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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Pacific Telegraph Act?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Pacific Telegraph Act?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 16. Juni 1860 – vor genau 160 Jahren – unterschrieb US-Präsident James Buchanan den „Pacific Telegraph Act“. Damit eröffnete er genaugenommen das Zeitalter der elektronischen Kommunikation in Nordamerika und fügte den atemberaubenden Pionierleistungen jener Ära ein entscheidendes Kapitel hinzu.

Die Telegrafie hatte sich bereits vorher in Amerika etabliert, aber es existierten bis zur Entscheidung des Präsidenten lediglich kurze regionale Linien in dichter besiedelten Gebieten. Der „Pacific Telegraph Act“ sollte nichts weniger als die Ost- mit der Westküste verbinden und damit eine Distanz von über 2.360 Meilen (ca. 3.800 km) überwinden.

Der Beschluss stellte zunächst eine Ausschreibung dar, an der sich alle existierenden Telegrafenlinien beteiligen konnten. Letztlich erhielt Hiram Sibley, der Direktor der 1851 in Rochester (New York) gegründeten „Western Union Telegraph Company“ den Zuschlag.

Sibley hatte eine typisch amerikanische Karriere hinter sich. Bettelarm geboren, lernte er zunächst das Schusterhandwerk, arbeitete dann in Maschinenfabriken und entwickelte ein starkes Interesse an neuen Techniken. Als er mit Samuel Morse in Kontakt kam, begeisterte er sich für dessen Erfindung des Ein-Draht-Telegrafensystems, dass auf anderen europäischen Telegrafiesystemen aufbaute. Morse war 1832 nach einer Europareise zurückgekehrt und führte die Methode der elektromagnetischen Nachrichtenübermittlung in Amerika ein. 1847 erhielt er ein Patent auf sein System. Morse hatte auch den entsprechenden Code für die Übermittlung von Nachrichten mittels elektrischen Signalen entwickelt. Damit wurde die Telegrafie kommerziell nutzbar.

Angesichts des enormen Aufwands, der für den Bau einer transkontinentalen Telegrafenlinie nötig war, suchten Sibley und die Anteilseigner der „Western Union“ sich finanzstarke Partner. Einer davon war Benjamin Franklin Ficklin, der zusammen mit Sibley zunächst die „Pacific Telegraph Company of Nebraska“ gründete – denn der Bau der Telegrafenlinie sollte, genau wie später die Konstruktion der Union Pacific Eisenbahn, in Omaha (Nebraska) beginnen und im wesentlichen der Planwagenstrecke entlang des North Platte River folgen.

Ficklin war ein erfahrener Transportunternehmer, der zuvor Teilhaber des Pony Express und diverser Postkutschen- und Frachtunternehmen gewesen war.

Mit dem Regierungsvertrag in den Händen gelang es Hiram Sibley, weitere kleine Telegrafengesellschaften als Partner zu gewinnen, mit denen er die „Overland Telegraph Company of California“ begründete. Genau wie später beim Bau der großen Eisenbahnlinie begann die Konstruktion der Telegrafenverbindung gleichzeitig von Osten und Westen. Von Carson City (Nevada) aus zogen Baumannschaften aus, um die Telegrafenmasten zu setzen, gefolgt von Teams, die den „singenden Draht“ Richtung Osten spannten. Von Omaha (Nebraska) aus bewegten sich die Bautrupps Richtung Westen in die Great Plains. Es wurde ein atemberaubendes Tempo vorgelegt. Vorhandene kurze Strecken wurden miteinander verlinkt. Bereits am 24. Oktober 1861 fand in Salt Lake City (Utah) die Vereinigung der Telegrafenlinien statt.

Das war zugleich das abrupte Ende einer anderen, inzwischen legendenumwobenen Pionierleistung – des Pony Express. Die Inhaber dieser sagenumwobenen Postreiterlinie von St. Joseph nach Kalifornien waren bankrott. Viel zu hohe Kosten, zu geringe Einnahmen. Etwa 150 Postreiter sattelten ab, mehr als 190 Pferdewechselstationen in der Wildnis verfielen. Die als Rekord gepriesene Leistung, die Post zwischen Ost und West durch Steppen und Rocky Mountains bei jedem Wetter in 10 Tagen hin und her transportiert zu haben, trat in den Hintergrund; Nachrichten wurden jetzt innerhalb von Minuten von Ost nach West und zurück transferiert.

Nach Fertigstellung der transkontinentalen Telegrafenlinie verschmolzen alle Unternehmen, die Sibley für die Konstruktion gegründet hatte, in der „Western Union“. Diese Firma monopolisierte das Telegrafenwesen in den USA bis weit ins 20. Jahrhundert und gab das Telegrafiegeschäft erst 2006 auf.

Die Übermittlung von Nachrichten von „Küste zu Küste“ war nicht nur unschlagbar schnell geworden, sie war auch billiger als der Pony Express. Eine Botschaft von 10 Wörtern kostete maximal 3 Dollar.

Der „Pacific Telegraph Act“ sah vor, den Betreibern 10 Jahre lang jedes Jahr Regierungsdarlehen von 40.000 Dollar zu gewähren. Für jede jeweils 15 Meilen Strecke wurden öffentliche Landzuteilungen als weitere Subvention gewährt. Das betraf die Hauptstrecke zwischen dem Bundesstaat Missouri und San Francisco in Kalifornien. Dasselbe galt für eine Nebenstrecke nach Oregon.

Der amerikanische Osten und der Westen wuchsen zusammen. Es ist müßig zu streiten, wer dieses einigende Band schmiedete – die Telegrafie oder die Eisenbahn. Letztlich dürfte die transkontinentale Eisenbahn, die 1869 fertiggestellt wurde, noch bedeutender gewesen sein, weil sie die physische Verbindung von Menschen und dem Austausch von Waren darstellte; aber die Kommunikation der Landesteile hatten die Telegrafenunternehmer hergestellt. Sie hatten die notwendige Verbindung geschaffen, die das Reisen und die geschäftlichen Kontakte erst möglich gemacht hatten.

1861 brach der amerikanische Bürgerkrieg aus, und hier erwies sich die Telegrafie als wirksames Instrument der Nachrichtenübermittlung und trug zur Überlegenheit der Nordstaatenunion bei.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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