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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem Massaker von Goliad?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Massaker von Goliad?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Nachdem ich vor Kurzem über den Fall der Festung Alamo in San Antonio an jenem Tag im Jahr 1836 berichtet habe, will ich heute an ein weiteres Schlüsselereignis der texanischen Revolution erinnern.

Am 27. März 1836 – vor 184 Jahren – kam es zum Massaker von Goliad. Es ist in direkter Linie zu den Ereignissen um den Alamo zu sehen und befeuerte die Entschlossenheit der Texaner, sich von Mexiko loszusagen.

In Goliad wurden bis zu 445 Kriegsgefangene von General Urrea und Oberstleutnant Portilla nach der Kapitulation gnadenlos exekutiert. Angeordnet hatte diese Maßnahme, die schon damals gegen jegliches Kriegsrecht verstieß, der General und Präsident Santa Ana.

Im Januar hatte der formale Oberkommandierende der provisorischen texanischen Armee, Sam Houston, Einheiten nach Goliad geschickt, um das dortige Presidio La Bahia, dem eine ähnliche Bedeutung wie dem Alamo zugemessen wurde, zu verteidigen.

Kommandiert wurden diese Truppen von Colonel James Fannin. Er gab der ehemals mexikanischen Befestigung den Namen „Fort Defiance“.

Santa Ana hatte Kenntnis davon erhalten, dass die Texaner Goliad besetzen wollten, und setzte General Urrea mit ca. 400 Soldaten in Marsch, um die Texaner abzufangen.

Nach einigen kleineren Gefechten auf dem Weg, die ebenfalls mit standrechtlichen Erschießungen der unterlegenen Texaner geendet hatten, erreichten die Mexikaner Goliad. Am 19. März kam es zur Schlacht von Coleto, einem zwei Tage dauernden erbitterten Kampf auf der offenen Prärie außerhalb von Fort Defiance. Als die Mexikaner am zweiten Tag durch Artillerie verstärkt wurden und die Texaner einschlossen, entschied Colonel Fannin am 20. März, zu kapitulieren. Seine Erwartung war, dass seine Männer nach kurzer Gefangenschaft in die Vereinigten Staaten abgeschoben werden würden. Nach Niederlegung ihrer Waffen, wurden Fannin und seine Einheiten nach Goliad gebracht. Ihre Festung war jetzt ihr Gefängnis.

Weitere texanische Gefangene, kleinere Einheiten, die von den Mexikanern geschlagen worden waren, kamen in den folgenden Tagen hinzu, darunter auch das Nashville Bataillon aus Tennessee, ca. 75 Mann.

General Urrea schrieb einen Bericht an Santa Ana und schlug vor, die gefangenen Texaner auf Parole in die USA freizulassen. Das entsprach den militärischen Gepflogenheiten. Dann verließ er Goliad und ließ Colonel José de la Portilla als Kommandeur zurück.

Santa Ana hatte allerdings schon im Dezember 1835 ein Dekret erlassen, wonach die Texaner als „Rebellen und Piraten“ zu behandeln seien, nicht als Soldaten. Er antwortete auf Urreas Appell mit dem Befehl, alle Gefangenen zu exekutieren.

Urrea weigerte sich, aber als Santa Anas Order eintraf, fühlte sich Colonel Portilla verpflichtet, die Anweisung auszuführen.

Am 27. März 1836 ließ Portilla zwischen 425 und 445 Texaner in drei Kolonnen aus der Festung marschieren. In der San Patricio Road und der Citoria Road of Goliad warteten die Erschießungskommandos, die das Feuer auf die Texaner eröffneten. Wer nicht sofort tot war, wurde mit Gewehrkolben erschlagen oder mit Bajonetten und Messern erstochen.

40 Texaner waren verwundet und konnten nicht laufen. Davon wurden 39 innerhalb der Festung von einem Exekutionskommando unter Captain Carolino Huerta hingerichtet. (Einen konnte der Colonel des Bataillons retten.)

Colonel Fannin war der letzte Mann, der exekutiert wurde, nachdem er mitansehen mußte, wie alle seine Männer getötet worden waren. Ein Kommando führte ihn auf den Platz vor der Kapelle von Goliad, verband ihm die Augen und fesselte ihn auf einen Stuhl; er konnte wegen einer Verwundung im Bein nicht stehen.

Fannin äußerte drei Bitten: 1. Sein persönliches Eigentum sollte seiner Familie übersandt werden. 2. Er bat herum, nicht in den Kopf, sondern ins Herz geschossen zu werden. 3. Er wünschte sich ein christliches Begräbnis.

Die Soldaten nahmen sein Eigentum und verteilten es unter sich. Sie schossen ihm ins Gesicht und verbrannten seine Leiche mit allen anderen Exekutierten.

28 Texaner stellten sich tot und entkamen, teilweise verwundet, dem Massaker. Darunter befand sich der deutsche Auswanderer Herman Ehrenberg, dem die Nachwelt einen Bericht über das Gemetzel verdankt.

Einige weitere Texaner überlebten aufgrund der verzweifelten Appelle von Francita Alavez, die als „Engel von Goliad“ in die Geschichte einging, sowie Colonel Francisco Garay, ein griechischstämmiger Offizier der mexikanischen Armee, der einige Männer mit der Begründung, dass er sie als Ärzte und Dolmetscher benötigte, separieren konnte.

Als Sam Houston mit seinen Texanern am 21. April 1836 das Feldlager Santa Anas bei San Jacinto stürmte, ertönte der Schlachtruf „Remember the Alamo! Remember Goliad!“ (Erinnert euch an Alamo! Erinnert euch an Goliad!) Santa Anas Soldaten zahlten einen hohen Preis für die Befehle ihres Kommandeurs. Sam Houston konnte mit Mühe verhindern, dass seine Soldaten Santa Ana lynchten – aber seine Unterschrift als Staatspräsident wurde benötigt, um die Unabhängigkeit der Texaner endgültig anzuerkennen. So entkam der eigentlich Verantwortliche für Alamo und Goliad seiner Strafe.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

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