The Life of Chuck - Ich enthalte Vielheiten
The Life of Chuck
Ich enthalte Vielheiten
Stephen King (Jahrgang 1947) galt in den 1970er und 1980er Jahren als Horrorpapst, dessen bluttriefende Gewaltorgien vom elitären Bildungsbürgertum gemieden wurden wie vom Teufel das Weihwasser. Das begann sich schließlich schleichend zu wandeln, angefangen vielleicht mit Rob Reiners stimmungsvoller Kurzgeschichten-Adaption „Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“. In den 1990er Jahren entstanden weitere King-Adaptionen, die ein wesentlich größeres Publikum ansprachen und ganz andere Facetten des Schriftstellers offenbarten: „Die Verurteilten“ von Frank Darabont, der nach wie vor Platz 1 der bestbewerteten Filme bei der International Movie Database IMDb einnimmt, sowie „Dolores“ oder „The Green Mile“, die menschliche Aspekte betonen und King als großen Humanisten und Menschenkenner auswiesen. Mittlerweile gibt es über 400 (!) King-Adaptionen, was teilweise auch an seinem „Dollar Baby“-Programm liegt, währenddessen er die Rechte an seinen Kurzgeschichten für lediglich einen Dollar an Filmstudenten verkaufte, die daraus Kurzfilme drehen durften. Gerade aktuell erfahren die Geschichten Kings aber auch im großen Stil wieder eine unglaubliche Popularität. Neben „The Life of Chuck“ kamen in diesem Jahr auch „The Monkey“ und „The Long Walk – Todesmarsch“ in die Kinos, die Neuverfilmung von „The Running Man“ wird im November folgen. Nicht zu vergessen die Serie „The Institute“, die seit Juli auf der Streamingplattform HBO Max abrufbar ist und die bereits für eine zweite Staffel verlängert wurde. Umso erfreulicher, dass es den Machern dabei gelingt, auf qualitativ hohem Niveau zu arbeiten.
Lehrer Marty Anderson (Chiwetel Ejiofor) stößt bei seiner Fahrt zurück nach Hause zum ersten Mal auf ein Plakat, das Charles ‚Chuck‘ Krantz für 39 wunderbare Jahre dankt. Ein kleiner, irritierender Lichtblick in schweren Zeiten, die von globalen Katastrophen bestimmt werden. Kalifornien versinkt im Meer, an anderen Orten brechen Vulkane aus oder es tun sich erschreckende Krater inmitten einer Stadt auf. Marty denkt in diesen Zeiten an seine geschiedene Frau Felicia Gordon (Karen Gillan) zurück, und angesichts der fatalistischen Grundstimmung entschließt er sich, quer durch die Stadt bis zu ihr zu laufen, um sie noch einmal wiederzusehen. Zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort begegnet der Buchhalter Charles ‚Chuck‘ Krantz (Tom Hiddleston) in einer Fußgängerzone der Schlagzeugerin Taylor Franck (The Pocket Queen), die mit ihrer Musik um Almosen bettelt. Ohne groß darüber nachzudenken, beginnt Chuck, ausgelassen zu Taylors Beat zu tanzen. Und es dauert nicht lange, bis sich ihm Janice Halliday (Annalise Basso) anschließt, die gerade auf unschöne Weise von ihrem Freund verlassen wurde, und die eigentlich gar nicht in der richtigen Stimmung dafür ist…
„The Life of Chuck“ ist eine weitere kongeniale Stephen-King-Adaption von Mike Flanagan, der es auf vorzügliche Weise gelingt, die seltsame Stimmung der erstmals 2020 erschienenen gleichnamigen Kurzgeschichte zu bewahren. Genau wie die Vorlage ist auch der Film dreigeteilt und wird von hinten nach vorne erzählt. Durch den Einsatz einer Erzählerstimme aus dem Off werden Verbindungen hergestellt und die Tonalität des geschriebenen Wortes herübergerettet. Zusätzlich kann der Film durch visuelle Referenzen in Sekundenbruchteilen Fährten legen, die dem Publikum dabei helfen, das Mysterium der Geschichte zu entschlüsseln. Essenziell dabei ist das Zitat „Ich enthalte Vielheiten“ aus dem Walt-Whitman-Gedicht „Gesang von mir selbst“, das wiederholt aufgegriffen wird und für King sicherlich als große Inspiration diente. Seine weise Geschichte ist voller Zärtlichkeit und Poesie, was Flanagan adäquat ins Medium Film transferiert hat. Die BluRay-Erstveröffentlichung von Tobis/Leonine bietet ein exzellentes Bild (im Widescreen-Format 2,39:1) und einen gleichermaßen makellosen Ton (Deutsch und Englisch im DTS HD Master Audio 5.1, optional mit deutschen Untertiteln oder englischen Untertiteln für Hörgeschädigte). Die Extras umfassen ein Making-Of-Feature (18 Minuten), ein Special zur zentralen Tanzszene (14 Minuten), ein Special zum dritten Akt des Films (10 Minuten) und ein Special zur Kindheitsgeschichte Chucks (9 Minuten) sowie Trailer.




Kommentare
Die Story fand ich genial (ist glaube ich in "Blutige Nachrichten" enthalten.
Bin sehr gespannt auf den Film
Als kompromissloser Fanatiker von GREEN MILE, SHAWSHANK REDEMPTION und DOLORES (den Verfilmungen), hat LIFE OF CHUCK sofort ein Quartett gebildet.
Unglaublich berührend. Noch nie war der Weltuntergang so wunderbar.