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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie ist das mit dem »Bisbee Massaker«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »Bisbee Massaker«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 8. Dezember 1883 fand eines der spektakulärsten Verbrechen im amerikanischen Westen im 19. Jh. statt, das sogenannte „Bisbee Massaker“.

Bisbee ist eine kleine Minenstadt südlich von Tombstone (Arizona), dicht an der mexikanischen Grenze. Die Stadt entstand 1880 nach der Entdeckung enormer Kupferlagerstätten. Nach Bisbee verlagerte sich das Minengeschäft, als die Silberbergwerke in Tombstone voller Wasser liefen. 1883 war die Stadt aufgrund der Erzfunde aufgeblüht. Die Straßen ziehen sich durch einen Canyon, der noch heute mit Autos nicht einfach zu befahren ist und besser zu Fuß erkundet wird. Damals hatten Maultier- und Pferdegespanne es schwer auf den ungepflasterten, auf und ab führenden Wegen.

Es gab 1883 noch keine Bank in Bisbee. Aus diesem Grund deponierten Minengesellschaften und Privatleute Geld, Erz und andere Wertsachen in den Geschäften, die über sichere Geldschränke verfügten. Auch die Lohnzahlungen der Minenarbeiter waren hier gelagert und wurden hier ausgezahlt. Eines dieser Geschäfte war der „Goldwater-Castaneda Store“ an der Mainstreet.

Am eiskalten 8. Dezember 1883 ritten 5 Männer in langen Mänteln durch den Canyon. Sie stiegen vor einer Sägemühle ab und gingen zu Fuß in die Mainstreet. Sie sahen aus wie Cowboys. Die Halstücher vor den Gesichtern irritierten niemanden, da ein eiskalter Wind wehte.

Als sie den „Goldwater-Castaneda-Store“ erreichten, blieben zwei der Männer an der Tür stehen, die drei anderen traten ein. Plötzlich fielen Schüsse.

Der Bürger James Krigbaum ergriff seinen Revolvergurt und lief die Mainstreet hinauf. Auf den Gehsteigen hörte er andere Bürger rufen, daß der Store überfallen werde. Krigbaum sah von weitem zwei Männer vor dem Geschäft, die mit Gewehren wild um sich schossen.

Eine Kugel traf den Leiter des Erzprüfungsbüros, John Tappiner, in den Kopf. Ein Mann namens Howard, der den Saloon neben dem Store verließ, wurde niedergeschossen.

Deputy Sheriff D. Tom Smith näherte sich und wurde mit zwei Schüssen niedergestreckt.

Obwohl nun schon 3 Männer tot waren, ließen sich die anderen Bürger nicht einschüchtern. Sie rückten dem Store näher.

Die schwangere Inhaberin von Roberts’ Restaurant, Annie Roberts, wurde vor ihrer Restauranttür von einer Kugel getroffen. Der nächste war der Holzhändler J. A. Nolly.
Im Store hatten die Banditen die Angestellten und Kunden als Geiseln genommen. Einer der Inhaber, José Miguel Castaneda, war krank und hatte einen Teil der Bargeldvorräte unter seinem Kopfkissen. Die Banditen stürmten sein Zimmer, warfen ihn aus dem Bett und fanden das Geld.

Der zweite Inhaber, Joseph Goldwater, mußte den Tresor öffnen. Hier fanden die Outlaws nur 600 Dollar, eine goldene Uhr und ein paar Schmuckstücke.

Die Männer stürzten aus dem Laden, rannten die Mainstreet hinunter, schwangen sich auf ihre Pferde und entkamen. Der Raubüberfall mit 5 Toten und einem Schwerverwundeten war vorbei. Jetzt begann die Jagd auf die Banditen.
James Krigbaum ritt 22 Meilen nach Tombstone, um den Banküberfall beim County Sheriff zu melden. Ein Aufgebot wurde zusammengestellt.

Der Superintendent der Copper Queen Mine setzte 1.000 Dollar Belohnung aus. Andere Geschäftsleute schlossen sich an. Am Ende waren 15.000 Dollar auf die Ergreifung der Banditen ausgeschrieben.

In Bisbee hatte am Tag des Überfalls ein Mann namens John Heath eine Tanzhalle eröffnet. Er schloß sich dem ersten Aufgebot an, das die Stadt verließ und den Outlaws folgte. Irgendwann, als die Spuren endeten, versuchte Heath die anderen Männer zu überreden, in die Dragoon Mountains zu reiten. Er war sicher, daß die Räuber dorthin geflüchtet oder nach Tombstone geritten waren, weil damit keiner rechnen würde. Heath kehrte mit einem anderen Mann um.

Die Posse ritt unbeirrt weiter, nahm die Fährte wieder auf und traf auf den Silbersucher Luben Pardu, der die 5 Banditen beobachtet hatte.

Er nannte die Namen: Comer Sample, William (Bill) Delaney, Dan Kelley, Dan Down und James Howard. Und er erwähnte einen 6. Mann – John Heath aus Bisbee.

Das Aufgebot kehrte um. John Heath wurde sofort verhaftet und ins Gefängnis nach Tombstone überstellt.

Die anderen Banditen wurden nacheinander in New Mexico, Texas und Mexiko gestellt und nach Tombstone gebracht.

Am 8. Februar 1884 fand der Prozeß statt. Am 19. Februar wurden alle fünf wegen Mordes zum Tode verurteilt.

John Heath wurde als Informant der Banditen entlarvt. In einem separaten Prozeß wurde er wegen Totschlags und Beihilfe zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Dagegen legten seine Rechtsanwälte Berufung ein.

In Tombstone und Bisbee regte sich darüber Erbitterung. Die Befürchtung, daß es Heath gelingen würde, mit Hilfe juristischer Formalien einer Strafe zu entgehen, sorgte für Zorn.

Am Morgen des 22. Februar rottete sich ein Lynchmob zusammen, zog zum Gefängnis, überwältigte die Wachposten und schleppte Heath zu einem Telegraphenmast an der Ecke First und Toughnut Street. Dort wurde er aufgehängt.

Seine fünf Kumpane wurden am 28. März 1884 im Hof des Gerichts von Tombstone hingerichtet. Es war eine der spektakulärsten Hinrichtungen in Arizona. Das Sheriffs Office musste Tickets für die Zuschauer vergeben, weil der Andrang so groß war, daß nicht alle in den Hof des Gerichts eingelassen werden konnten. Einige zahlten dafür, auf den Dächern umliegender Häuser oder auf privaten Balkonen Zeuge des grausigen Schauspiels zu werden.

Die Familie Goldwater, Teilhaber des „Goldwater-Castaneda-Stores“ in Bisbee, hatte eine lange, erfolgreiche Geschichte im Geschäftsleben des Staates Arizona. Goldwater-Stores, die sich zu Kaufhäusern entwickelten, gab es in vielen Städten. Teile der Läden wurden im 20. Jh. von den Kaufhausgiganten Dillard und Macy aufgekauft. Die bestehenden Goldwater Stores sind heute Lebensmittelgeschäfte. Einer der Enkel der Goldwater-Brüder war Barry Goldwater, Senator der Republikanischen Partei für Arizona und 1964 erfolglos Kandidat für die Präsidentschaft der USA.

Bisbee entwickelte sich weiter. 1929 nahm die Stadt Tombstone den Sitz der County-Verwaltung ab. Einst eine der weltweit bedeutendsten Minenstädte für Kupferabbau, ist der Ort heute eine Künstlerkolonie mit verwinkelten Gassen und vielen Galerien und Geschäften.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

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