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The Blazing World - der erste Science Fiction Roman einer Frau?! - Teil 1

The Blazing World - der erste Science Fiction Roman einer Frau?!

Teil 1

Immer wieder stößt man in Open Culture auf unbekannte Dinge, die den Horizont erweitern. Dies passierte mir gerade mit dem Hinweis auf Margaret Cavendish und ihren Roman Blazing World in diesem Artikel.
Der Artikel aus Open Culture schreibt, Science-Fiction sei ein vor allem durch männliche Autoren besetzte Genre. Und in der Tat fällt es nicht leicht, viele weibliche Autoren (wirklich bekannte weibliche Autoren zu benennen). Es gibt die "üblichen Verdächtigen" wie Ursula LeGuin, Margaret Attwood ... mir fällt es da schon schwer jemanden zu finden.

Unter anderem deshalb führe ich ein Interview mit Petra Jörns zu dem Thema Frauen und Science Fiction.

Margaret Cavendish wird durch ihren Roman The Blazing World, in dem eine ungenannte Erzählerin über den Nordpol in eine fremdartige Welt gelangt, oft als erste weibliche Science-Fiction-Autorin bezeichnet (über diese Einnschätzung weiter unten mehr), dazu als eine der ersten bekannten weiblichen Philosophinnen Englands.

Geboren 1623 in England, in der mehr oder weniger chaotischen Vorbotenzeit des englischen Bürgerkrieges, in eine Royalistenfamilie, war Margaret in der begünstigten Position, sich keine Sorgen um ihren Lebenshunterhalt machen zu müssen. Ihr Vater war ein kleinerer Landbesitzer namens Thomas Lucas, der in Margarets Kindheit verstarb. Ihre Mutter, eine sparsame Frau, musste sich ab da um den Besitz der Familie, Land in Essex und die große Familie, kümmern. Sie hatte sieben Geschwister, die, so schreibt Margaret selbst, "tugendhaft, bescheiden, höflich, ehrenhaft, und auf ehrlichen Prinzipien beruhend" (“virtuously, modestly, civilly, honourably, and on honest principles") schreibt sie selbst über ihre Jugend in dem Werk "A True Relation". Ihre Vergnügen waren die typischen der damaligen Zeit: Im Winter spielte man im Haus, beschäftigte sich mit kleinen Theaterspielen oder machte Ausfahrten mit der Kutsche. Im Frühling aßen sie auf Barken, die zu Wasser gelassen worden waren.

Wie schon beschrieben, zählte sich ihre Familie zu den Royalisten, was dazu führte, dass ihr Besitz im Zuge des beginnenden Bürgerkrieges 1642 von örtlichen Einwohnern überfallen und geplündert wurde. Damals war Charles I. seit 1625 König von England, lehnte das Parlament ab und pochte auf das göttliche Recht der Krone darauf, die Geschicke des Landes zu lenken. Charles I., ein Stuart-König, war Sohne von Jakob I., dem Sohn von Mary Stuart, und Henrietta Maria de Bourbon, der Tochter König Heinrichs IV. von Frankreich, sah sich nicht als katholischer Herrscher, was ihn in den Augen der Katholiken unliebsam machte, und war in seinen Ansichten puritanischer ausgerichtet als die Anglikanische Kirche das sehen wollte, was diese gegen ihn aufbrachte. Zusammen mit dem Widerstand des Parlamentes ihre Macht zurückzudrängen, hatte er fast alle entscheidenden Gruppen in England gegen sich. Und damit waren auch die Royalisten, die sich zu Charles I. hielten, fast überall unbeliebt.

Was genau mit Margaret in der Zeit geschieht, ist unklar, jedenfalls taucht sie in London als junge Hofdame der Königin Henriette Maria (Mutter des damals aktuellen Königs Charles I.) wieder auf. Wie sie an diese statusreiche Position kam, konnte ich nicht herausfinden. Damals war sie noch unverheiratet.

Um den Nachstellungen durch Cromwell zu entgehen, entschloss sich Charles I. dazu, mit seinem Hof nach Frankreich ins Exil zu gehen, und als Hofdame der Königin ging Margaret mit. Dort begegnete sie einem anderen Opfer der Bekämpfung der Royalisten, William Cavendish, Oberbefehlshaber der königlichen Armee im Norden, Erzieher des Kronprinzen und bedeutender Mäzen. Cavendish, Herzog von Newcastle-upon-Tyre, der wesentlich älter war als Margaret und verwitwet, machte der jungen Frau einen Antrag, den diese annahm. 1645, Margaret war damals immerhin bereits 22, heirateten sie und zogen darauf nach Antwerpen, wo sie 10 Jahre lang leben sollten, bis die Herrschaft Cromwells in England endete und sie wieder nach Englang zurück konnten.

William Cavendish war ein intelligenter, gebildeter Mann, der unter anderem mit Thomas Hobbes und Descartes verkehrte. Wie es Margaret in dieser Zeit ging, ist wenig überliefert, es gibt jedoch Hinweise darauf, dass sie nicht schwanger werden konnte, und man versuchte mit haarsträubenden Methoden, ihre "Hypochondrie" und "Melancholy" zu bekämpfen.

In Antwerpen wohnten im ehemaligen Haus von Rubens, dort begann Margaret zu schreiben. Sie behielt ihre Werke nicht für sich sondern begann sie zu veröffentlichen, ganz offensichtlich mit der Unterstützung ihres Mannes. Ganz allgemein wurden die literarischen Ergüsse der adeligen Männer (von Frauen wurde schon gar nicht erwartet, dass sie überhaupt etwas anderes als kleine, harmlose Verschen schrieben), im kleinen Kreis vorgelesen oder verbreitet, also absolut gesellschaftlich und sozial ein Unding. Sie hatte, wie damals für weite Kreise der, auch adeligen, Gesellschaft keine große Schulbildung erhalten, als Herzogin nimmt sie sich die Freiheiten heraus, sich mit den Ideen der Philosophen und Forscher zu beschäftigen.
Ihre Erkenntnisse und Einsichten verarbeitet sie in Briefen, Gedichten und Schriften. In der Gesellschaft beginnt man über sie zu tuscheln, zu tratschen, immer öffentlicher wird die Kritik an dieser offenbar verwirrten Frau.

Dorothy Osborne, einer Zeitgenossin von Margret Cavendish, schrieb in einem Brief an William Temple: "Bestimmt ist die arme Frau ein wenig verwirrt, sie könnte sich sonst nie so lächerlich machen, sich zu erlauben Bücher zu schreiben und noch dazu in Versen. Wenn ich vierzehn Tage nicht schlafen würfe, sollt es nicht so weit mit mir kommen. (Herausgeber G.C. Moore Smith, Oxford, 1928)

Margaret Cavendish hingegen schreibt 1662 in "Orations of Divers Sorts": "I Write to Please my Self".

Als Frau mit einer relativ geringen allgemeinen Bildung, in der Familie wurde nicht sehr viel Wert darauf gelegt, Mädchen eine breite und tiefergehende (Schul-)Bildung zukommen zu lassen, ist es erstaunlich, mit welcher Freude und Kreativität Margaret Cavendish beginnt zu schreiben. Sie berichtet, dass die Eltern, bzw. die Mutter, Bücher und Tutoren zur Verfügung gestellt hatten, dies alles jedoch für die Kinder eher ein "Schön wär's" als ein klarer Auftrag gewesen war. Offensichtlich hat Cavendish später Bücher studiert, einige - zugegeben seltsame - philosophische Vorstellungen entwickelt und so insgesamt 1653 und 1671 zahlreiche literarische Werke geschrieben, dazu 14 wissenschaftliche Titel, Theaterstücke und auch relevanten Briefwechsel veröffentlicht. Sie schrieb "fröhlich und unbedarft", 1663 wurde ein Werk von ihr, in dem sie über die Theorien zur Physiologie des Menschen schrieb, sogar in einem Sammelband veröffentlicht. Teilweise war angenommen worden, ihr Mann habe eigentlich die Werke verfasst, nicht zuletzt weil dieser oft ein eigenes Gedicht den Werken von Margaret voranstellte, wahrscheinlich jedoch um zu demonstrieren, dass die Veröffentlichung der Werke seiner Frau mit seiner ausdrüklichen Billigung geschah.
 
Francesca Peacock, eine Biografing von Margaret Cavendish schreibt, es sei sehr schwer, die beiden Hälften dieser ungewöhnlichen Kreatur zu vereinen: Auf der einen Seite ein gering gebildetes Mädchen, das vor Schüchternheit fast stumm war, und diese überaus produktive und berüchigte Schriftstellerin, die im Jahre 1667 als erste Frau an einem Treffen der Royal Society teilnahm (übrigens das erste und einzige Mal für ein paar weitere Jahrhunderte.

Sie schreibt in der Einleitung zu einer der Ausgaben von Blazing World einem wirklich wunderbaren Satz:

"... though I cannot be Henry the Fifth, or Charles the Second; yet, I will endeavour to be, Margaret the First: and, though I have neither Power, Time, nor Occasion, to be a great Conqueror, like Alexander, or Cesar; yet, rather than not be Mistress of a World, since Fortune and the Fates would give me none, I have made One of my own."

(Deutsch: ... obwohl ich nicht Henry der Fünfte bin, oder Charles der Zweite sein kann: Ich will mich darum bemühen, Margaret die Erste zu sein: und obwohl ich weder die Macht, Zeit noch Gelegenheit habe um ein großer Eroberer wie Alexander oder Caesar zu sein; statt keine Gebieterin über eine Welt zu sein, da Glück und Schicksal mir dies nicht geben wollte, habe ich eine eigene (Welt) erschaffen."

Fortsetzung in Teil 2, dort folgen auch die Quellenangaben

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