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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Frederick Douglass?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Frederick Douglass?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Der Februar ist seit 1926 in den USA und Kanada „Black History Month“ (offiziell und landesweit seit den 1970er Jahren), und im Februar 1818, vor genau 200 Jahren, wurde im Bundesstaat Maryland der bis heute bekannteste und bedeutendste Anti-Sklaverei-Kämpfer des 19. Jahrhunderts geboren – Frederick Douglass. Als sein Geburtsdatum wird der 14. Februar angegeben – aber das ist fiktiv. Er wurde in Sklaverei geboren, und niemand notierte den genauen Zeitpunkt.

Sein ursprünglicher Name war Frederick Bailey. Nachdem es ihm gelungen war, die Fesseln der Sklaverei abzuschütteln, nannte er sich „Douglass“ nach dem Helden eines Gedichts, das ihn stark beeindruckt hatte.

In einer seiner Autobiographien schrieb er: „Meine Mutter und ich wurden voneinander getrennt, als ich noch ein Kleinkind war. … Es war übliche Praxis, … Kinder frühzeitig von ihren Müttern zu trennen. Ich kann mich nicht erinnern, meine Mutter jemals bei Tageslicht gesehen zu haben. … Sie bettete mich zum Schlafen, und als ich erwachte, war sie nicht mehr da.“ Vermutlich war sie verkauft worden. Douglass wurde dann von seiner Großmutter versorgt, aber im Alter von 6 Jahren wurde er auch von ihr getrennt. Er wurde in das Haus eines Aufsehers gegeben und gelangte mit 10 Jahren als Hausdiener auf die Plantage der Familie Auld.

Als Douglass 12 Jahre alt war, brachte die Frau seines Besitzers ihm Lesen und Schreiben bei, bis ihr Mann es ihr untersagte. Es war in jener Zeit gesetzlich verboten, Schwarzen Schulunterricht zu geben. Douglass beschrieb später, wie er von da an weiße Kinder beim Lesen und Schreiben beobachtete, sich heimlich Zeitungen verschaffte und sich aus eigener Kraft weiterbildete.

Douglass wurde mit anderen Sklaven auf die Plantage von William Freeland vermietet. Freeland veranstaltete für seine 40 schwarzen Arbeitskräfte jeden Sonntag eine Bibelstunde. Als andere Sklavenbesitzer der Gegend davon hörten, stürmte ein Mob das Haus und beendete den Unterricht gewaltsam. Danach wurde Douglass zu einem kleinen Pflanzer gegeben, der seine Sklaven regelmäßig auspeitschte. Irgendwann leistete Douglass Widerstand. Mehrere Fluchtversuche scheiterten, aber 1837 traf er eine freie schwarze Frau, Anna Murray, die ihm behilflich war.

Im September 1838 gelang es ihm, zu Fuß, als blinder Passagier auf der Eisenbahn und auf Dampfschiffen, aus Maryland zu entkommen. Er gelangte auf abenteuerliche Weise nach New York, wo ihm Hilfe durch Anti-Sklaverei-Aktivisten zuteil wurde. Anna Murray folgte ihm, und die beiden heirateten. Ihre Ehe sollte 44 Jahre halten.

Douglass schrieb über seinen ersten Eindruck in Freiheit: „Mir öffnete sich eine neue Welt. Wenn das Leben mehr ist als nur zu atmen und den Schlag des Herzens zu spüren, lebte ich jetzt an einem einzigen Tag mehr als in einem Jahr meines Sklavendaseins.“

Das Ehepaar ließ sich in New Bedford (Massachusetts) nieder und wohnte zunächst im Haus eines anderen Anti-Sklaverei-Aktivisten. Hier fanden regelmäßig Treffen von Gleichgesinnten statt. Erstmals sprach Douglass öffentlich über sein Leben als Sklave. Er trat der Methodistenkirche bei. Rasch erkannten seine Förderer seine Intelligenz und verhalfen ihm zu angemessener Arbeit. Er amtierte zeitweilig als Direktor einer Sonntagsschule, und er begann Artikel für den „Liberator“ zu schreiben, die führende Zeitschrift, die die Abschaffung der Sklaverei propagierte. Deren Herausgeber, William Lloyd Garrison, sorgte dafür, daß Douglass regelmäßig öffentlich Reden halten konnte.

Seine rhetorische Brillanz war überwältigend. Douglass war als Redner ein Naturtalent, und da er sich mit ungeheurem Fleiß enorme Bildung angeeignet hatte, beeindruckte er sein Publikum, wo immer er auftrat.

1845 erschien seine erste Autobiographie, „Narrative of the Life of Frederick Douglass, an American Slave“. Das Buch wurde zum Bestseller seiner Zeit. Es wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Weitere Bücher folgten 1855 und 1881.

Als sein erstes Buch erschien, war Douglass rein rechtlich gesehen noch immer Sklave. Seine Freunde befürchteten, daß sein ehemaliger Eigentümer gerichtlich seine Rückführung fordern würde. Sie finanzierten ihm daher eine Reise nach England und Irland, wo Douglass zwei Jahre blieb und durch öffentliche Auftritte genügend Geld verdiente, um seinem ehemaligen Besitzer eine Abfindung zu bezahlen, so daß er nach seiner Rückkehr auch juristisch „frei“ war.

Douglass berichtete über seine Ankunft in Europa: „Der Sklave ist Mensch geworden. Ich schaue mich um, ob irgendjemand meine menschliche Gleichwertigkeit in Frage stellt oder mich als seinen Sklaven beansprucht, oder mich beleidigt. Ich kann eine Kutsche mieten, ich sitze neben weißen Menschen, ich betrete ein Hotel durch dieselbe Tür wie alle, ich zeige mich im selben Raum, ich nehme mein Essen am selben Tisch ein – und niemand fühlt sich gestört. … Ich werde respektiert und erfahre die gleiche Freundlichkeit und Höflichkeit wie weiße Menschen. Wenn ich in die Kirche gehe, gibt es keine hochgezogenen Lippen oder gerümpfte Nasen mit denen mir signalisiert wird, Wir wollen keine Schwarzen hier. … Ich werde nicht als Farbiger, sondern als Mensch behandelt.“

Nach seiner Rückkehr in die USA 1847 gründete Douglass seine eigene Zeitung, den „North Star“, deren Motto war: „Gerechtigkeit kennt kein Geschlecht – Wahrheit kennt keine Farbe – Gott ist unser aller Vater, und wir sind alle Brüder.“

Die Zeitungsgründung trennte Douglass von seinem Freund William Garrison, der ihn jetzt als Konkurrenten wahrnahm. Garrison war für Douglass zu radikal geworden. Während Garrison stets behauptet hatte, die amerikanische Verfassung begünstige Sklaverei, vertrat Douglass die Ansicht, daß die Verfassung ein Instrument zur Bekämpfung der Sklaverei sei. Ferner war Douglass der Meinung, daß man auch mit Sklavenhaltern sprechen müsse, um sie von der moralischen Verwerflichkeit der Sklaverei zu überzeugen – damit stellte er sich gegen die radikalen Sklavereikämpfer. Er lehnte die gewaltsamen Aktionen eines John Brown in der Zeit des „blutigen Kansas“ ab.

Douglass glaubte an die Gleichheit aller Menschen, ob Afrikaner, Indianer, Mann, Frau oder armer Einwanderer. Seine Bereitschaft zum Dialog war Prinzip. “Ich werde mit jedem zusammenarbeiten, der das Richtige tut, und mit niemandem, der das Falsche macht.“

1848 trat Douglass erstmals auf einer Versammlung von Frauenrechtlerinnen in New York auf und plädierte für eine uneingeschränkte Gleichberechtigung der Geschlechter. Er wandte sich gegen jede Form von Diskriminierung, sei es wegen der Hautfarbe, des Geschlechts oder aus anderen Gründen. Unermüdlich kämpfte er für die Einrichtung von Schulen für Farbige. Seine Erfahrung war, daß Freiheit auf Bildung basiert.

Als 1861 der Bürgerkrieg ausbrach, setzte er sich dafür ein, daß Schwarze in der Unions-Armee dienen durften – Seite an Seite mit weißen Männern in derselben Uniform und mit Waffen. Mehrfach wurde er von Präsident Lincoln empfangen und plädierte nach Verkündigung der Anti-Sklavereiproklamation im Januar 1863 für die Öffnung der Armee für freie Schwarze und ehemalige Sklaven, sowie für eine faire Behandlung schwarzer Soldaten. Seine drei Söhne traten alle in die Armee ein.

Bei Verkündung der Verfassungszusätze 13, 14 und 15 im April 1876, mit denen die Sklaverei endgültig in Amerika verboten und die bürgerliche Gleichberechtigung für Schwarze Gesetz wurde, enthüllte Douglass offiziell das Emanzipations-Denkmal in Washington.

In seiner Rede sprach er hier ehrlich und offen die Probleme an, die er bei aller Sympathie mit Abraham Lincoln gehabt hatte. „Obwohl Mr. Lincoln die Vorurteile seiner weißen Landsleute gegen Schwarze geteilt hat, ist es kaum nötig zu betonen, daß er von ganzem Herzen die Sklaverei verabscheut und gehaßt hat.“

Seine Rede erhielt stehende Ovationen, und Abraham Lincolns Witwe überreichte Douglass den bevorzugten Spazierstock des Präsidenten.

Douglass wurde nach Ende des Bürgerkrieges mehrfach in regierungsamtliche Funktionen berufen. Er war unter anderem Generalkonsul der USA auf Haiti und amerikanischer Botschafter in der Dominikanischen Republik.

In den Jahren nach der Rekonstruktion ergriffen erneut Politiker der alten Konföderation die Macht in den früheren Sklavenstaaten. Sie versuchten, die Verfassung zu unterlaufen.

Douglass setzte sich wortmächtig für die in der Verfassung garantierten Bürgerrechte ein und agierte offensiv gegen den Terror des Ku Klux Klans.

Als Republikaner unterstützte Douglass Präsident Grant, der ein Gesetz zur Bekämpfung des KKK erließ. Ohne sein eigenes Zutun, wurde er 1872 als Kandidat der Gleichberechtigungspartei für die Vize-Präsidentschaft der USA nominiert.

Nach dem Tod seiner Frau 1882 heiratete er zwei Jahre später die weiße Frauenrechtlerin Helen Pitts. Das Paar widerstand mit unerschütterlichem Mut den darauf folgenden öffentlichen Angriffen.

1888 war er der erste Farbige, der auf einem Parteitag der Republikaner als Präsidentschaftskandidat vorgeschlagen wurde, und er war einer der ersten Afro-Amerikaner, die an der Elektoralversammlung für die Abstimmung über den Präsidenten teilnehmen durften.

Schon zu Lebzeiten seiner ersten Frau hatte er am Anacostia River in Washington D. C. den Besitz „Cedar Hill“ gekauft. Heute steht dieses Anwesen als „Frederick Douglass National Historic Site“ unter Verwaltung des Nationalpark Service.

Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte Frederick Douglass am 20. Februar 1895, vor 123 Jahren, vor dem Nationalen Frauenrat in Washington. Nach der Rückkehr in sein Haus erlitt er am selben Tag eine Herzattacke und starb.

Er liegt in Rochester (New York) begraben. Historiker sind sich einig: Er war der einflußreichste Afro-Amerikaner des 19. Jahrhunderts, der durchaus mit Martin Luther King verglichen werden kann.

Der Kampf um die Bürgerrechte sollte bis in die 1960er Jahre andauern. Douglass wird heute mit Recht als „Vater der Bürgerrechtsbewegung“ bezeichnet.

Diese kurze Skizze umreißt im Grunde nur unzureichend sein bewegtes, ereignisreiches, bewundernswürdiges Leben.

Meine Fotos zeigen Frederick Douglass, ein zeitgenössisches Foto von einem von Peitschennarben gezeichneten Sklaven, Bilder von schwarzen Soldaten im US-Bürgerkrieg - darunter ein Sturm einer schwarzen Einheit -, das Haus von Douglass und seine Grabstätte.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2018Die aktuelle Ausgabe

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