frau Dorfmüller, Leiterin der musiktheorischen Abteilung, und ihr schwedischer Gastassistent Göran Lundberg sind die Protagonisten in der Story, in der es um Drohnen und Schwarmintelligenz geht.
Nette Figuren, ein paar Gags, mit den Drohnen ein interessantes Thema, aber leider keine Handlung im eigentlichen Sinne.

Horst Pukallus "Das lange Jahr der kurzen Tage"
Eine Militärmacht religiöser Fanatiker (Kosmo-Katholislamiche Kirche), greift friedlichen Bergbauplaneten an. Findiger Chefkoordinator lässt sich etwas einfallen.
Eine märchenhafte Geschichte, die das Motiv von David und Goliath aufgreift. Verpackt in eine sperrige Sprache.
"Allerdings beanspruchte die Flugzeit tatsächlich ein Jahr: Raumfahrzeuge bewegten sich trotz ultramoderner Nexutron-Triebwerke, die virtuell-artifizielle polytachionische Singularitäten n-dimensionaler Qualität erzeugten und die Stympaliden, gelenkt durch mit Neuroakzeleratoren ausgestattete Pavian-Biotron-Piloten und Plasmacomputer, quasi phasenperiodisch durchs Raumzeit-Kontiniuum forcierten, langsamer als das DML."

Norbert Stöbe "RITA flies at 5 p.m."
Pedro Bolivar liebt VR-Spiele. In der realen Welt schlägt er sich als Angehöriger eines Reinigungstrupps durch. In Brasilia findet ein Kongress zur Bekämpfung des Treibhauseffektes statt. 2600 Delegierte sind zusammengekommen und diskutieren. Als Pedro dort nachts aufräumt findet er einen Zettel. Er nimmt an, dass es um Sabotage einer Rakete geht. Kurzentschlossen geht er am nächsten Tag während der Tagung aufs Podium.
Zur gleichen Zeit ist Maylin Angehörige eines kleinen Trupps in China. Sie lässt sich durch die Beobachtung eines Pandapäarchens ablenken.
Eine Story um Kernenergie. Für mich ein wenig zu optimistisch. Hoffnung auf China?

Markus Müller "Regenmädchen"
Kara ist eine Saari-Administratorin. Sie arbeitet für den Tempel. Ihr neuester Auftrag führt sie ins Blaue Haus. Dort hat eine gewisse Leani um Hilfe gebeten und was wichtiger ist: auch dafür bezahlt. Das Blaue Haus ist ein heruntergekommenes Hotel. Eigenartigerweise will dort niemand etwas von einer Leani wissen. Zuerst muss sich Kara mit einem automatischen Avatar herumschlagen, dann mit einem irgendwie verstörten René und schließlich mit Jakob, dem Manager des Hotels. Alle wollen sie abwimmeln, aber sie bleibt beharrlich. Etwas stimmt dort nicht mit dem Mainframe.
Eine düstere Geschichte aus dem Cyperspace. Für mich eines der Highlights des Bandes.

Tom Turtschi "Neuromarketing"
Kommissarin Edith Daveaux untersucht den Tod von Felix Schwarz. Anscheinend handelt es sich um einen Fall von Selbstmord. Doch was trieb den freundlichen Chefentwickler von Tölva Ltd in den Tod? Welche Rolle spielt seine Chefin Lydia Lazard, die ihre Mitarbeiter "formen" wollte? Hat es etwas mit Neuromarketing, dem Geschäftsfeld der Firma zu tun?
Wie frei sind wir in unseren Entscheidungen? Kann ein Computer vorhersagen, was wir kaufen, was wir anklicken? Ein weiteres Hightligt von NOVA 30.

Wolf Welling "»Zwei gehen rein ...«"
Der uralte und krebszerfressene Papa Zero sucht einen Nachfolger. Eine geklonte Version seines jüngeren Ichs soll es sein. Um den bestmöglichen Erben zu bestimmen, werden immer neue Klone erschaffen und müssen dann in der Arena auf Leben und Tod gegeneinander kämpfen. Körperlich sind sie fast identisch, aber sie bekommen unterschiedliche Ausbildungen.
Eine Geschichte angeregt durch die Möglichkeiten der 3-D-Drucker. Eigentlich nur ein Arenakampf, aber mit vielen Gedanken und Überlegungen des Kämpfers angereichert.

Thomas A. Sieber "Die gute Fee von Proxima B"
Der Protagonist hat ein großes Talent. Er lernt spielend Sprachen. Eines Tages hört er in der U-Bahn wie sich arabische Flüchtlinge über ein geplantes Attentat unterhalten. Pflichtbewusst meldet er das der Polizei. Obwohl er einen anonymen Anruf getätigt hat, steht bald darauf der Geheimdienst vor seiner Tür. Er bekommt ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Er landet in den USA, wo er den Kontakt zu einem dort gelandeten Außerirdischen herstellen soll. Dieser sucht zufällig jemanden, der eine unbekannte Sprache entschlüsseln soll. Kurzerhand nimmt er den Protagonisten mit nach Proxima B. Dort gibt es einen Bereich, in dem Wünsche in Erfüllung gehen, wenn man sich genügend anstrengt.
Ironische und doch nachdenklich machende Story.

Michael Schmidt "Faith Healer"
Schauplatz der Geschichte ist die Galactic Pot Healer Bar. Hier versucht Borison, Mayor von BSE, seinen Spectator loszuwerden. Helfen soll ihm Harvey, der letzte der Galatic Teenage Idols, einer der sagenhafte Faith Healer.
Eine als Kneipengeschichte verbrämte Persiflage auf den Zeitgeist, in diesem Fall den Brexit.

Uwe Post "Der automatische Depp"
Ein jugendlicher Nachwuchsautor plant seine Karriere. Gut, dass Onkel Wilfried ihm eine alte Schreibmaschine schenkt. Seine Freundin Anna fungiert als kritische Muse. Und klar, es soll um Science Fiction, um Roboter, genauer dumme Roboter gehen.
Humorvolle Einblicke in die schriftstellerischen Startversuche junger Fans.

Der Klassiker
Jack Vance "Die Töpfer von Firsk"
Der Personalchef des Amtes für planetare Angelegenheiten erzählt die Geschichte zu seiner ausgefallen schönen Schale. Sie ist eine Erinnerung an seine Zeit auf dem Planeten Firsk. Dort gibt es eine Töpfergilde, die mit Knochenmaterial arbeitet, das aus Leichen gewonnen werden. Und wenn die Leichen einmal knapp sind, hilft man eben etwas nach. Die Töpfer glauben, dass die Seelen der Toten in ihren Kunstwerken weiterleben.
Eine ältere Geschichte, von Michael K. Iwoleit neu übersetzt, und quasi außerhalb der Konkurrenz. Erschien zuerst in Deutschland 1982 in: Verlorene Monde.

NOVA Sekundär
Thomas A. Sieber "Jack Vance"
Jack Vance (1916-2013) hat mehr als 60 Jahre lang SF geschrieben und das Genre beeinflusst. Thomas A. Sieber reisst Leben und Werk kurz an, um so auf den Folgebeitrag vorzubereiten.

Robert C. Lacovara/Koen Wyverman "Über die Vance Integral Edition (VIE)"
1999 begannen die Arbeiten an einem ehrgeizigen Projekt. Es sollte eine vollstänige Gesamtausgabe aller Werke von Jack Vance entstehen. Darüber hinaus sollten alle seine Werke in digitaler Form künftigen Verlegern zur Verfügung stehen. Ein Bericht darüber wie das Vorhaben in die Tat umgesetzt wurde.

Jörg Weigand "Thomas R.P. Mielke in memoriam (1940-2020)
Ein kenntnisreicher Rückblick auf diesen wichtigen Autor. Weigand streift Mielkes Anfänge im Fandom, seine ersten Werke im Leibuchzeitalter, die Jahre als Hausautor im Zauberkreisverlag und die späteren Taschenbücher bei Heyne. Erwähnung finden aber auch seine Kriminalromane und die historischen Romane.

Mike Glyer "Ben Bova (1932-2020)
Ein Rückblick auf das Wirken von Bova als Autor, Herausgeber und Verbandsfunktionär.

NOVA Jubiläum
Hier finden sich Grußworte der aktuelen NOVA-Macher, der ehemaligen Herausgeber, von Freunden und Weggefährten des NOVA-Teams. Das sind Beiträge von Michael K. Iwoleit, Ronald M. Hahn, Hellmuth W. Mommers, Olaf G. Hilscher, Frank Hebben, René Moreau, Olaf Kemmler, Heinz Wipperfürth,  Horst Pukallus, Horst Illmer, Jürgen Doppler, Dietmar Dath, Franz Rottensteiner und Dirk Alt. Meist geht es um Anekdoten aus den frühen Jahren, um Wissenswertes aus der Anfangszeit oder einfach um gute Wünsche. Recht provokativ ist aber der Beitrag von Pukalus ausgefallen. Sein Loblied auf die Kurzgeschichte und ihre Bedeutung ist mit vernichtenden Seitenhieben auf die ellenlangen Fantasyschmöker von Nachwuchsautoren garniert.

"Die voluminösen Ergebnisse sind zu erbärmlich, als dass man Zeit fürs Lesen vergeuden sollte. Derartige Bücher brauchen wir nicht. Sie hinterlassen nichts als Gedächtnislücken, d. h. sie üben keine Wirkung aus, sind also nichtig."

Meine Gedanken

Nova 30 ist ein ansehnlicher Jubiläumsband geworden. Spannende, anregende Storys, ein informativer Sekundärteil und ein bunter Gratulationschor. Nicht zu vergessen die vielen ansehnlichen Illus. Michael K. Iwoleit ist denn auch voll des Lobes über sein gegenwärtiges Team. Doch da kommt dann auch der Haken. Iwoleit kündigt nämlich seinen baldigen Rückzug als Herausgeber an. Der von ihm ausgeguckte Nachfolger hat inzwischen jedoch die NOVA-Redaktion verlassen. Man darf gespannt sein, wie es weiter geht.
Was mich betrifft, darf es gerne so weitergehen, wie in NOVA 30.

Michael K. Iwoleit & Michael Haitel (Hrsg.)
NOVA Science Fiction 30
Cover: Helmut Wenske
Illus: Gerd Frey, Christian Günther, Nummer 85, Victoria Sack, Christine Schlicht, Michael Wittmann
p.machinery 2021
250 Seiten
Euro 16,90
ISBN 978 3 95765 233 1
a

Kommentare  

#1 mammut 2021-05-15 12:16
Im Vorfeld von Nova 30 hatte ich den Herausgeber interviewt:
defms.blogspot.com/2021/01/michael-k-iwoleit-zu-nova-interview.html

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