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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem »Schlacht von Sugar Point«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »Schlacht von Sugar Point«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Im Oktober 1898 fand die vielleicht letzte „Schlacht“ der Indianerkriege in Nordamerika statt. Naja – es war wohl eher ein Scharmützel, aber immerhin kämpften 8 Jahre nach dem grauenvollen Massaker vom Wounded Knee noch einmal Indianer und US-Soldaten gegeneinander.

Die „Schlacht von Sugar Point“ hatte nicht die historische Bedeutung wie Wounded Knee, Washita, Bear River, u.a. Im Gedächtnis der Indianervölker von Minnesota ist sie aber tief verankert.

Seit dem Dakota-Aufstand 1862 gab es unüberwindliche Spannungen zwischen den Stämmen und der weißen Bevölkerung des Staates. Diese Gegensätze sind teilweise bis heute spürbar.

Gründe dafür gab es auch später genug. Minengesellschaften und holzverarbeitende Industrien vergriffen sich immer wieder ohne Genehmigungen an Ländereien und Wäldern der Indianervölker. Sie setzten sich über Verträge hinweg, holzten größere Waldstücke ab, betrieben Kohleabbau in größerem Stil auf Reservationen und zahlten die vereinbarten Entschädigungen nur mit großen Verzögerungen.

Am 25. September 1898 beschwerten sich Häuptlinge der Ojibwa (Chippewa) bei US-Präsident William McKinley: „Wir verfügen lediglich über Kiefernwälder auf unsere Reservationen, die unsere Zukunft wirtschaftlich absichern sollen. Die Art und Weise, wie wir darum betrogen werden, ist alarmierend.“

Die Behörden wiederum warfen einigen Ojibwa-Führern vor, sich durch illegale Geschäfte mit Alkoholschmuggel und Schwarzbrennerei zu bereichern. Anfang 1898 wurde der Ojibwa-Führer „Hole in the Sky“ (Bagone-giizhig), der auf Bear Island im Leech Lake lebte, wegen Schwarzbrennerei verhaftet und ins Gefängnis nach Duluth geschafft. Da sich keine Beweise für seine Vergehen fanden, wurde er freigelassen – und mußte im eisigen Aprilwetter etwa 100 Meilen zu Fuß nach Hause zurücklaufen. Derartige Vorkommnisse waren nicht selten.

Im Laufe des Jahres wurde Bagone-giizhig abermals als Zeuge nach Duluth vorgeladen. Als er sich weigerte, dieser Aufforderung zu folgen, sollte er im September 1898 festgenommen werden. Diese Maßnahme löste erhebliche Empörung unter seiner Stammesgruppe aus. Als er von Gehilfen des US Marshals zu einem Boot geführt wurde, wurde er von mehreren Männern befreit.

Der zuständige Deputy US Marshal telegrafierte nach St. Paul und forderte die Armee an. Er beabsichtigte nun, mindestens weitere 20 Objiwa wegen Widerstand zu verhaften. Am 30. September trafen 20 Soldaten aus Fort Snelling am Leech Lake ein. Die Ojibwa weigerten sich, sich zu ergeben. Daraufhin wurden weitere Soldaten angefordert.

Am 5. Oktober erreichte General John M. Bacon mit 77 Mann die Halbinsel Sugar Point. Auch die Ojibwa hatten sich bewaffnet. General Bacon ließ seine Soldaten in Kampfstellung gehen. Bagone-giizhig gehörte nicht zu den Kriegern, die den Soldaten gegenüberstanden. Er hatte sich in seiner Hütte auf Sugar Point versteckt.

Über das, was dann geschah, gibt es zwei Versionen. Bacon berichtete später, das einer seiner unerfahrenen Rekruten versehentlich einen Schuß abgab, weil er sein Gewehr nicht gesichert hatte. Die Ojibwa glaubten, angegriffen zu werden, und eröffneten das Feuer.

Der Sohn eines der Ojibwa-Krieger sagte allerdings 1970 aus, daß es keineswegs ein Versehen war, sondern daß einer der Soldaten eine Ojibwa-Frau in einem Kanu unter Feuer nahm. Daraufhin begannen auch die Krieger zu schießen, um die Frau zu verteidigen. Damit begann ein erbitterter Kampf.

Der Schußwechsel dauerte noch den folgenden Tag an. Am Morgen des 7. Oktober zogen sich die Soldaten zurück. Sie hatten 6 Tote und 10 Verwundete. Auch 4 Zivilisten waren angeschossen wurden. Ferner war ein Indianerpolizist der Reservation gefallen. (Vermutlich hatten die Soldaten ihn versehentlich für einen Ojibwa-Krieger gehalten.)

Die Ojibwa hatten keinerlei Verluste.

In Minnesota, wo auch fast 40 Jahre nach dem Dakota-Aufstand die Erinnerung an die damaligen Kämpfe noch frisch waren, griff Panik um sich. In einigen Gemeinden verschanzten die Bürger sich in öffentlichen Gebäuden und erwarteten einen allgemeinen Indianerkrieg. In Duluth wurde die Miliz zusammengerufen. Der Gouverneur David Clough verlangte hysterisch Hilfe vom Kriegsministerium in Washington. Die Bahnlinie der Great Northern Railroad wurde unter Schutz gestellt.

Noch in den 1980er Jahren sah sich die Handelskammer der Leech Lake Indianerreservation genötigt, die noch immer kursierenden Behauptungen, bei der „Schlacht von Sugar Point“ habe es sich um einen Aufstand von Hunderten von Kriegern gehandelt, zu bestreiten. Tatsächlich hatten nicht viel mehr als 20 oder 30 Ojibwa-Krieger an dem Kampf teilgenommen.

Am 10. Oktober 1898 traf William Jones, der Leiter der Indianerbehörde, ein und traf sich mit den Häuptlingen der Ojibwa, die ihrerseits bitter über die amerikanische Regierung klagten. Nachdem eine Woche lang verhandelt worden war, wurden die Teilnehmer an dem Scharmützel den Behörden übergeben. Sie wurden jeweils zwischen 2 und 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Im Januar 1899 unterschrieb Präsident McKinley eine Generalamnestie und setzte alle Indianer wieder auf freien Fuß.

Die Auseinandersetzung fand weithin öffentliche Beachtung. Viele Zeitungen, bis hin zur „New York Times“, berichteten jetzt über die Betrügereien, denen die Minnesota-Indianer ausgesetzt waren – darum hatte sich vorher niemand gekümmert. Das wertvolle Waldland der Ojibwa wurde als „Chippewa National Forrest“ unter Schutz gestellt. Die Armee kehrte niemals wieder in die Reservation am Sugar Point zurück.

Bagone-giizhig (Hole in the Sky), der Urheber des Kampfes, wurde nie verhaftet. Er wurde auch nicht mehr von den Behörden belästigt. Nach dem Generalpardon durch den Präsidenten, tauchte er wieder in der Öffentlichkeit auf und nahm an nationalen und regionalen Feiertagen an zahlreichen Paraden teil. Er starb im Jahr 1916 im Alter von 80 Jahren.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2018Die aktuelle Ausgabe

 

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