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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Spotted Tail?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Spotted Tail?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 5. August 1881 starb auf der Rosebud Reservation in South Dakota einer der einflussreichsten Lakota-Häuptlinge, der allerdings immer im Schatten von Männern wie Sitting Bull, Crazy Horse und Red Cloud stand: SPOTTED TAIL

Er wurde vermutlich im Jahr 1823 im heutigen South Dakota geboren. Seine Mutter – Walks-With-The-Pipe - gehörte zu den Brulé Lakota. Sein Vater war Tangle Hair. Sein Stammesname war SINTE GLESKA. Er wuchs in der Kriegertradition seines Volkes heran, kämpfte während des sogenannten „Grattan-Massakers“ 1854, mit dem der fragile Frieden auf den nordwestlichen Ebenen zerbrach, und nahm an zahlreichen Stammeskriegen teil, bei denen er sich als großer Kämpfer profilierte. Er gehörte allerdings zu jenen Führern, die frühzeitig entschieden, sich um Frieden zu bemühen, da sie nicht glaubten, dass die indianischen Völker gegen den weißen Mann auf Dauer bestehen konnten. Er weigerte sich daher auch, an Red Clouds Krieg teilzunehmen, obwohl er durch Heirat seiner Schwestern mit dem älteren Crazy Horse mit dessen Familie verwandtschaftlich verbunden war – er war vermutlich ein Onkel des jungen Kriegers Crazy Horse. Er war auch mit dem bekannten Krieger „Touch the Clouds“ verwandt.

Schon in den 1870er Jahren reiste er mehrfach nach Washington und vertrat hier die Interessen seines Volkes. Er war ein starker Verfechter der Einrichtung von Reservationsschulen, weil er glaubte, dass die Sioux dem weißen Mann nur gewachsen sein würden, wenn sie lernten, sich in seiner Welt zu bewegen.

Spotted Tail freundete sich mit zahlreichen weißen Offizieren an. Er war häufig Gast in Fort Laramie. Als eine seiner Töchter – Fallen Leaf – 1866 starb, sorgte der Kommandant von Fort Laramie dafür, dass sie, wie es ihrem letzten Wunsch entsprach, auf einem Hügel oberhalb des Forts nicht nur nach Stammestradition, sondern auch mit militärischen Ehren bestattet wurde.

Auch wenn Spotted Tail nicht an Red Clouds Krieg teilgenommen hatte, gehörte er zu der Verhandlungsdelegation, die 1868 den zweiten Vertrag von Fort Laramie unterschrieb und damit zur Schaffung der sogenannten „Großen Sioux Reservation“ beitrug.

Nachdem er bereits 1871 mit US-Präsident U. S. Grant zusammengetroffen war, war Spotted Tail auch 1875 zusammen mit Red Cloud und Lone Horn einer der Führer einer Delegation in Washington, um die Regierung aufzufordern, den Laramie-Vertrag von 1868 einzuhalten.

Im Jahr zuvor war eine Landvermesserexpedition zur Anlage einer neuen Eisenbahn unter dem Schutz der 7. US-Kavallerie in die Black Hills eingedrungen – ein Bruch des Vertrages. Dabei waren enorme Goldvorkommen entdeckt worden, die eine Flut von Goldsuchern in die Gebiete der Lakota gelockt hatten. Im Auftrag des Präsidenten bot der Innenminister den Lakota eine Entschädigung von 25.000 Dollar an, wenn sie ihr Land aufgeben und ins Indianerterritorium (Oklahoma) ziehen würden. Die Lakota lehnten ab. Spotted Tails Antwort ist überliefert:

Mein Vater,
ich habe alles bedacht, was der Große Vater mir gesagt hat, und bin heute hierhergekommen, um eine Antwort zu geben. Bei meinem letzten Besuch gab mir der Präsident mein Land, und ich ließ mich dort an einem guten Ort nieder. Dort möchte ich bleiben ... Ich respektiere den Vertrag (von Fort Laramie, 1868), aber die weißen Männer, die in unser Land kommen, tun dies nicht. Ihr sprecht jetzt von einem anderen Land, in das wir ziehen sollen, aber das ist nicht mein Land; es geht mich nichts an und ich möchte nichts damit zu tun haben. Ich bin dort nicht geboren ... Wenn es ein so gutes Land ist, wie ihr sagt, dann sollten die Weißen, die jetzt in unser Land eingedrungen sind, dorthin gehen und uns in Ruhe lassen ...“

Es kam zum großen Sioux-Feldzug von 1875-76, in dem die Lakota, Cheyenne und Arapaho die 7. US-Kavallerie am Little Bighorn vernichtend schlugen.

Auch danach agierte Spotted Tail als Vermittler. Er wollte so viel Land wie möglich für sein Volk erhalten und in Frieden mit dem weißen Mann leben. Er wollte auf dem Reservationsgebiet, dass man seinem Volk gab, so viel Souveränität wie möglich bewahren.

Sein Tod war tragisch. Mehrere Lakota-Führer warfen ihm vor, sich zu eng an die Armee und die Regierungsbürokratie angelehnt zu haben. Sie waren unzufrieden mit seiner Führung, beschuldigten ihn, Eigenmächtigkeiten begangen zu haben. Es gab eine Verschwörung hinter seinem Rücken, ihn zu beseitigen.

Sprecher der Gegner von Spotted Tail wurde der geachtete Krieger Crow Dog, dem es gelang, Spotted Tail 1880 vor den Stammesrat zu zitieren, wo er sich zu den Vorwürfen äußern musste, dass er eigenmächtig Reservationsland an eine Eisenbahngesellschaft verkauft habe. Spotted Tail verteidigte sich und wurde vollständig entlastet, aber die Rivalität zwischen ihm und Crow Dog – der zeitweise Chef der Stammespolizei war und vermutlich selbst zum Häuptling aufsteigen wollte – wurde heftiger. Es kam zudem zu einer sehr persönlichen Wendung: Spotted Tail hatte Crow Dog die Frau weggenommen. Mehrere Unterhäuptlinge forderten ihn auf, die Frau zu ihrem Mann zurückzuschicken. Spotted Tail weigerte sich und verwies darauf, dass er für alle Handlungen Rückendeckung durch die Indianeragentur habe. Daraufhin beschlossen mehrere führende Krieger, ihn zu beseitigen. Bevor es dazu kam, ging Crow Dog am 5. August 1881 zu Spotted Tail und schoss ihn nieder.

Crow Dog wurde festgenommen, aber nach den Traditionen der Lakota hatte er nur sein Recht wahrgenommen. Die Hinterbliebenen von Spotted Tail erklärten sich mit einer Entschädigung einverstanden. Damit war die Angelegenheit stammesintern geregelt.

Nicht aber für den verantwortlichen Indianeragenten. Spotted Tail war bei ihm und bei vielen weißen Siedlern der Region sehr beliebt gewesen. Sie waren über den Mord an dem Häuptling empört und verlangten eine exemplarische Bestrafung.

Crow Dog wurde daraufhin in Deadwood vor Gericht und zum Tode verurteilt. Sein Anwalt legte Einspruch ein. Schon damals gab es juristische Trennungen zwischen Reservationen und der weißen Gerichtsbarkeit.

Der Fall wurde an den Obersten Gerichtshof der USA verwiesen, der 1883 urteilte, dass ein Bezirksgericht in Deadwood keine Rechtsgrundlage habe, um über einen Mord zu urteilen, den ein Indianer an einem anderen Indianer auf Reservationsland verübt hatte. Damit wurde Crow Dog freigelassen, konnte auf die Rosebud Reservation zurückkehren. Er schloss sich später zeitweise der Geistertanzbewegung an und lebte bis 1911 unbehelligt auf der Rosebud Reservation.

Spotted Tail gilt noch heute, trotz der internen Konflikte am Ende seines Lebens, als respektierter Häuptling. Die Universität auf der Rosebud Reservation erhielt 1971 zu seinen Ehren den Namen „Sinte Gleska University“.

Es ist fast eine Ironie der Geschichte, dass der Mord an ihm eine juristische Diskussion auslöste, die die Stammessouveränität bis heute erhöht hat. Die juristische Hoheit über Straftaten auf Reservationsland obliegt bis heute den Stammesgerichten und darf nur in Ausnahmefällen von Bundesgerichten übernommen werden.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

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