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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Schlacht von Yorktown?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der Schlacht von Yorktown?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Es war die Demütigung einer Weltmacht: Am 19. Oktober 1781 – heute vor 238 Jahren – gegen 15 Uhr erhoben sich dumpfe Trommelwirbel über den grasigen Ebenen unweit der kleinen Hafenstadt Yorktown in Virginia. Dann erbebte der Boden unter dem Marschtritt von Tausenden von Männern. In langen Kolonnen schritten britische Rotröcke und hessische Jäger durch das Spalier amerikanischer und französischer Soldaten, senkten ihre eingerollten Fahnen und türmten ihre Waffen zu hohen Haufen auf. – Großbritannien kapitulierte. Die Kolonien in Nordamerika waren für England verloren. Der stellvertretende Kommandeur der Briten, General O’Hara, schrieb in sein Tagebuch: „Amerika gehört jetzt den Franzosen.“ Ein großer Irrtum, aber dieser Satz reflektierte die Denkweise jener Zeit, in der die großen Kolonialmächte immer noch glaubten, die Welt unter sich aufteilen zu können.

Tatsächlich begann mit dem Zeremoniell auf den Wiesen vor Yorktown eine neue Weltordnung, die die globale Landkarte bis heute geprägt hat. Die amerikanische Revolution war zu Ende. Zwei Jahre später erkannte Großbritannien im Friedensvertrag von Paris die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien an.

Dem Tag von Yorktown war eine zermürbende Belagerung vorausgegangen. Die amerikanisch-französischen Truppen unter George Washington und dem Comte de Rochambeau, deren ursprünglicher Plan es gewesen war, New York einzunehmen, wo der britische Oberfehlshaber Sir Henry Clinton stand, waren im September in Eilmärschen nach Virginia gezogen. Sie hatten erfahren, dass der Kommandant der südlichen Armee, Lord Charles Cornwallis, seine ca. 8500 Mann starke Armee aus Yorktown evakuieren wollte. Dieses Manöver machte seine Truppen angreifbar.

Ein nahender britischer Flottenverband unter Thomas Graves wurde vom französischen Admiral de Grasse in der Chesapeake Bay abgefangen und geschlagen, nachdem vorher bereits über 3.000 französische Soldaten bei Jamestown an Land gegangen waren. Danach war die Küstenlinie blockiert. Cornwallis‘ Evakuierungsmanöver war gescheitert. Der kleine Ort Yorktown – zu Kolonialzeiten ein nicht unbedeutender Handelshafen – wurde am 28. September von mehr als 18.000 amerikanischen und französischen Soldaten eingeschlossen.

Schon am 30. September gaben die Engländer ihre äußeren Befestigungen auf – das sollte sich bald als voreilig erweisen. Am 3. Oktober verloren sie das Gefecht von Gloucester Point. Mit jedem Tag trieben Washington und Rochambeaus Soldaten die Laufgräben näher an die britischen Stellungen. Am 9. Oktober eröffneten die Franzosen das Feuer von der Füselier-Redoute mit vier 12-Pfündern und sechs Mörsern und Haubitzen. Die ersten amerikanischen Kanonen – sechs 18- und 24-Pfünder, vier Mörser und zwei Haubitzen – begannen zwei Stunden später aus einer Batterie am York River zu feuern.

Gegen 17 Uhr löste George Washington persönlich den ersten Kanonenschuß der amerikanischen Geschütze aus. Ein verheerender Hagel von Artilleriegeschossen legte zahlreiche Gebäude in Schutt und Asche. Am 10. Oktober richtete sich die Artillerie der Alliierten auf die größeren Häuser von Yorktown, wo sich die Quartiere der englischen Offiziere befanden.

Während der Beschießung der Stadt feuerten die amerikanischen und französischen Artilleristen 15.437 Geschosse auf die britischen Linien, die Stadt und den Hafen ab, das waren 1,2 Schüsse pro Minute!

Ein französischer Offizier schrieb: „Aus jeder Perspektive waren die Zerstörungen, die das französische und amerikanische Feuer … in Yorktown angerichtet hatte, verheerend. Jedes Haus lag in Trümmern, Leichen waren überall verstreut, und die Gebäude, die noch standen, trugen die Spuren des Artilleriehagels der Alliierten. … Überall lagen Splitter, Kugeln, aufgerissene Befestigungen mit abgetrennten Armen oder Beinen von Weißen und Schwarzen, und Fetzen von Uniformen.“

Am 14. Oktober wurden die strategisch bedeutsamen Redouten 9 und 10 gestürmt. Am Abend dieses Tages versuchte Cornwallis noch einmal, seine Armee mit 16 Booten über den York River zu setzen. Auch dieses Unternehmen scheiterte, weil sich das Wetter extrem verschlechtert hatte. Daraufhin suchte er um einen Waffenstillstand nach und schickte Emissäre, um die Kapitulation auszuhandeln.

Bei den Gesprächen zeigte sich Washington unerbittlich bezüglich des Übergabezeremoniells. Cornwallis hatte im Mai 1780 den amerikanischen Truppen bei der Übergabe von Charleston (South Carolina), entgegen den militärischen Gebräuchen, die militärischen Ehren verweigert. Mit Verweis auf diese Demütigung ordnete Washington den gleichen Ablauf in Yorktown an. Die Briten durften daher ihre Regimentsflaggen beim Aufmarsch nicht wehen lassen, sondern sie nur eingerollt mit sich führen.

Am 19. Oktober 1781 wurde die Kapitulation von Cornwallis und Washington unterschrieben.

Cornwallis brach danach mit allen militärischen Gepflogenheiten, als er Krankheit vorschützte, um nicht persönlich bei der Übergabe der Truppen erscheinen zu müssen. Die Schmach, seinen Säbel zu übergeben, überließ er seinem Stellvertreter, Brigadegeneral Charles O’Hara. Dieser erlebte es, dass Rochambeau und Washington die Annahme des Säbels verweigerten und diese Ehre General Benjamin Lincoln überließen, den Cornwallis in Charleston erniedrigt hatte.

Cornwallis fehlten letztlich Haltung und Verantwortung, seine Niederlage mit Würde und Charakter anzunehmen. Aber auch die Alliierten verhielten sich kritikwürdig. Als Cornwallis kurz nach der Kapitulation „gesundete“, wurde er von zahlreichen amerikanischen und französischen Offizieren zu privaten Feiern eingeladen und hofiert, während seine Soldaten einen elenden Marsch in die Gefangenschaft antreten mussten und monatelang unter wenig erfreulichen Umständen darbten.

Cornwallis verstand es nach seiner Rückkehr nach England auch, Sir Clinton zum eigentlichen Sündenbock zu stempeln. Ihm wurde letztlich der Verlust der Kolonien in Nordamerika angelastet.

Fast alle Quellen verweisen darauf, daß die Regimentskapellen der geschlagenen britischen Truppen bei ihrem Ausmarsch das Lied „The World Turned Upside Down“ (Die Welt stand Kopf) spielten. Es ist nicht sicher, dass es wirklich so war. Aber es hätte Sinn gemacht. Mit der Etablierung der amerikanischen Republik veränderte sich das Gefüge der Welt innerhalb weniger Jahrzehnte.
Yorktown trägt noch heute den Beinamen „Die deutsche Schlacht“. Aufseiten der Amerikaner waren deutsche Regimenter unter der Führung des Generals von Steuben eingesetzt. Zu Washingtons Stab gehörten weitere deutschstämmige Offiziere.

Bei den Franzosen diente das deutsche Soldregiment „Royal Deux-Ponts“ aus Zweibrücken. Zum englischen Kommando gehörten ca. 2.500 Soldaten aus Hessen, Ansbach und Bayreuth.

Eine ausführliche, ins Detail gehende Darstellung der Belagerung von Yorktown – mit Vorspiel und Folgen – habe ich 2015 im militärwissenschaftlichen Magazin PALLASCH im Österreichischen Milizverlag geschrieben.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die kommende Ausgabe

 

Kommentare  

#1 Jens 2019-10-22 01:12
Ich würde für die Überschrift gerne ein "L" kaufen!
Schacht --> Schlacht :lol:
#2 Harantor 2019-10-22 06:59
Das "L" gab es kostenos

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