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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit David Crockett?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit David Crockett?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Letzte Woche habe ich über den Untergang der Festung Alamo bei San Antonio am 6. März 1836 geschrieben. An diesem Tag starb in diesem verzweifelten Kampf auch eine der bekanntesten Gestalten der populären amerikanischen Geschichte: DAVID CROCKETT..

Der Mythos um ihn ist überlebensgroß. Die Zeit kann gnädig sein: Ein Mensch mag noch so viele Ecken und Kanten oder unangenehme Eigenschaften gehabt haben – je länger sein Dahinscheiden verstrichen ist, in desto milderem Licht wird er gesehen. Viele legendäre Figuren erheben sich ins Reich der Verklärung, je weiter ihre Lebenszeit zurückliegt.

David Crocketts Name ist heute mit einem Wust von Legenden umgeben. So wie bei den anderen Männern, die in der Festung Alamo fielen, hat die Nachwelt ihn auf die Visionen seiner Ideale reduziert. Er ist ein Beispiel dafür, das Helden nicht geboren, sondern von ihrer Umwelt dazu gemacht werden.

David Crockett entstammte einer Familie aus irischen, englischen, schottischen und französisch-hugenottischen Vorfahren. Ein Gabriel Gustave de Crocketagne diente unter dem französischen König Louis dem 14. in Frankreich. Sein Sohn Antoine emigrierte nach Irland und änderte seinen Namen hier in „Crockett“. Dessen Sohn Joseph wanderte nach Nordamerika aus. Hier begann mit dem 1709 geborenen William David Crockett die amerikanische Linie der Familie.

Die Crocketts ließen sich zunächst in New York nieder. Irgendwann siedelten sie in Ost-Tennessee. Hier wurde David (Davy) Crockett am 17. August 1786 als 5. von 9 Kindern geboren. Er wuchs zu einem raubeinigen Hinterwäldler heran. Mit 8 Jahren lernte er, ein Gewehr zu benutzen, auf die Jagd zu gehen und zur Ernährung der Familie beizutragen. Er schuf sich einen Ruf als großer Bärenjäger.

1794 war die Familie Crockett bankrott. In Morristown errichtete sie eine Postkutschenstation mit angeschlossenem Saloon. Ständig war die Familie in Geldsorgen. Als David 12 Jahre alt war, gab sein Vater ihn in die Dienste eines Nachbarn, um Schulden abzuarbeiten.

Mit 13 wurde er eingeschult, verließ die Schule allerdings nach einem Streit mit einem anderen Schüler, lief von zuhause fort und arbeitete als Ranchhelfer und Frachtwagenlenker. Danach ging er bei einem Hutmacher in die Lehre.

1802 kehrte er heim nach Tennessee. 1805 traf David Crockett auf einem Erntefest mit Polly Finley zusammen, einer Farmerstochter. Am 16. August 1806 wurden David Crockett und Polly getraut.

Im Juli 1807 wurde der erste Sohn geboren, John Wesley Crockett. 1812 diente Crockett in der Miliz im Krieg gegen England. Im Jahr darauf verpflichtete er sich als Scout eines berittenen Schützenregiments. Zeitweise wurde er zum Lieutenant Colonel des 75. Tennessee-Regiments gewählt, aber er gab diese Position rasch wieder auf und ging nach Hause. In seiner Autobiographie schrieb er: „Damit war meine Laufbahn als Krieger beendet.“ Bis zu seinem Kampf im Alamo sollte Crockett von da an nicht mehr militärisch in Erscheinung treten. Im Gegenteil äußerte er sich immer wieder negativ über „militärische Arroganz“.

Im März 1815 starb plötzlich seine Frau. Noch im selben Jahr heiratete David die Witwe Elizabeth Patton. In jener Zeit konnten sich Männer oder Frauen, die ihre Partner verloren, keine lange Trauerzeit leisten. Die Kinder mussten versorgt werden, und die materielle Existenz der Familie stand auf dem Spiel, wenn das Land nicht bearbeitet werden konnte.

Als seine Nachbarn ihn aufforderten, sich um einen Sitz im Staatsparlament von Tennessee zu bewerben, kandidierte er und wurde 1821 gewählt. Als Abgeordneter überzeugte er durch Witz, Lebensweisheit und Pragmatismus. Er setzte sich für Steuererleichterungen für Farmer und für die Absicherung von Landbesitz ein.

Als der populäre General Andrew Jackson in die Politik ging und für den Senat kandidierte, war Crockett zunächst einer seiner Anhänger. Abgestoßen von Jacksons rücksichtslosem Stil, unterstützte er schließlich dessen Gegner.

Crockett machte sich als mitreißender Redner einen Namen. 1826 wurde er in den Kongress in Washington gewählt und profilierte sich glaubwürdig als Vertreter der „kleinen Leute“. Er kokettierte mit seiner einfachen Herkunft. In seiner ersten Rede vor dem Parlament sagte er: „Ich bin David Crockett aus dem Hinterwald, halb Pferd, halb Alligator, mit einem kleinen Anteil einer Schnappschildkröte. Ich kann durch den Mississippi waten, über den Ohio springen und auf einem Blitz reiten.“

Schon damals liebten die Medien derartige Reden. Da stand ein Mann aus den Wäldern und Bergen von Tennessee in Wildleder in den ehrwürdigen Hallen des Parlaments und redete so, wie er zu den einfachen Kolonisten in seiner Nachbarschaft sprach. Crockett war authentisch.

Problemlos wurde er im März 1829 für eine weitere Amtszeit wiedergewählt. Noch immer hatte er den Ruf eines „Jacksonians“, aber tatsächlich hatte er sich der „Whig“-Partei angenähert und sah in Andrew Jackson, der 1828 zum Präsidenten der USA gewählt worden war, einen Gegner. Crockett opponierte als Abgeordneter gegen fast alles, was Jackson entschied.

1830 brachte Präsident Jackson sein Gesetz zur Umsiedlung der Indianerstämme im Parlament ein – mit dem die gewaltsame Vertreibung der Indianervölker im Südosten des Landes, darunter der Cherokee, die auf den langen „Marsch der Tränen“ ins heutige Oklahoma gehen mussten, legitimiert werden sollte. Crockett schrieb:

„[Jacksons] infames Indianergesetz wurde im Parlament eingebracht, und ich stellte mich aus den reinsten Motiven der Welt dagegen. Mehrere meiner Kollegen bedrängten mich. Sie sagten, es handle sich um eine populäre Maßnahme des Präsidenten und ich müßte ihr zustimmen.“ Crockett blieb hart. „Ich war immer der Meinung, daß es sich um eine gottlose, ungerechte Maßnahme gehandelt hat. ... Ich habe gegen dieses Indianergesetz gestimmt, und mein Gewissen sagt mir noch immer, daß ich damit eine gute und ehrenvolle Entscheidung getroffen habe, eine Entscheidung, von der ich überzeugt bin, daß sie mir am Tag des Jüngsten Gerichts nicht angelastet werden wird.“

Zwar dankte der Häuptling der Cherokee, John Ross, Crockett für seine Hilfe, aber seine Gegnerschaft zu Präsident Jackson und dessen aggressive Indianerpolitik kostete ihn sein Mandat.

1833 wurde Crockett noch einmal in den Kongress gewählt. Es war seine letzte Amtszeit. Erneut scheiterte ein von ihm unterstütztes Gesetz zur Landsicherung der kleinen Siedler. Crockett war erbittert. Er haßte die Atmosphäre in Washington. Hinzu kam, dass seine Familie nach wie vor in finanziellen Problemen steckte.

In jener Zeit bedeutete ein Parlamentsmandat für die wenigsten Abgeordneten existenziellen Gewinn; Crockett besaß gegen Ende seiner politischen Laufbahn nicht mehr als vorher.

1834 erschien seine Autobiographie. Seine Rednerveranstaltungen waren stets überfüllt. Er stand auf dem Höhepunkt seiner Popularität, wurde aber bei den Wahlen 1835 geschlagen.

In diesen Jahren entwickelte sich die sogenannte „Texas-Frage“ zum alles beherrschenden öffentlichen Thema. Tausende von Siedlern aus den Vereinigten Staaten, die mit der heimatlichen Siedlungspolitik nicht einverstanden waren, hatten bereits den Weg nach Texas angetreten, um dort einen Neuanfang zu wagen. Auch Crockett fühlte sich von der Möglichkeit, in Texas noch einmal von Grund auf neu anzufangen, angezogen.

Als die Jacksonian-Partei seine Wiederwahl in den Kongress erfolgreich verhindert hatte, hielt er seine letzte Parlamentsrede: „Gentlemen, Sie können alle zur Hölle gehen – ich gehe nach Texas.“

Am 31. Oktober 1835 brach er mit mehreren Freunden auf, um sich den Aufständischen anzuschließen. Am 3. Februar 1836 traf Crockett mit 15 Männern in San Antonio ein. Hier ordnete er sich willig dem Kommando von James Bowie und William Travis unter.

Spätere Legenden haben ihn zu einem der „Kommandanten“ des Alamo gemacht – das ist barer Unsinn. Er ist beim Sturm von Santa Anas Armee auf den Alamo gefallen.

Davy Crockett war schon vor seinem Opfergang im Alamo ein amerikanischer Volksheld. Zeitungen hatten ihn als „König der Wilden Grenze“ bezeichnet, als er den Staat Tennessee im Kongress vertreten hatte. Sein gewaltsamer Tod verklärte ihn endgültig zur Legende.

Sein noch heute lesenswertes Buch ist ein historisch-soziales Dokument, in dem er hervorragende Prinzipien formulierte – ob er sie nun selbst einhielt oder nicht, sei dahingestellt: „Ich bin frei, nur nach meinem Gewissen und meinem Urteil abzustimmen, geleitet von Gerechtigkeit, ohne vom Joch einer Partei gedrückt zu werden, oder von einem Kutscher, der mich mit seiner Knute antreibt und mir befiehlt, wohin ich zu gehen habe. … Ihr findet mich aufrecht an meinem Platz stehend, als zuverlässigen Repräsentanten des Volkes und bescheidenen Diener der Öffentlichkeit.“

Davy Crocketts materielles Erbe war gering. Am 10. Juli 1837 sprach das texanische Parlament Crocketts Sohn Robert 240 Dollar als Sold für den Militärdienst seines Vaters zu. Ferner wurden ihm die Landrechte übertragen, die seinem Vater als Freiwilliger im Alamo zustanden.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

Kommentare  

#1 Mainstream 2020-03-15 08:52
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Ach, wie gerne komme ich hier her und geniesse diese vorzüglichen Häppchen an fundierter Geschichte. Immer wieder mit diesem 'Aha, das ist ja interessant'-Effekt.

Konstruktive Kritik: Beschriftung der Bilder wäre ein wahres Sahnehäubchen.

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