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Dolores - Unter Mordverdacht

Dolores

Unter Mordverdacht

 

Bei der Kombination aus Stephen King und Kathy Bates dürften die meisten sicherlich zunächst an den tollen Horrorschocker „Misery“ denken. Aber die Paarung gab es fünf Jahre später noch einmal, als der King-Roman „Dolores“ mit Kathy Bates in der Hauptrolle für die Leinwand adaptiert wurde. Nun hat Plaion Pictures den sehenswerten Film als Mediabook veröffentlicht, das neben einer DVD auch erstmals eine BluRay des Films beinhaltet.

Die Popularität von Werken wie „Misery“ konnte „Dolores“ weder als Roman noch als Film erreichen, was aber sicherlich auch der Tatsache geschuldet sein dürfte, dass es sich bei dem erstmals 1992 erschienenen Buch um ein recht untypisches für Stephen King handelt. Der Schriftsteller ist am bekanntesten und erfolgreichstes im expliziten Horrorgenre, wenn Killer-Clowns auf Kinderjagd gehen („Es“), tote Haustiere wieder zum Leben erwachen („Friedhof der Kuscheltiere“) oder der Teufel selbst auf der Erde eine Schlacht zwischen Gut und Böse ausficht („The Stand – Das letzte Gefecht“). Doch King hat als Schriftsteller durchaus auch ein Talent für leisere Töne, kann Charaktere fein herausarbeiten und ihr Schicksal derart plastisch entwerfen, dass es seine Leserschaft zu Tränen rührt. Das bekannteste Beispiel hierfür ist sicherlich „Die Verurteilten“ und die dem Film zugrundeliegende Novelle „Frühlingserwachen: Pin-Up“, die im fiktiven Gefängnis Shawshank im US-Bundesstaat Maine spielt und vom Alltag der dort Inhaftierten erzählt. Frank Darabonts Filmadaption nimmt mit über 3 Millionen User-Bewertungen auf der International Movie Database seit 2008 die Spitzenposition der am besten bewerteten Filme ein. Wenngleich die im Folgejahr uraufgeführte King-Verfilmung „Dolores“ da nicht ganz mithalten kann (nur etwas mehr als 50.000 Bewertungen), ist auch Taylor Hackfords („Ein Offizier und Gentleman“, „Ray“) Film fraglos eine der gelungensten Stephen-King-Adaptionen überhaupt, die nicht nur durch ihre packende Story und glanzvolle Darstellerleistungen zu bestechen vermag, sondern auch durch ein ausgeklügeltes dramaturgisches Konzept (Drehbuch: Tony Gilroy) und eine spannungsreiche und effektvolle Inszenierung.

Seit über 20 Jahren war Dolores Claiborne (Kathy Bates) die Haushälterin und persönliche Pflegekraft der exzentrischen Witwe Vera Donovan (Judy Parfitt). Die millionenschwere, demenzkranke Dame ist bei einem Treppensturz ums Leben gekommen, Postbote Sammy Marchant (Wayne Robson) wurde aber Zeuge, wie Dolores mit erhobenem Nudelholz über dem Körper Veras stand. Für Detective John Mackey (Christopher Plummer) gibt es deswegen nicht den geringsten Zweifel, dass es sich nicht etwa um einen Unfall, sondern um Mord handeln muss. Aus New York reist Dolores‘ erwachsene Tochter Selena (Jennifer Jason Leigh) an, die schon seit etlichen Jahren kaum mehr Kontakt zu ihrer Mutter hatte. Während sie sich im arg ramponierten Familienhaus bei Dolores einrichtet, kommen Erinnerungen an ihre Kindheit wieder hoch. Die Teenagerin (Ellen Muth) musste damals mit ansehen, wie ihr schwer alkoholkranker Vater Joe (David Strathairn) ihre Mutter nicht nur verbal beleidigte, sondern auch körperlich misshandelte. Nachdem sich Joe an dem Geld vergriffen hat, das Dolores eigentlich für die Ausbildung Selenas zusammengespart hatte, eskaliert zur Sonnenfinsternis in den 1970er Jahren die Situation. Die Auswirkungen der damaligen Ereignisse strahlen bis in die Gegenwart aus, in der Dolores abermals unter Mordanklage gerät.

Eigentlich ist „Dolores“ keine werkgetreue Stephen-King-Verfilmung, sondern eine eigenständige Interpretation einer Stephen-King-Idee, die die Romanvorlage weiterspinnt und sogar um einige Nuancen erweitert. Einige Charaktere sind herausgestrichen und die Handlung in ein anderes Jahrzehnt verlagert worden, auch der Schwerpunkt wurde hier anders gesetzt. Da der Roman zu den unspektakulärsten und subtilsten des Horrorschriftstellers gehört, entwickelt sich die Spannung hier eher im Stile eines Psychothrillers. Mit Kathy Bates wurde wieder einmal (nach „Misery“) die Idealbesetzung für die Hauptrolle gefunden, aber auch Jennifer Jason Leigh verleiht ihrem Charakter Tiefe und Glaubwürdigkeit. Die Wechsel zwischen den verschiedenen Zeitebenen sind filmisch sehr kunstvoll gestaltet und Taylor Hackfords Inszenierung macht das unterschwellige Grauen fast schon physisch spürbar. Fraglos unter den Dutzenden Stephen-King-Verfilmungen eine der gelungensten. Das Mediabook besteht aus einer DVD und einer BluRay des Films sowie einem 20-seitigen Booklet mit einem informativen und gewitzten Text von Wieland Schwanebeck. Das Bild (im Widescreen-Format 2,35:1) ist sehr gut, gelegentlich ist das Filmkorn noch erkennbar. Der Ton liegt leider nur im englischen Original im DTS Master Audio 5.1 vor, Deutsch (und alternativ in einer weiteren englischen Fassung) ist er im PCM 2.0 aufgespielt (optional mit deutschen und englischen Untertiteln), was wohl dem damaligen Kinoerlebnis sehr nahekommen dürfte. Die weiteren Extras umfassen einen Audiokommentar von Hackford, Kurzinterviews mit Hackford (6 Minuten), Kathy Bates (6 Minuten) und Jennifer Jason Leigh (4 Minuten), den deutschen und englischen Trailer sowie eine größere Bildergalerie.

Kommentare  

#1 Mainstream 2025-06-09 11:22
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Du nimmst mir die Worte aus dem Mund.
Mit "Shawshank Redemption" und "Green Mile" eine der besten Verfilmungen von Stephen King. Aber auch für sich stehend ein unglaublich intensiver Thriller.
So starke Änderungen wie ich bei dir herauszulesen ist, hat es meiner Meinung nach aber nicht gegeben. Natürlich die üblichen Kürzungen um der Filmdramaturgie gerecht zu werden. Aber in Bezug auf die Figuren und inhaltliche Elemente finde ich keine nennenswerten Abweichungen.
#2 Andy 2025-06-09 16:56
Den Film habe ich tatsächlich noch nie gesehen, woran das jetzt genau liegt kann ich selber gar nicht sagen. Aber was die Werktreue betrifft gibt, es wohl viele Filme die sich von ihrer Romanvorlage sehr unterscheiden. Dafür gibt es wohl mehrere Gründe.

Auch wenn das hier jetzt nicht unbedingt hingehört: ich habe den Roman "Der weisse Hai" von Peter Benchley gelesen, nachdem ich den Film auf Video endlich mal sehen konnte. Ich hatte dann das Gefühl, dass Roman und Film sogar jeweils eine andere Geschichte erzählten.

Von King habe ich bisher leider nur "Carrie" und "Cujo" gelesen.
#3 Cartwing 2025-06-10 04:42
Hat mir tatsächlich besser gefallen, als die Vorlage.
Diese ist allerdings von der Erzählperspektive her wirklich untypisch aber trotzdem oder gerade deshalb auch empfehlenswert.

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