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Zur Lage des Hörspiels - Ein paar Anmerkungen

Zauberwind - Der ZwischenrufZur Lage des Hörspiels
Ein paar Anmerkungen

Auf Facebook wurde kürzlich mehrfach auf die eine oder andere Weise der Zustand des Hörspiels beklagt.

Zum einen sind Verkaufszahlen von Hörspielen beklagt worden, zum anderen ging es um das Imageproblem des Hörspiels, welches gern einmal als »Kinderkram« bezeichnet wird.
So weit so gut …


Wir lassen bei unseren Betrachtungen mal den Unsinn weg, das Hörspiel in »Action-Buch« oder so was umzubenennen. Das ist keiner weiteren Betrachtung wert. Ein Hörspiel ist ein Hörspiel.

Was aber gern beklagt wurde ist, dass das Hörspiel immer als »Kinderkram« bezeichnet wird. Nun die Wurzel dafür liegt wohl darin, dass die Goldenen Zeiten, da die Familie sich ums Radio versammelte und Hörspiele hörte, schon so lang vorbei sind. Das war schon fast die Prä-TV-Ära. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mit meiner Mutter am Montagabend auf Radio Bremen oder dem 1. Programm des NDR plattdeutschen Hörspielen lauschte, u. a. mit der großartigen Ursula Hinrichs. Das waren keineswegs nur launische Bauernschwänke. Aber noch im Laufe dieses Jahrzehnts verschwanden die aus dem Programm. Kürzlich hörte ich noch ein Hörspiel auf HR1 mit der Fendel (ihre wohl letzte Arbeit). Aber im Radio ist das Hörspiel nur noch eine Randerscheinung und findet eher selten statt. Radio – das ist fast noch Berieselung mit Musik.

Den Platz des Hörspiels im Radio hat die TV-Serie und der Spielfilm im Fernsehen eingenommen, denn da gibt’s auch Bilder zum Ton. Wie überhaupt das Fernsehen viele Bedürfnisse bedient, die einst das Radio inne hatte. Klarer Sieger: Bewegtes Bild zum Ton.

Eine gewisse Zeit lang war das Hörspiel dann auf Vinyl zu finden. Und hier dominierte die Vertonung von Klassikern der Abenteuerliteratur und Märchen. Von hier stammt unter anderem wohl auch der Ruf des Kinderkrams. Die grellbunten Cover ließen auch keinen Zweifel an der Zielgruppe. Benjamin Blümchen und auch die »???« tragen mit Sicherheit nicht dazu bei, den Ruf zu tilgen.

Aber da ist auch nichts mehr zu tilgen …

Denn seien wir mal ehrlich. Der Hörspielmarkt ist in festen Händen. Die an dieser Darreichungsform von fiktiven Geschichten interessierten Menschen haben sich entschieden. Es gibt marktbeherrschende Produktionen, die man an fünf Fingern abzählen kann. Dann einige mittelprächtige Erfolge.

Die meisten Kleinlabel bedienen mit ihren Werken von Horror bis Thriller einen sehr überschaubaren Kreis von Menschen, die dem Hörspiel mehr abgewinnen wollen. Hier erscheinen durchaus ambitionierte Werke, aber sie sind für – wollen wir gemein sein? Ja! – das letzte Prozent des Marktes bestimmt. Um die letzten paar Prozent des Marktes balgen sich die Kleinlabel. Diese werden von Enthusiasten geführt. Diese Label würde es nicht geben, wenn die Produktion von Hörspielen durch moderne Technik nicht sehr erleichtert worden wäre und dadurch auch bezahlbar ist. Den Schnitt kann man heute am PC auf dem Sofa machen. Studios sind auch nicht mehr selten und die Pressung von CDs ist auch nicht mehr episch teuer. Aber dieser technischen Seite steht keine beliebig erweiterbare Käufermasse gegenüber. Fanforen täuschen da oft eine größere Masse Mensch vor als tatsächlich vorhanden.

Der Markt für Hörspiele ist eben mehr oder minder überschaubar. Und der Löwenanteil ist in festen Händen. Daher wird man auch durch Radiowerbung (wer soll’s bezahlen? – Und wann werbe ich wen?) wenig ändern können. Es ist kein beliebig größeres Käuferinteresse herstellbar. Das Hörspiel ist in mancher Hinsicht eine überkommene Einrichtung. Damit muss der Enthusiast und Fan genauso leben lernen wie der kleine Produzent, der seine Hörspiele an den Mann, die Frau oder das Kind bringen will. Die Platzhirsche sind etabliert. Da muss man sich mit den Krümeln begnügen lernen. Hörspiel abseits der Platzhirsche ist ›Special Interest‹. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ein gutes Indiz dafür ist auch, dass sich Fachzeitschriften nicht am Markt halten können. Die gab es ja mal am Kiosk als noch die Mär vom Hörspielboom die Runde machte. Das war nur ein Sturm im Wasserglas. Etwas, dass sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle eines großen Käufermarkts abspielte. Wie gesagt, dieser Boom fand im Rahmen um die 1000, 1500 verkauften Einheiten statt. Das war was für Fanforen, aber nicht für die Käufer bei den großen Elektronikmärkten.

Es hilft auch wenig, das Hörspiel aus der Kinderecke im Markt herauszuholen. Da wird es wenigstens gesucht. Aber nur dadurch mehr Aufmerksamkeit (=Käufer) und ein besseres Image zu erreichen heißt wohl von süßsauren Gurken und eingemachten Kellertreppen zu träumen.

Jeder kleine Produzent muss wissen, dass er sich mit vielen anderen Schakalen um die Reste der Beute des Löwen (Europa) balgt und nicht etwa den Weg zur ersten Millionen beschreitet. Vielleicht helfen koordinierte Produktionen, um die Kosten zu senken, aber mehr Käufer zu finden ist schwierig. Woher sollen sie kommen?

Das Produzieren von Hörspielen ist für viele der Produzenten – wenn sie Glück haben – ein Nebenerwerb. Haben sie Pech, ist es ein Zuschussgeschäft.

Wenn man das weiß, ist man schon einen Schritt weiter … Oder sieht das jemand anders?

 

Kommentare  

#16 G. Walt 2013-10-22 16:14
@Pisanelli: Es gibt schon professionelle Schauspieler als Sprecher. Das Problem sehe ich eher in den Autoren. Von vielen hat man zuvor nie etwas gehört. Die Dramaturgie eines Hörspiels aufzubauen verstehen nicht viele. Es gibt einige alte Handwerker, die wir alle kennen: Francis Durbridge oder hierzulande H.G. Francis. Ersterer war ein Meister des Radiohörspiels, der andere verstand es kommerziell gut zu inszenieren. Da gehört halt viel Schule dazu, nicht nur Talent.

Radio und Kommerziell sind getrennt zu betrachten, da es verschiedene Inszenierungsweisen sind.

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