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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Charles Angelo Siringo?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Charles Angelo Siringo?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 7. Februar 1855 wurde in Texas ein Mann geboren, der durch sein Leben stark zur Romantisierung der amerikanischen Pionierzeit beitragen sollte: Charles Angelo Siringo, Sohn einer irischen Mutter und eines italienischen Vaters, begann mit 15 Jahren auf Rinderranches zu arbeiten. Innerhalb weniger Jahre wurde er zu einem erfahrenen Cowboy, der einige große „Cattle Trails“ von Texas nach Kansas mitgemacht hatte. 1876 führte er selbst als Trailboss eine Herde von 2.500 Longhorns über den Chisholm Trail nach Kansas. 1877 leitete er eine Herde über den Western Trail nach Dodge City. Siringo traf hier mit einigen der spektakulärsten Charaktere der wilden Pionierzeit zusammen – Wyatt Earp (mit dem er bis zu seinem Tod freundschaftlichen Kontakt hatte), Bat Masterson, Luke Short, Doc Holliday, Clay Allison und anderen, die als „Gunmen“ in die Geschichte eingegangen sind.

In Dodge City wurde er von zwei Viehzüchtern angeheuert, eine Rinderherde in den Panhandle zu treiben, wo er als Vormann die LX Ranch gründete, die er mehrere Jahre leitete. Hier traf er u. a. mit William Bonney, alias „Billy the Kid“ zusammen, den er später mit einem Aufgebot wegen Viehdiebstahls verfolgen sollte.

1884 heiratete Siringo, ließ das Ranchleben hinter sich und eröffnete einen Generalstore in Kansas. Ein Jahr später erschien sein erstes Buch: „A TEXAS COWBOY; Or Fifteen Years on the Hurricane Deck of a Spanish Pony.” Es gilt noch heute als eine der besten authentischen Quellen über das Cowboyleben im amerikanischen Westen.

1886 hatte Siringo genug von dem – wie es ihm schien – eintönigen Leben als Kaufmann. Er gab sein Geschäft in Caldwell auf und ging nach Chicago, wo er sich auf Empfehlung seines Freundes Sheriff Pat Garrett bei der „Pinkerton Detektiv-Agentur“ bewarb. Er wurde sofort eingestellt und aufgrund seiner Erfahrungen wieder in den Westen geschickt. Die Pinkerton-Agentur dehnte in jener Zeit ihre Aktivitäten in ganz Nordamerika aus.

Siringo wurde von Alaska bis New Mexico gegen Viehdiebe, Grenzschmuggler, Eisenbahn- und Bankräuber eingesetzt. Die Erfolge des „Cowboy-Detektivs“, wie er in der Öffentlichkeit häufig genannt wurde, waren legendär. Ihm gingen Hunderte von Outlaws ins Netz, und er überlebte viele gefährliche Situationen. Der Historiker John Hays Hammond schrieb über ihn: „Aufgrund der Risiken, die er einging, der tödlichen Situationen, die er mit unglaublicher Nervenstärke überlebte, seiner Klugheit und Findigkeit, und vor allem seiner Kaltblütigkeit wird man sich immer seiner als einer besonders pittoresken Gestalt der amerikanischen Frontier erinnern.“

1890 starb seine Frau. Siringo blieb mit einer fünfjährigen Tochter zurück. Drei Jahre später heiratete er erneut. 1896 wurde ein Sohn geboren, kurz danach ließ Siringo sich scheiden.

Er lebte zu dieser Zeit in Denver (Colorado) und arbeitete in der hiesigen Pinkerton-Agentur mit keinem anderen als dem berüchtigten Tom Horn zusammen, dessen Fähigkeiten er bewunderte, über den er aber später sagte: „Toms Charakter hatte sehr dunkle Seiten.“

In den späten 1890er Jahren gelang es Siringo, unter dem Namen „Charles L. Carter“ als vermeintlicher Revolvermann undercover in die „Wild Bunch“ einzudringen, die wohl letzte Räuberbande des alten „Wilden Westens“; aber auch ihm gelang die Zerschlagung dieser Gang nicht, er trug allerdings maßgeblich zu ihrem Zerfall bei.

1907 kündigte Siringo seine Anstellung bei Pinkerton und erwarb eine Ranch bei Santa Fe (New Mexico). Hier schrieb er sein zweites Buch: „Pinkerton’s Cowboy Detective“.

Die Veröffentlichung verzögerte sich, weil die Pinkerton-Agentur gerichtlich gegen Siringo vorging. Sie beschuldigte ihn, Firmengeheimniss zu verraten und warf ihm vor, das Schweigegebot gebrochen zu haben, das er bei seiner Anstellung unterschrieben hatte.

Siringo änderte daraufhin den Titel in „A COWBOY DETECTIVE“, eliminierte den Namen „Pinkerton“ aus seinem Text und veränderte die Namen einiger Personen. Seinen Zorn, den er seither gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber hegte, verarbeitete Siringo 1915 in seinem Buch „Two Evil Isms, Pinkertonism and Anarchism“. (Frei übersetzt etwa: Zwei bösartige Ideologien, Pinkertonismus und Anarchismus.)

Wiederum ging die Pinkerton-Agentur juristisch gegen ihn vor und versuchte, ihm mit hohen Schadensersatzklagen die Existenz zu nehmen. Sie verlangte zudem seine Zwangsvorführung vor einem Gericht in Chicago – ein Ansinnen, das der amtierende Gouverneur von New Mexico ablehnte.

1916 wurde Charles Siringo als New Mexico Ranger angestellt und gegen Banden von Viehdieben im Süden des Staates eingesetzt (Offiziell: New Mexico Mounted Police; sie existierte zwischen 1905 und 1921). Zwei Jahre später legte er den Stern wegen seiner stark angegriffenen Gesundheit nieder. 1919 erschien von ihm sein Buch „A LONE STAR COWBOY“. Im Jahr darauf verfaßte er ein Buch über „Billy the Kid“. Trotz seines Erfolgs geriet er, auch wegen seiner gesundheitlichen Probleme, zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten und mußte 1922 seine Ranch verkaufen.

Er zog nach Kalifornien, wo er seine Freundschaft zu Wyatt Earp aufleben ließ und zeitweise die Regisseure von Western-Filmen beriet. 1927 erschien sein letztes Buch, „RIATA AND SPURS“. Erneut intervenierte die Pinkerton-Agentur, so daß letztlich nur eine stark gekürzte und bearbeitete Fassung der aufregenden Lebensgeschichte Siringos in Druck ging.

Am 18. Oktober 1928 - vor 90 Jahren - starb Charles Siringo in Altadena (Kalifornien) – ein Mann, den man mit Fug und Recht als einen „echten Western-Helden“ bezeichnen kann, der es nicht nötig hatte, Abenteuer in den wilden Pioniergebieten des amerikanischen Westens zu erfinden; er hatte sie wirklich erlebt.

Meine Fotos zeigen Charles Siringo, verschiedene Bilder aus den Ranchgebieten, in denen er als Cowboy arbeitete oder als Weidedetektiv der Pinkerton-Agentur unterwegs war, und zwei seiner populären autobiografischen Bücher.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2018Die aktuelle Ausgabe

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