Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem »Las Cuevas Krieg«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »Las Cuevas Krieg«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Vom 19. bis 21. November 1875 fand an der texanisch-mexikanischen Grenze eine Auseinandersetzung statt, die etwas übertrieben als „Las Cuevas Krieg“ bezeichnet wird.

Dieser „Krieg“ war ein erbitterter Kampf zwischen Texas Rangers und mexikanischen Viehdieben, der allerdings das Zeug hatte, sich zu einem massiven diplomatischen Konflikt auszuwachsen.

Auf der einen Seite hatten die Rangers sich eindeutig illegal verhalten, obwohl für ihr Vorgehen ein gewisses Verständnis aufgebracht werden konnte. Andererseits wurde durch das Einlenken mexikanischer Beamter eine internationale Auseinandersetzung vermieden.

Hintergrund des Kampfes war, daß seit dem amerikanischen Bürgerkrieg immer wieder mexikanische Banditen über die Staatsgrenze kamen und Vieh von den großen texanischen Ranches raubten. Diese Diebstähle waren nicht mit großem Risiko verbunden, weil es in den Jahren während und nach dem Bürgerkrieg keine Grenzsicherung gab. Während der sogenannten „Rekonstruktion“, als die vormaligen Konföderierten Staaten in die Union zurückgeführt wurden, unterlagen die Entscheidungen der jeweiligen Staatsregierungen, vor allem wenn es um militärische oder polizeiliche Maßnahmen ging, Einschränkungen.

Erst 1874 ernannte der amtierende Gouverneur von Texas wieder Rangers, die als „State Police“ eingesetzt wurden. Es gab das sogenannte „Frontier Bataillon“ unter John B. Jones, das für die interne Verbrechensbekämpfung zuständig war, und es gab eine Spezialeinheit unter Captain Leander McNelly, die die Grenze sichern sollte und deren Kosten größtenteils privat von großen Viehzüchtern bezahlt wurden. Diese Rangers waren keine Polizeitruppe, sondern eher vergleichbar einer Miliz.

Zwar gab es auch texanische Viehdiebe, die die Grenze überschritten und mexikanische Rinder stahlen, aber das Problem mit den mexikanischen Diebesbanden war, daß sie von lokalen mexikanischen Amtsträgern gedeckt wurden und offiziell sogar Teil von Miliztruppen waren, deren Kommandanten sich selbst an der Beute bereicherten.

Als Captain McNelly mit seinen Rangers den Rio Grande nach Süden überschritt und sich der Las Cuevas Rancho näherte, suchte er damit die Auseinandersetzung mit General Juan Flores Salinas, der zugleich Alkalde (Bürgermeister) der Stadt Camargo war. Schon allein die offizielle Stellung von Salinas machte diese Aktion riskant. McNelly verletzte eine internationale Grenze und überschritt damit massiv seine Kompetenz.

Das Unternehmen schien gleich zu Beginn zu scheitern. McNellys Truppe war höchstens 40 Mann stark. Salinas‘ Miliz zählte fast 400. Nach einem ersten Schußwechsel, befahl McNelly vorerst den Rückzug. Allerdings verharrte die Ranger-Truppe auf mexikanischer Seite am Rio Grande in sicherer Deckung.

Inzwischen war das Unternehmen McNellys in Texas bekannt geworden, und auf der amerikanischen Seite standen das halbe Regiment der 24. US Infanterie und mehrere Einheiten der 8. US-Kavallerie unter dem Kommando von Oberstleutnant James Randlett.

Als General Salinas die Texas Rangers mit seiner Miliz angriff, eröffnete Randlett vom amerikanischen Ufer aus das Feuer mit einer Gatling Gun. Gleich bei der ersten Salve wurde Salinas selbst tödlich getroffen. In dem sich entwickelnden Feuergefecht fielen rund 80 seiner Milizmänner. (Man tut dieser „Armee“ nicht Unrecht, wenn man sie als Banditen bezeichnet. Mexiko befand sich in dieser Zeit in einem Zustand ständigen Aufruhrs. Der Einfluß der Zentralregierung war eher begrenzt. Lokale Würdenträger – so wie Salinas – führten sich auf wie kleine Diktatoren, die sich selbst mit willkürlichen und illegalen Mitteln die Taschen füllten und die Landarbeiterschicht gnadenlos ausbeuteten und unterdrückten.)

Der Schußwechsel und der Tod von Salinas beendeten den Kampf nicht. Die Mexikaner begannen, die Texaner zu belagern. McNelly schickte eine Nachricht an den Stellvertreter von Salinas, Diego Garcia, der das Kommando übernommen hatte, und verlangte ultimativ die Rückführung der gestohlenen Rinder.

Inzwischen traf auf amerikanischer Seite ein Bote des zuständigen Mlitärkommandanten, Colonel Potter aus Fort Brown ein. Potter schrieb: „Raten Sie Captain McNelly, unverzüglich auf unsere Seite des Flusses zurückzukehren. Informieren Sie ihn, daß er keine Unterstützung zu erwarten hat, wenn er auf mexikanischem Land bleibt. Sollte McNelly von mexikanischen Streitkräften angegriffen werden, wird er keine Hilfe erhalten. Geben Sie mir Nachricht, ob McNelly diesem Rat Folge leistet.“ McNelly lehnte ab.

Am Abend des 20. November traf eine weitere Nachricht ein. Diesmal hatte Colonel Potter direkte Anweisung des Kriegsministers William Belknap aus Washington. „Ich fordere McNelly auf, sofort nach Texas zurückzukehren. Er wird in keiner Weise Unterstützung erhalten. Der Minister will informiert werden, ob McNelly dieser Anweisung folgt und sich nach Texas zurückzieht.“

Die Antwort, die McNelly unter diesen Brief kritzelte, ging in die Geschichte ein: „Ich antworte aus der Nähe von Las Cuevas, Mexiko. Ich werde mit meinen Rangers in Mexiko bleiben und erst auf die texanische Seite zurückkehren, wenn ich es für richtig halte. Grüßen Sie den Kriegsminister von mir und sagen Sie ihm und seinen Soldaten, sie können alle zur Hölle fahren. Lee H. McNelly, Kommandant.“

Am Morgen des 21. November überquerten die McNelly-Rangers den Rio Grande und schlugen auf texanischer Seite ein Lager auf. Inzwischen war das gestohlene Vieh zur Grenze gebracht worden. Diego Garcia hatte versprochen, die Rinder über den Fluß zu treiben, aber McNelly traute ihm nicht und drang erneut mit 16 Rangers auf mexikanisches Territorium vor.

Dîesem „Todeskommando“, wie die kleine Truppe genannt wurde, gehörten neben McNelly auch einige Rangers an, die später berühmt werden sollten, wie etwa Jesse Lee Hall, John Armstrong, Jesus Sandoval, u. a.

Das Kommando zog am Rio Grande aufwärts und besetzte im Handstreich die Zollstation. Als der zuständige Beamte den Rangers zu verstehen gab, daß mit einer Rückgabe des Viehs an diesem Tag nicht zu rechnen sei, weil es Sonntag war, nahm McNelly ihn fest und schleppte ihn als Geisel zurück über die Grenze. Von hier aus schickte er eine Botschaft an Garcia, daß er die Rückgabe der 250 gestohlenen Rinder binnen einer Stunde erwarte, sonst würde er die Geisel erschießen.

Innerhalb einer Stunde trieben die Mexikaner 400 Stück Vieh über den Fluß. Die Rinder trugen Brandzeichen fast aller großen Viehzuchtbetriebe des Grenzlandes.

McNelly hatte sein Ziel erreicht. Eine diplomatische Krise zwischen den USA und Mexiko wurde abgewendet. Die Rancher der Region, die als „Nueces Strip“ bekannt war, waren dankbar. Aber McNelly hatte die Staatsführung und die US-Regierung in Schwierigkeiten gebracht.

Er litt seit Jahren unter Tuberkulose. Als er sich 1876 gesundheitlich schwer angeschlagen aus dem Dienst zurückziehen mußte, verweigerte der Gouverneur von Texas ihm die Versorgung. Daraufhin sorgte Richard King, der Eigentümer der riesigen King Ranch, dafür, daß McNelly ärztlich betreut wurde. King ließ schließlich, als McNelly am 4. September 1877 im Alter von 33 Jahren starb, ein imposantes Grabmal für ihn errichten.

Auch auf mexikanischer Seite wurde dort, wo Juan Flores Salinas gestorben war, ein Gedenkstein aufgestellt, auf dem es heißt: „Er starb im Kampf für sein Land.“

Diese Inschrift ist mehr als geschmeichelt. Zwar hatte McNelly zweifellos eklatant das Völkerrecht verletzt. Aber Salinas war ein Viehdieb. Und zu einem „Krieg“, wie die Bezeichnung in den Geschichtsbüchern lautet, kam es glücklicherweise nicht.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.