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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der »Schlacht von Ingalls«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der »Schlacht von Ingalls«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 1. September 1893 fand eine der heftigsten Schießereien im amerikanische Westen statt – die sogenannte „Schlacht von Ingalls“ in Oklahoma.

Es waren solche Ereignisse, die in Europa mit dem „Wilden Westen“ assoziiert werden, wozu die Unterhaltungsindustrie jahrzehntelang beigetragen hat. Dabei hatte dieser Begriff, der schon im 19. Jh. im amerikanischen Osten aufkam, ursprünglich ganz andere Grundlagen. Tatsächlich waren blutige Schießereien in der Pionierzeit keineswegs an der Tagesordnung. Gerade deswegen wurden sie von der damaligen Boulevard-Presse so begierig thematisiert. Das Duell am OK Corral in Tombstone, die Kämpfe mit Banditen in Northfield und Coffeyville waren nicht die Regel.

Die kleine Siedlung Ingalls in Oklahoma war um 1890 entstanden, benannt nach Senator John J. Ingalls aus Kansas. Hier siedelten sich vielleicht 150 Menschen an.

In den 1880er und 1890er Jahren war Oklahoma die „letzte Grenze“, wie man zu sagen pflegte. Der Westen Amerikas war weitgehend besiedelt, aber Oklahoma war als „Indianerterritorium“ lange Zeit für Siedler tabu gewesen.

Die administrativen Verhältnisse waren konfus. Oklahoma blieb zunächst unter der Verwaltungshoheit der Bundesregierung. Damit gab es in der Regel kaum lokale Polizeibeamte. Es gab die Polizei der Indianerstämme, die sogenannten „Light Horses“, die allerdings nur bei Straftaten von Indianern tätig werden durften. Gegen weiße Banditen fehlte ihnen die Zuständigkeit. Für diese waren die Deputy US-Marshals des Bundesgerichts in Fort Smith da. Deren Zuständigkeit wiederum endete an der Territoriumsgrenze.

Diese fragile Situation nutzten die letzten Outlaws des „Wilden Westens“. Sie verübten Straftaten außerhalb Oklahomas und zogen sich hierher zurück, um der Verfolgung zu entgehen. Solange sie in ihren Zufluchtsorten nicht auffällig wurden, konnten sie sich sicher fühlen. Die Bewohner dieser Siedlungen waren selbst nicht gesetzeskonform, weil sie sich illegal auf Indianergebiet niedergelassen hatten. Die Banditen, die sich hier versteckten, brachten Geld in die Kassen der Geschäfte, Saloons und Bordelle – Geld, das sie vorher irgendwo geraubt hatten. Zu diesen dubiosen Gemeinden gehörte Ingalls.

Es waren nicht irgendwelche Banditen, die sich in Ingalls verkrochen hatten, sondern die Doolin Gang. Bill Doolin war in jener Zeit einer der berüchtigtsten Straßenräuber Oklahomas. Der ehemalige Cowboy hatte zuvor bereits zur Dalton-Bande gehört, die bei ihrem Überfall auf zwei Banken in Coffeyville (Kansas) am 5. Oktober 1892 blutig untergegangen war. Bill Doolin war klug genug gewesen, sich nicht an diesem Überfall zu beteiligen.

William Doolin, 1858 auf einer ärmlichen Farm in Arkansas geboren, zog 1881 ins damalige Indianerterritorium, wo er Arbeit als Cowboy auf einer Ranch fand. Hier lernte er seine späteren Komplizen kennen, auch sie waren „Ranchhands“. Die große Zeit der Cowboys im amerikanischen Südwesten ging in den 1880er Jahren zu Ende. Die Zahl jener, die in die Kriminalität abglitten, um irgendwie zu überleben, nahm in den 1880er und 1890 Jahren rapide zu.

Bill Doolin war 1891 nach einem Trinkgelage in eine Schießerei mit Polizisten verwickelt. Damit war sein einigermaßen geordnetes Leben zu Ende. Am 1. November 1892 stürmte er mit einigen Kumpanen die Bank in Spearville (Kansas) und flüchtete mit der Beute nach Oklahoma. Die „Cowboy-Banditen“ gaben das erbeutete Geld mit vollen Händen für Alkohol, Glücksspiel und Frauen aus. Im März 1893 feierte Bill Doolin in Ingalls Hochzeit mit Edith Ellsworth, der Tochter des örtlichen Pastors und Gemeinderats. Kurz danach führte er seine Bande gegen einen Zug in der Nähe von Cimarron (Kansas).

Danach gehörten die „Doolins“ zu den am meisten gesuchten Räubern des Territoriums- Es wird geschätzt, daß sie innerhalb weniger Jahre eine Gesamtbeute von mehr als 165.000 Dollar zusammenraubten (nach heutiger Kaufkraft weit über 3 Millionen).

Ende August 1893 erhielt US Marshal Ed Nix Hinweise auf das Versteck der Bande in Ingalls. Er befahl telegrafisch dem in Guthrie stationierten Deputy Marshal John Hixon, mit einem Aufgebot gegen Ingalls vorzugehen. Hixon plante, mit 2 Planwagen als Tarnung in den Ort zu fahren. und machte sich am 31. August mit 13 weiteren Deputies auf.

Die Bande war gerade wieder nach Ingalls zurückgekehrt. Sie bestand aus Bill Doolin, Bill Dalton, George (Red Buck) Weightman, George „Bitter Creek“ Newcomb (Yokum), Charlie Pierce, „Arkansas Tom“ Jones, „Tulsa Jack“ Black und „Dynamite Dick“ Clifton.

Jeder in Ingalls wußte, wer diese Männer waren. Die meisten Bürger kümmerten sich nicht darum. Die Banditen bezogen wie immer Quartiere in kleinen Pensionen und dem einzigen Hotel der Stadt und verjubelten ihre geraubten Dollars in „Ransom’s Saloon“.

Als sich die US Marshals dem Ort näherten, wurden sie von einem jungen Burschen entdeckt, der am Bach angelte. Der Junge begab sich schnurstracks zum Hotel, warnte die Banditen, daß sich US-Marshals in der Nähe befanden und erhielt dafür eine großzügige Belohnung. Man hätte erwarten können, daß die Outlaws sofort das Weite suchen würden, tatsächlich zeigte ihr Verhalten, wie sicher sie sich in diesem abgelegenen Teil Oklahomas fühlten.

Hixon wurde die Angelegenheit inzwischen mulmig. Auf ihn warteten 6 höchst gefährliche Desperados, und er führte ein Aufgebot von 13 Männern. Das erschien ihm zu wenig. Er schickte einen Boten zum Chief Deputy US Marshal Hale in Stillwater und forderte Verstärkung an. Hale stellte ein weiteres Aufgebot zusammen, das aus ihm selbst, 11 Männern, dem County Sheriff Burdick und dem City Marshal O. W. Sollers bestand. Als sie in Hixons Lager eintrafen, zählte die „Streitmacht“ nun 27 Mann.

Am Morgen des 1. September nahmen die Marshals in der Nähe des Mietstalls und des Saloons Deckung. Als Deputy Marshal Speed von einer Scheune aus sah, daß Bitter Creek Newcomb sein Pferd die Straße hinauf führte, eröffnete er das Feuer. Seine Kugel bohrte sich in Newcombs rechtes Bein.

Damit begann der Kampf, bevor Hixon seine Männer koordinieren konnte. Die Stadt verwandelte sich in eine feuerspeiende Hölle.

Vom Obergeschoß des OK Hotels schoß „Arkansas Tom“ Jones auf Marshal Speed und tötete ihn auf der Stelle. Der Bürger Young Simmons geriet zwischen die Fronten und wurde tödlich getroffen. In Panik rannte ein unbeteiligter Gast, N. A. Walker, aus Ransoms Bar auf die Straße und wurde von einer Kugel niedergestreckt.

Hixon zog mit seinen Männern den Ring um den Saloon immer enger. Die Banditen entschlossen sich, das Gebäude zu verlassen. Sie flüchteten zum Mietstall.

Bill Doolin und Dynamite Dick preschten aus dem rückwärtigen Tor. Dalton, Red Buck und Tulsa Jack galoppierten vorn aus dem Gebäude. Marshal Shadley traf Bill Dalton. Als er danach auf ihn zulief, feuerte der Outlaw und traf den Marshal tödlich.

Jim Masterson, ein Bruder des berühmten Bat Masterson, schoß hinter den flüchtenden Banditen her. Er traf Dynamite Dick in den Nacken, aber die Banditen entkamen. Allerdings leistete Arkansas Tom vom Spitzboden des OK Hotels noch immer eine Stunde lang Widerstand. Als die Marshals drohten, das Hotel anzuzünden, gab er auf. Er wurde später zu 50 Jahren Haft verurteilt, von denen er 17 Jahre absaß.

Der Kampf von Ingalls war zugunsten der Banditen ausgegangen. Das Aufgebot hatte drei tote und drei verwundete Marshals zu beklagen. 2 Bürger und 6 Pferde waren getötet worden. Ein einziger Bandit konnte festgenommen werden. Die anderen entkamen und setzten ihre Überfälle fort.

Am 15. Januar 1896 verhaftete US Marshal Bill Tilghman Doolin, der unter Rheumatismus litt, in einem Badehaus des Kurortes Eureka Springs (Arkansas). Doolin konnte aus dem Gefängnis flüchten, wurde aber am 25. August 1896 von Marshal Heck Thomas gestellt und erschossen.

Bill Dalton war schon Ende 1894 von US Marshals erschossen worden. Im Mai 1895 starben die Brüder Dunn in einer Schießerei mit Kopfgeldjägern. Bis Ende 1898 waren alle Teilnehmer an der “Schlacht von Ingalls” tot.

Wenige Jahre nach dem dramatischen Ereignis wurde Ingalls zur Geisterstadt - der Ort liegt ca. 10 Meilen östlich von Stillwater. 1907 wurde das Postamt geschlossen. Ein paar Gedenktafeln erinnern heute an den Kampf des Jahres 1893.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2018Die kommende Ausgabe

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