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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Dakota-Aufstand?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Dakota-Aufstand?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: 1862 kam es zum größten Indianeraufstand westlich des Mississippi. Der Historiker Prof. Albert Winkler geht davon aus, dass es der verlustreichste Indianerkrieg in dieser Region war. Er schätzt etwa 800 Opfer; die meisten deutsche Siedler.

Die Dakota in Minnesota waren wegen des weiter östlich und südlich tobenden Bürgerkrieges schlichtweg vergessen worden und hatten ihre vertraglich zugesicherten Lebensmittellieferungen nicht erhalten. Immer wieder wurden sie hingehalten, bis die jungen Krieger genug hatten und die zuständige Indianeragentur überfielen, plünderten und einige betrügerische Handler umbrachten. Damit begann ein erbitterter und blutiger Krieg

Am 2. und 3. September 1862 kam es zu einem der schwersten Gefechte in diesem Krieg, das ca. 30 Stunden dauerte und die Armee in große Bedrängnis brachte.

Der erste Gouverneur von Minnesota, Henry H. Sibley, war zum Colonel der Staatsmiliz ernannt worden. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, den Aufstand niederzuschlagen. Sibley versammelte 1.500 Mann, darunter die neu organisierte 6. Minnesota-Infanterie, und bewegte sich langsam den Minnesota River hinauf, um die Verteidiger von New Ulm und Fort Ridgely zu entlasten.
Sibley führte zunächst ein schnelles Ausbildungsprogramm für seine unerfahrenen Freiwilligen in Fort Ridgely durch und schickte dann Major Joseph R. Brown, Captain Hiram Grant und 160 Männer flussaufwärts zur Redwood Agentur, um die ersten Opfer des Aufstands zu begraben und alle Überlebenden aufzunehmen. Die Gruppe aus Wagenlenkern, Zivilisten und einer Militäreskorte hatte bereits 50 Leichen bestattet, als sie die Lower-Sioux-Fähre erreichten. Dort fanden sie 33 weitere Tote aus dem Kommando von Captain Marsh vor. Desweiteren begruben sie etwa 50 Leichen, die sie in der Umgebung entdeckten. Danach schlugen Sie am Abend des 1. September in Birch Coulee, nicht weit von der Agentur und von Fort Ridgely entfernt, ein Nachtlager auf.

In dieser Nacht folgten etwa 200 Krieger unter den Santee-Sioux-Häuptlingen Mankato, Big Eagle und Gray Bird dem Strom flussabwärts, um zu sehen, was Grants Kommando vorhatte. Sie umzingelten das Soldatenlager und begannen am 2. September um 4 Uhr morgens einen furiosen Angriff. Sie töteten fast alle Wachtposten, bevor die anderen Soldaten geweckt wurden. Als die schlaftrunkenen Männer aus ihren Betten taumelten, brüllte Captain Grant: „Legt euch auf den Bauch und schießt!“

Die Soldaten bildeten so schnell wie möglich eine Kreisformation und wiesen bemerkenswerterweise den ersten Angriff zurück. Die Versorgungswagen der Armee wurden durch das heftige Gewehrfeuer beschädigt. Alle 87 an die Wagen gebundenen Pferde wurden getötet. Justina Krieger, eine deutschstämmige, kurz vorher gerettete Frau, die zusammengerollt in einem der Waggons lag, überlebte den mörderischen Schusswechsel. Sie hinterließ später einen Bericht, der exakter war als der militärische Report.

Der Tag verging. Grants Männern ging nach und nach die Munition aus. Sie griffen zu ihrer Reserve. Dabei mussten sie feststellen, dass Sie nur noch Kugeln im Kaliber .62 für ihre Gewehre hatten. Diese Musketen aber hatten das Kaliber .58. Die Soldaten mussten daher die Kugeln verkleinern, um sie passend für ihre Waffen zu machen. Außerdem verfügten sie nur noch über einen Eimer Wasser und einen Kohlkopf, der für mehr als 100 Menschen reichen musste.

In Fort Ridgely konnte Sibley schwach den Schlachtenlärm vernehmen. Er entsandte sofort eine Hilfstruppe von 240 Mann unter Colonel Samuel McPhail. Zu dem Kommando gehörten auch 2 Haubitzen. Drei Meilen von Birch Coulee entfernt stieß McPhail auf eine große Gruppe Sioux, darunter auch Krieger von Big Eagle. McPhail entschied, dass er zu viele Indianer vor sich hatte, um einen Kampf zu riskieren. Er ließ seine Männer die Haubitzen abfeuern und trat den Rückzug an. Big Eagles-Männer kehrten zum Kampf mit Grant zurück und berichteten hier triumphierend, dass sie die weißen Soldaten verscheucht hatten.

Als McPhail in Fort Ridgely ankam, sammelte Sibley hastig weitere 1.000 Mann und schickte sie aus dem Fort, um Grants Kommando zu retten.

Bei Sonnenaufgang am 3. September forderte einer der Häuptlinge die Weißen auf, sich zu ergeben. Er bot den Mischlingen unter den Soldaten an, sich den Indianern anzuschließen. Trader Joe Coursolle und die anderen Mischlinge lehnten diesen Vorschlag ab.

Der Kampf ging weiter. Die Santees rückten den schwachen Stellungen der Soldaten immer näher. Captain Grant geriet in immer größere Bedrängnis. Seine Truppe verfügte nur noch über 5 Gewehrladungen pro Mann. Buchstäblich in letzter Minute tauchte Sibleys Hilfstruppe von Osten auf. Es muss ein beeindruckender Anblick gewesen sein; denn die Indianer beschrieben das Anrücken der Armee später als „drei Meilen weißer Männer“.

Die Reste von Grants Kommando wurden gerettet, aber die Santees hatten sich in Birch Coulee für ihre Niederlagen bei Fort Ridgely und New Ulm gerächt. Nur 2 Krieger wurden im Kampf getötet und 4 verwundet, während die Armee 24 Gefallene und 67 Verwundete zu verzeichnen hatte. Die Indianer hatten Sibley in eine peinliche Lage gebracht. Sein erster Versuch, den großen Aufstand im Handstreich niederzuwerfen, war gescheitert, was die Siedler von Minnesota gegen ihn aufbrachte. Es kam im Nachhinein zu Auseinandersetzungen im Offizierskorps, wer denn eigentlich für das Begräbniskommando verantwortlich gewesen war und die beteiligten Einheiten in diese prekäre Lage gebracht hatte. Captain Grant verwahrte sich bis zu seinem Lebensende dagegen, als Sündenbock hingestellt zu werden. Er verwies auf seine Vorgesetzten.

Sibley bot seinen Rücktritt als Kommandant an, was von der Armeeführung zurückgewiesen wurde. Stattdessen wurden ihm mehr Soldaten und bessere Ausrüstungen zugesagt.

Birch Coulee war einer der wichtigen Kämpfe während des Minnesota-Aufstands, der ganz einfach hätte vermieden werden können, wenn der Vertrag mit den Indianern eingehalten und ihnen die versprochenen Lebensmittel geliefert worden wären.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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