Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Reginald Laubin?
Wie war das mit Reginald Laubin?
: Er war für Jahrzehnte eine weltweite Legende für alle Indianerhobbyisten und erwarb sich zugleich den höchsten Respekt von Völkerkundlern und anderen Wissenschaftlern, die sich mit den Kulturen der nordamerikanischen Indianer beschäftigen. Heute scheint es, als geriete er unter jüngeren Menschen, die Interesse an den Indianervölkern haben, langsam in Vergessenheit.
Das wäre – man kann es nicht anders sagen – eine Schande.
Am 4. Dezember 1903, wurde REGINALD LAUBIN geboren. Zusammen mit seiner Frau Gladys wurde er in den 1930er, 1940er und 1950er Jahren als „weißer Indianer“ berühmt – und zwar weltweit. Die beiden schrieben fundamentale Werke über indianische Tänze und materielle Kultur. Dazu gehört das Standardwerk über das Zelt der Plainsvölker schlechthin:
Zu den weiteren bedeutenden Werken des Paares gehörten:
Diese Bücher sind bis heute Pflichtlektüre für Völkerkundler – und sollten es auch für Freunde des Indianerhobbys sein.
Die Laubins studierten indianisches Leben und Brauchtum mit einer Intensität wie kaum andere Forscher. Sie lebten zeitweise mit den Sioux, den Crow, den Cheyenne und den Blackfeet. Die Sioux adoptierten das Ehepaar und gaben ihm den Namen „Tatanka Wanjila“ (One Bull) und Gladys Laubin „Wiyaka Wastewin“ (Good Feather Woman). Sie lebten viele Jahre auf der Crow-Reservation, und zwar im Stil der alten Kultur des 19. Jahrhunderts. Sie hatten das Glück, sich noch mit Menschen anfreunden zu können, die die Vorreservationszeit und das traditionelle Leben auf den Plains noch erlebt hatten.
Was als Hobby angefangen hatte, wurde Lebensinhalt. Ihre Bücher wurden schon zu ihren Lebzeiten zu Klassikern. Sie reisten durch die USA und hielten Vorträge an Universitäten und bei viele anderen wissenschaftlichen Symposien, ebenso aber vor jeder Art Publikum, bei dem Interesse an den indianischen Kulturen herrschte. Sie gaben Tanz- und Gesangsdemonstrationen und unterwiesen Menschen im Bau von Tipis.
Reginald Karl Laubin hatte deutsche Vorfahren. Die Eltern vererbten Reginald eine starke Liebe zur Musik. Mit 7 Jahren lernte er das Geigenspiel und beabsichtigte, ein Konservatorium in Deutschland zu besuchen und Musiker zu werden. Dazu kam es nicht. Die Familie zog 1914 nach Ohio, wo Reginald als Junge zwei indianische Tänzer sah, die einen tiefen Eindruck bei ihm hinterließen. Von da an beschäftigte er sich mit den Kulturen der eingeborenen Völker, durchforstete Bibliotheken und Archive, begann indianisches Leben praktisch nachzuvollziehen, lernte Bogen und Pfeile herzustellen und veröffentlicht bereits 1923 ein erstes Buch über indianischen Bogenbau. Schon drei Jahre vorher hatte er seine Eltern bei einer Grippe-Epidemie verloren. Er lebte zu dieser Zeit bei einem Onkel, der ihn aufs College schicken wollte, aber Reginald schrieb sich in Hartford (Connecticut) auf einer Kunstschule ein. Hier lernte er seine Frau Gladys kennen. Beide sollten über 60 Jahre verheiratet bleiben. Sie teilten ihr Interesse am indianischen Leben. Reginalds Ziel war es, indianische Kultur für den Rest Amerikas verständlich zu machen und zu konservieren.
1927 traten sie erstmals öffentlich mit indianischen Tänzen auf. Der Erfolg war so groß, dass sie ihre Stellungen kündigten und von da an für ihre Leidenschaft lebten. Das war in einer Zeit, in der in Amerika die größte Wirtschaftskrise der Geschichte herrschte, alles andere als einfach.
In den folgenden Jahrzehnten lebten sie bei mehreren Indianervölkern und sammelten so viel wie möglich an Informationen über die verschiedenen Kulturen, um deren Erbe zu bewahren. Sie gewannen nicht nur das Vertrauen dieser Völker – schon 1935 wurden sie von dem angesehenen alten Sioux-Häuptling One Bull adoptiert – sondern auch den Respekt der bedeutendsten Völkerkundler des Landes.
Der letzte öffentliche Auftritt der Laubins mit indianischen Tänzen fand 1988 statt. Ihre enorme Sammlung von indianischen Gegenständen und ihre Aufzeichnungen wurden 1996 dem Museum der University of Illinois übergeben. Im selben Jahr starb Gladys Laubin im Grand Teton Nationalpark (Wyoming). Reginald lebte noch bis zum 5. April 2000; er starb in einem Hospital in Urbana (Illinois).
Die Laubins liegen in Jackson (Wyoming) begraben. 2002 eröffnete das Spurlock-Museum in Illinois zu ihren Ehren die „LAUBIN GALLERY OF AMERICAN INDIAN CULTURES“.
Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de
