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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie ist das mit Eugene Bullard?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Eugene Bullard?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Nachdem ich am vergangenen Sonntag das Entstehen des BLACK HISTORY MONTH (Februar) in den USA beschrieben habe, möchte ich in diesem Zusammenhang heute – bevor dieser Monat zu Ende geht - an einen anderen schwarzen Amerikaner erinnern, der vermutlich zu den erstaunlichsten Persönlichkeiten der neueren Geschichte gehört.

Im vorigen Jahr wurde zum 100. Mal des Endes des 1. Weltkriegs gedacht, der Millionen von Menschen Leid und Tod brachte. Dieses Datum und der „Black History Month“ veranlassen mich zu diesem Text über „Die schwarze Schwalbe des Todes“. In seiner Heimat USA blieb dieser Mann fast unbeachtet. Dagegen gilt er in Frankreich als Held.

Dieser Mann war Eugene Bullard. Er war der erste afro-amerikanische Kampfpilot der Welt. Aber er flog nicht für die US Air Force, sondern für die französische Luftwaffe.
In den USA kannte man nicht einmal seinen Namen, bis 1960 der französische Präsident Charles DeGaulle zu einem Staatsbesuch nach Washington kam und von seinen Gastgebern den Besuch eines „Ritters der Ehrenlegion“ erbat – das war Eugene Bullard.

Eine fieberhafte Suche begann. Bullard wurde in einem bescheidenen Appartement in New York aufgespürt. Er arbeitete zu dieser Zeit als Fahrstuhlführer im Rockefeller Center. Vor den Fernsehkameras und Pressevertretern der Welt schloß DeGaule den schwarzen Mann, von dem in Amerika niemand Notiz genommen hatte, öffentlich in die Arme. Dabei trug Bullard nicht nur das Abzeichen eines Ritters der Ehrenlegion, sondern 15 weitere französische Ehrenmedaillen, mit denen er ausgezeichnet worden war.

Bullard wurde 1895 als eines von 10 Kindern einer Familie in Columbus (Georgia) geboren. Sein Großvater hatte noch auf Haiti in Sklaverei gelebt. Er war in die USA geflohen und hatte Zuflucht bei Creek-Indianern gesucht. Er war in den Stamm aufgenommen worden. Auch Bullards Mutter war eine Creek-Indianerin.

Als Bullard heranwuchs erlebte er, daß sein Vater fast vom Ku Klux Klan gelyncht wurde. Sein Vater riet ihm, nach Europa zu gehen, wo ein Mann nach seinen Leistungen bewertet werden würde. Auf dem deutschen Frachtschiff „Marta Russ“ erreichte Eugene zunächst England, wo er sich als Schauspieler und Boxer verdingte. Er ließ sich in Paris (Frankreich) nieder. Auch hier arbeitete er am Theater und als Boxer. Bei Ausbruch des 1. Weltkriegs trat er in die Fremdenlegion ein. Er diente als Maschinengewehrschütze in den Schlachten an der Somme und nahm an der zweiten Champagne-Offensive teil. Bei Verdun wurde er schwer verwundet.

Nach seiner Genesung wurde er zunächst als Bordschütze der Luftwaffe, der „Aéronautique Militaire“ ausgebildet. Danach erhielt er eine Pilotenausbildung in Châteauroux und Avord. Am 5. Mai 1917 bekam er seine Fliegerlizenz mit der Nr. 6950 vom Aéro-Club de France.

Als Mitglied des Lafayette Flying Corps nahm er an mindestens 20 Luftschlachten teil.

Als das amerikanische Expeditionskorps in den 1. Weltkrieg eintrat hoffte er, in die Luftwaffe seines Heimatlandes übernommen zu werden, aber in der US Air Force wurden nur weiße Piloten akzeptiert, obwohl Bullard bereits mehrere französische Auszeichnungen erhalten hatte.

Am Ende des 1. Weltkriegs hatte die französische Regierung ihm 15 Auszeichnungen verliehen, darunter das „Croix de guerre“, die „Médaille militaire“, das „Croix du combattant volontaire“ und die „Médaille de Verdun“.
Bullard ließ sich wieder in Paris nieder. Er betrieb einen Nachtclub, „L’Escadrille“, heiratete, wurde nach 12 Jahren wieder geschieden, und wurde eine bekannte Größe in der Jazz-Szene von Paris. Er war befreundet mit Josephine Baker, Louis Armstrong, Langston Hughes und dem französischen Kampfflieger Charles Nungesser.

Bei Ausbruch des 2. Weltkriegs arbeitete Bullard, der neben Englisch und Französisch auch fließend Deutsch sprach, für den französischen Geheimdienst.

1940 meldete er sich wieder zur französischen Armee, wurde bei Orleans verwundet, flüchtete ins neutrale Spanien und kehrte schließlich in die USA zurück.

Durch seine Kriegsverletzungen konnte er keine schweren körperlichen Arbeiten mehr ausführen. Die französische Regierung entschädigte ihn wegen seiner Verdienste schließlich für den Verlust seines Pariser Nachtclubs, so daß Bullard sich ein Appartement in Harlem kaufen konnte.

Die „Schwarze Schwalbe des Todes“ wurde in den USA nicht beachtet; hier war er einfach nur ein Mann mit dunkler Haut, der kaum Respekt erhielt. 1954 lud die französische Regierung ihn ein, als einer von drei Veteranen die ewige Flamme zum Grab des Unbekannten Soldaten zu tragen. 1959 ernannte Charles DeGaulle ihn zum „Ritter der Ehrenlegion“ und nannte ihn in seiner Rede einen „echten französischen Helden“.

Aber Bullard empfand sich immer als Amerikaner. Trotzdem blieb er in seiner Heimat weitgehend unbekannt, bis DeGaulle ihn während seines Staatsbesuchs empfing. Im Jahr darauf, 1961, starb Eugene Bullard an Magenkrebs.

Es sollte bis 1989 dauern, bis die „Georgia Aviation Hall of Fame“, die Ruhmeshalle der Flieger in seinem Heimatstaat Georgia, ihn posthum als Mitglied aufnahm und u. a. seine vielen militärischen Auszeichnungen ausstellte. 1994, 33 Jahre nach seinem Tod, wurde Bullard posthum als „Second Lieutenant“ in die US Air Force aufgenommen. (Viele Veteranen empfinden diesen niedrigen Rang bis heute als unzureichend.)

Bullard lebte bescheiden. Er sprach nicht viel über sich selbst. Wer ihn kannte, nannte ihn „integer und ehrenhaft“. Sein einziges Bestreben war immer, als vollgültiger Mensch behandelt zu werden, ohne Rücksicht auf seine Hautfarbe. Wie der Kurator des Luftwaffen-Instituts in den USA, William Chivalette, es ausdrückte: „Er lebte mit der Überzeugung, daß alle Menschen gleich geschaffen wurden und entsprechend behandelt werden sollten.“

Zeitzeugen berichteten, daß er als Flieger ein rotes Herz auf seine Maschine malte, das von einem Messer durchbohrt wurde. Darunter stand die Inschrift: „Tout le sang qui coule est rouge!", was sinngemäß heißt „Das Blut aller Menschen ist rot.“

For English speaking readers, I include the following link to a short tv documentary on Eugene Bullard.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

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