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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit »Irma«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit »Irma«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 18. November 1902 eröffnete eines der legendärsten Hotels des amerikanischen Westens seine Pforten: Das IRMA in Cody, Wyoming.

William “Buffalo Bill” Cody war nicht nur ein hochangesehener Scout, sondern auch ein begnadeter Showman, der mit „Buffalo Bill’s Wild West“ eine Weltattraktion geschaffen hatte. Der Mann aus dem Westen war damit zum globalen Star geworden, der ebenso von Queen Victoria, vom Papst und von Staatsmännern in aller Welt empfangen wurde.

Und er war ein Visionär. Er war einer der ersten die erkannten, daß das 1872 zum ersten Nationalpark der Welt erhobene Yellowstone-Gebiet eine Touristenattraktion ersten Ranges werden würde. Was zu dieser Zeit noch fehlte, war die entsprechende Logistik, um die zu erwartenden Besucherströme zu leiten und unterzubringen.

Mit einem Konsortium von Geschäftsleuten gründete er 1896 ca. 50 Meilen östlich des Yellowstone-Parks eine Stadt, die seinen Namen tragen sollte – Cody. Die Stadt wurde 1901 amtlich registriert.

Das war eine geradezu hellseherische Entscheidung; denn Cody ist bis heute Durchgangsstation für sicherlich eine Million Menschen jährlich, die die natürlichen Wunder des Yellowstone-Gebiets besuchen. Mit dem „Buffalo Bill Historical Center“ verfügt der kleine Ort zudem über eines der größten, schönsten und besten historischen Museen des amerikanischen Westens.

Cody selbst sicherte sich einige bevorzugte Parzellen der geplanten Stadt und begann mit dem Bau eines erstklassigen Hotels, das den Namen seiner Tochter Irma tragen sollte.

Auch damit war Cody seiner Zeit voraus. In jenen Tagen war eine Reise in den Yellowstone-Park vorwiegend für wohlhabendere Menschen möglich. Also wies Codys Hotel Annehmlichkeiten auf, die man in dieser abgelegenen Wildnisregion eher nicht erwartete.

Die Zimmer waren geradezu luxuriös ausgestattet. Es gab eine eindrucksvolle Rezeption, einen vornehm gestalteten Speisesaal und eine Bar. Die Legende besagt, daß die Bar – an der noch heute Gäste Platz nehmen können – ein Geschenk von Queen Victoria war. Daran mag es Zweifel geben, aber Cody hatte diese Bar auf jeden Fall aus England mitgebracht.

William Codys Vorstellung von stetig wachsenden Gästezahlen gingen in Erfüllung – aber nicht mehr zu seinen Lebzeiten. Der Aufwand, den er in diesem Hotel trieb, war hoch. Daher wurden die Ausgaben trotz guter Frequentierung durch die aktuellen Einnahmen nicht gedeckt.

Am 18. November 1902 gab Cody eine rauschende Party, als das „Irma“ eröffnet wurde. Vom ersten Tag an wurden das Restaurant und die Bar zu einem sozialen Treffpunkt in der kleinen Stadt.

Der glanzvollen Eröffnung wohnten Geschäftsleute und Politiker bei, die sogar bis aus Denver, Chicago und New York anreisten. Der Name „Buffalo Bill“ Cody hatte eine geradezu magnetische Wirkung, der prominente Personen dazu veranlasste, bis in die tiefste Wildnis zu reisen, um ihm ihre Reverenz zu erweisen.

Die ersten Gäste des Hotels waren später überrascht, daß der berühmte Westmann in der Zeit zwischen den Tourneen seiner Show selbst an der Bar und an der Rezeption stand. Er empfing persönlich die Besucher, schenkte Bier und Wein aus und übernahm das Einchecken der Gäste.

Für seine Aufenthalte in Cody hatte er sich eine komfortable Suite im Obergeschoß einrichten lassen.

William Cody eröffnete noch zwei weitere gastronomische Unternehmen, die rustikaleren Charakter hatten – die „Wapiti Inn“, damals eine Tagesreise mit einer Pferdekutsche entfernt, und die „Pahaska Tipi Lodge“ unmittelbar am Osteingang des Yellowstone Parks – auch sie existiert noch heute.

Es sei daran erinnert, daß William Cody die treibende Kraft dafür war, die letzten überlebenden Bisons in den USA im Yellowstone-Gebiet anzusiedeln und unter strikten Schutz zu stellen, so daß sie sich wieder vermehren konnten. Cody gehörte zu den bedeutendsten Werbeträgern für die Nationalpark-Idee – aber es sollten noch Jahrzehnte vergehen, bis die verkehrsmäßigen Voraussetzungen für ein Aufblühen des Tourismus rings um den Park geschaffen waren. Weder die heutigen Besucher, noch die heutigen Geschäftsleute in Cody sind sich vermutlich bewußt, daß es „Buffalo Bill“ war, der die Voraussetzungen für den Besucher-Boom in unserer Zeit geschaffen hatte.

Trotz seiner kreativen Geschäftsideen war Cody ständig in Geldnöten. Eine geradezu ungehemmte Großzügigkeit gegenüber Freunden und anderen Menschen ließ ihn permanent am Rande des Bankrotts entlangtaumeln. Hätte er nicht seine Frau Louisa gehabt, die beizeiten dafür gesorgt hatte, daß der größte Teil des Familienbesitzes auf ihren Namen eingetragen wurde, wäre William Cody vermutlich alles weggepfändet worden.

Als er im Januar 1917 starb, veranlaßte der County Sheriff einen Zwangsverkauf des Irma-Hotels, um „Buffalo Bills“ Schulden zu decken. Noch im Dezember 1917 mußte der Käufer allerdings den Besitz an Louisa Cody zurückgeben, da sie als Besitzerin nicht für die privaten Schulden ihres Mannes haftete. Die Witwe übertrug die Leitung des Hotels der gemeinsamen Tochter Irma Garlow – nach der das Haus benannt war, und die mit ihrer Familie in der Stadt Cody lebte, und ihrem Schwiegersohn. Aber nach weniger als einem Jahr, am 15. Oktober 1918 – vor genau 100 Jahren – starben Irma Garlow und ihr Mann Frederick während einer verheerenden Grippe-Epidemie, die die Stadt heimgesucht hatte.

Im Oktober 1921 starb auch Louisa Cody. Noch immer existierten hohe Schulden ihres Mannes. 1925 verkaufte der Testamentsvollstrecker das „Irma“ für 28.000 Dollar an die Familie von Henry Newell. Als dessen Frau Pearl Newell 1965 starb, vermachte sie das Hotel dem „Buffalo Bill Center“.

Das „Irma“ ist noch heute ein Gebäude mit einzigartigem Charisma. Wer die Stadt Cody besucht, sollte dort mindestens einmal sein Essen eingenommen haben. Wenn man den alten Hoteltrakt betritt, der heute wieder Gäste aufnimmt, meint man, den Geist William Codys zu spüren.

Wann immer ich mit meinen Reisegruppen nach Cody komme, haben wir im „Irma“ gegessen.

(Ich muß mich bei Mari Pickering bedanken, der Frau meines guten Freundes Prof. Dr. Bob Pickering, der zeitweilig einer der Direktoren des „Buffalo Bill Centers“ war. Sie führte mich vor einigen Jahren durch das ehrwürdige Gebäude und veranlaßte, daß ich auch die Privaträume William Codys betreten konnte. Es war ein einmaliges Erlebnis.)

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2019Die kommende Ausgabe

 

 

 

 

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