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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Newman Haynes Clanton?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem Newman Haynes Clanton?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 13. August 1881 wurden im Guadalupe Canyon an der Grenze zwischen dem Arizona-Territorium und Mexiko, 5 entkleidete Leichen gefunden. Darunter befand sich der Körper von „Old Man“ Newman Haynes Clanton, dem Vater von Ike und Billy Clanton, die in der sogenannten Tombstone-Fehde berühmt und berüchtigt geworden waren.

Zwei weitere Männer, Billy Byers und Harry Ernshaw, überlebten mit viel Glück. Ernshaw erhielt einen Schuß in die Nase. Die Mörder ließen den blutüberströmten Mann wohl für tot liegen. Auch Billy Beyers wurde verletzt. Er erzählte später: “Ich rannte davon, aber ich hatte kaum 10 m zurückgelegt, als eine Kugel meinen Körper durchschlug. Ich stürzte nicht, und nach einigen weiteren Schritten wurde mein Arm getroffen. Der Revolver wurde mir aus der Hand gerissen, und ich fiel.“

Als er sah, dass die Täter den Leichen die Kleider herunterrissen, zog er sich selbst aus und blieb dann reglos liegen. Er wurde für tot gehalten.

Die gesamte Gruppe gehörte zu den sogenannten „Cowboys“ – Viehdiebe und Grenzschmuggler, die sich auf der Clanton-Ranch in der Umgebung von Tombstone gesammelt hatten und von hier aus nicht nur in der Silberminenstadt, sondern auch im mexikanischen Grenzland Straftaten begingen. Der Guadalupe Canyon war eine regelrechte „Outlaw-Straße“ für Grenzschmuggler. Da Mexiko hohe Zölle auf amerikanische Waren – auch Vieh – erhob, war Schmuggel ein äußerst lohnendes Geschäft.

„Old Man“ Clanton war bekannt als Anführer der Schmuggler gestohlener Rinder. Er war lediglich nie auf frischer Tat ertappt worden. Die schwach besiedelten, zerklüfteten Counties Pima und Cochise boten Viehdieben und Schmugglern ideale Bedingungen. Die Clanton-Ranch hatte sich als Hauptquartier aller lichtscheuen Elemente etabliert. Obwohl sie nicht einmal ein eigenes Brandzeichen hatte, galt sie als einer der wirtschaftlich erfolgreichsten Viehzuchtbetriebe an der Grenze. Newman Clanton und seine Söhne folgten einem einfachen Prinzip: „Viehzucht ist sehr lohnend – solange man die Kühe nicht kaufen muß.“

Im Juli 1881 war es im Skeleton Canyon, ebenfalls ein beliebtes Versteck von Schmugglern, zu einer Schießerei zwischen Mexikanern und Amerikanern gekommen. Die Mexikaner, die Silber mit sich geführt hatten, waren fast alle getötet worden. Schon damals war vermutet worden, daß „Old Man“ Clanton hinter diesem Angriff steckte.

Zwar gab es seitens der „Cowboy-Fraktion“ Gerüchte, dass die Brüder Earp den alten Clanton und seine Kumpane in einen Hinterhalt gelockt und getötet hätten. Aber die beiden Überlebenden des Massakers gaben an, dass sie von Mexikanern angegriffen worden waren. (Die Wyatt-Earp-Theorie war vor allem von William McLaury aufgebracht worden, dem Bruder von Frank und Tom McLaury, die in der Schießerei am O. K. Corral gestorben waren. Er versuchte monatelang erfolglos, die Earps wegen Mordes vor Gericht zu bringen.)

Inzwischen gilt als ziemlich sicher, daß mexikanische Rurales die Clanton-Gruppe niedergemacht hatten. Anfang August 1881 hatte Commandante Felipe Neri von der mexikanischen Grenzpolizei einen Spähtrupp über die Grenze nach Arizona geschickt. Geführt wurde die Patrouille von Captain Alfredo Carrillo, der das Skeleton-Canyon-Massaker überlebt hatte und auf Rache sann.

Die Polizisten stießen auf das Clanton-Lager im Guadalupe Canyon. Die Amerikaner hatten eine kleine Herde gestohlene Rinder dabei. Ganz offensichtlich fühlten sie sich sicher. Sie bemerkten nicht einmal, dass sie beobachtet wurden, als sie ihr Lager aufschlugen. Die Rurales warteten bis zum Morgengrauen des 13. August, um sicher zu sein, daß die Cowboys noch nicht richtig wach waren.

Mehrere der Getöteten wurden wegen anderer Straftaten gesucht, beispielsweise Jim Crane, der im März 1881 eine Postkutsche bei Tombstone überfallen und zwei Männer erschossen hatte.

Als die Mexikaner das Feuer eröffneten, schliefen fast alle Cowboys noch. Newman Clanton kauerte an der Feuerstelle und bereitete das Frühstück vor. Eine Kugel stieß ihn ins Feuer; er war sofort tot.

Harry Ernshaw schleppte sich mit seiner zerschossenen Nase und trotz großem Blutverlust bis zur Ranch von John Pleasont Gray, dem Bruder von Dick Gray, der zu den Toten gehörte. Eine Gruppe Männer kehrte in den Guadalupe Canyon zurück, wo die nackten Leichen gefunden wurden. Unterwegs stießen sie auf den verletzten, traumatisierten und völlig verwirrten Billy Byers.

Die Leichen wurden mitgenommen und in der Nähe von Cloverdale (New Mexico) bestattet. Ike und Phineas Clanton exhumierten 1882 ihren Vater und begruben ihn auf dem Boothill in Tombstone neben dem Grab seines Sohnes Billy und der McLaury-Brüder, die nur zwei Monate nach dem Guadalupe-Canyon-Massaker am O.K.Corral umgekommen waren.

Das Schicksal ihres Vaters war für die Clanton-Brüder allerdings keine Lehre. Phineas Clanton wurde im April 1887 wegen Viehdiebstahls und Beteiligung an mindestens einem Mord schuldig gesprochen und für mehrere Jahre ins Gefängnis geschickt.

Der Weidedetektive, Pinkerton-Mann und zeitweilige Deputy von Sheriff Commodore P. Owens im Apache County, Jonas Brighton setzte sich auf Ike Clantons Fährte und stellte ihn auf der Ranch von Jim Wilson am Eagle Creek.

Als Ike Clanton versuchte, zu flüchten und sein Gewehr aus dem Scabbard zog, feuerte Brighton und tötete ihn mit einem Schuß ins Herz.

Die Viehzüchtervereinigungen im südlichen Arizona zeigten sich Brighton gegenüber sehr dankbar. Es war jahrelang nicht gelungen, Ike Clanton dingfest zu machen. Es geht das Gerücht um, daß Sheriff Owens seine Deputies angewiesen hatte, Ike Clanton sofort zu erschießen, wenn sich eine Gelegenheit dazu bot, um diesem notorischen Viehdieb endlich das Handwerk zu legen.

Mit „Old Man“ und Ike Clantons Tod gingen die Viehdiebstähle in diesem Teil Arizonas bemerkenswert zurück. Die Familie Clanton gibt es allerdings heute noch. Ein Nachkomme von Ike Clanton versuchte jahrelang vergeblich, die Leiche seines Vorfahren auf dem Boothill von Tombstone zu begraben. Aber bis heute wollen die Tombstoner ihn nicht mal als Leiche in ihrer Stadt haben. So liegt er noch immer in der Nähe von Springerville (Arizona) beerdigt, wo er erschossen wurde.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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