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Ein kleiner Teil - Eine Kurzgeschichte

StoryEin kleiner Teil
Eine Kurzgeschichte

„Es ist wunderschön hier“, sagt der Besucher. Von einer Bergkuppe sieht er ins Tal und zu einem gegenüberliegenden Berghang, alles ist mit vor allem Fichten bewaldet, dunkles Grün, um die Häuser in der Ferne zu zählen reicht eine Hand. „Für mich ist es harte Arbeit“, sagt der Bauer. Beide stehen sie auf dem Hof, es ist ein Kärntner Hof mit mehreren Gebäuden, insgesamt drei Wohnhäusern, Stall und Wagenhütte.

Der Boden ist karg, viele Steine wie Kartoffeln in der Erde, aber mit der Zeit kann man ihm doch Feldfrüchte abtrotzen. Um den Hof im Vollerwerb zu führen, ist er zu klein. Der Bauer arbeitet bezahlt bei einer Baufirma, wenn er frei hat, arbeitet er auf dem Hof. Im Winter ist es besser, dann stempelt er, und auf dem Hof ist weniger zu tun, dann repariert er die landwirtschaftlichen Geräte. Ist im Sommer Erntezeit, darf der Bauer sich tageweise von seiner Firma freinehmen. Früher war der Bauer der älteste Sohn. Nachdem er im Krankenhaus auf die Welt gekommen war, war der Hof hier der erste Platz, an dem er sich aufhielt. Er kennt den Hof und den Berg in- und auswendig. „Und die Luft, herrlich!“, sagt der Besucher. Er ist die der großen Städte an Chinas Ostküste gewohnt, wo die Luft den Eindruck macht, als könnte man sie herausschneiden. Das wäre dann ein weißer Block. „Wenn es kalt ist, ist sie noch klarer“, sagt der Bauer. „Willst du tauschen?“, fragt er. Nein, das dann doch nicht. Der Besucher ist viel unterwegs, er wird dafür bezahlt, und das nicht schlecht. Er weiß auch, dass „Urlaub am Bauernhof“ nicht das Leben am Hof abbildet. „Man kann ein Baum sein oder ein Vogel“, sagt er zum Bauern. „Du bist ein Baum, ich bin ein Vogel.“ „Jaja, ihr Stadtmenschen seid alle gleich“, entgegnet der Bauer, „die Natur gefällt euch, aber ihr wollt nichts für sie tun.“ Womit sollte sich der Besucher verteidigen?, da gibt es nichts, er bleibt still. „Weißt du, ich habe da unlängst von einem Projekt gelesen“, fährt der Bauer fort, „dass in städtischen Häusern von ungefähr zehn Stockwerken Gemüse gezogen werden soll, in jedem Stockwerk eine eigene Sorte. In Erde ist das kaum möglich, weil sie zu schwer wäre, stattdessen eher in Nährlösung. Die Zeitung, in der ich das las, schrieb, dann wäre das Gemüse ganz nah am Verbraucher, also geringe Transportkosten. Wirtschaftlich machte das am ehesten Sinn, wenn man höhere Häuser, die nicht mehr bewohnt werden würden, dazu umrüstete. Also müsste es am besten in den USA möglich sein, wo oft Häuser in den Stadtzentren aufgegeben sind. „City Farming“, ich weiß nicht, wie das in der Zeitung bezeichnet wurde, aber so würde ich es nennen. Dann wäre der Boden, auf dem gearbeitet wird, Stahlbeton, und der Bauer wäre Angestellter einer Agrikultur-Firma.“ „Tja, dann wäre natürlich Sense mit dem bäuerlichen Idyll“, meint der Besucher.

Wie ist es denn in Kriegszeiten? Dann flieht die Stadtbevölkerung auf Höfe in den Bergen, weil diese nicht bombardiert werden. Die Rollen kehren sich um, die Städter haben kaum zu essen, die Bauern genug. Einen Goldring für drei Eier, so kann der Tauschkurs sein. Der Bauer weiß genau, wo sein Land endet. Er schaut in den Himmel und kann anhand des Zuges der Wolken erkennen, wie das Wetter werden wird. Weil es Notwendigkeit ist, weil man zum Heueinführen trockenes Wetter braucht. „Die Wolken gehen Wasser trinken zur Mur“, sagte seine Mutter, also Regenwetter. Und so wurde es. Das Leben des Bauern besteht tatsächlich von Arbeit von früh bis spät. Ist man da nicht geprägt, wächst man nicht als Kind eines Bauern auf, würde man sich ein solch fleißiges und entbehrungsreiches Leben nicht antun. Man kann Ab-Hof-Verkauf machen oder eine Buschenschenke eröffnen, wenn genug Hände zum Helfen und Köpfe zum Rechnen verfügbar sind, aber das geht nur, wenn der Hof relativ groß ist. Der Hof dieses Bauern ist gerade groß genug, dass er alle dortigen Mäuler füttert, verkaufen lässt sich nur ein wenig Milch täglich sowie Schweine und Kälber, wenn sie am Hof geboren werden. Der Hof ist kein Geschäft, er ist eine Aufgabe. Man macht die Arbeit aus Tradition. Dafür erlebt man blutüberströmte Sonnenaufgänge, sieht seltene Vögel, und wenn der Winter seine weiße Decke ausbreitet, hat man ein wenig Zeit zum Verschnaufen. Und man ist sich bewusst, zu jeder Zeit, dass man einen kleinen Teil vom Planeten Erde besitzt.


: Das Dach der MARTIN LUTHER KIRCHE in Krumpendorf - von Bright Angel
Zum Autor

Bright Angel (Pseudonym) wurde Mitte der 1960er Jahre in Kärnten geboren. Er ist ein unsteter Geist und ein rollender Stein. Er schreibt Lyrik, Prosa und Hörspiele und fotografiert. Er veröffentlichte Lyrik, Kurzprosa und Fotos in Zeitschriften und Anthologien und bei „Erozuna“, „Zukunftia“, „Gangway“ und „zugetextet.com“ im Internet.

Veröffentlichungen:

  • Gedichte in „Driesch“, Nr. 5  im Jahr 2011.
  • Kurzgeschichte in „Brückenschlag“, Band 27 im Jahr 2011.
  • Kurzgeschichte in „TrokkenPresse“, Nr. 5 im Jahr 2011.
  • Prosatext in „TrokkenPresse“, Nr. 2 im Jahr 2012.
  • Gedichte in und Gedicht auf „Brückenschlag“, Band 28 im Jahr 2012.
  • Miniaturen in „WORTSCHAU“, Nr. 17 im November des Jahres 2012.
  • Gedichte in „Spring ins Feld“, 13. Ausgabe, Dezember des Jahres 2012.
  • Kurzgeschichte in „Brückenschlag“, Band 29 im Jahr 2013.
  • Prosatext in „TrokkenPresse“, Nr. 3 im Jahr 2013.
  • Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 59, 09/2013.
  • Kurzgeschichte in der Anthologie „Mein heimliches Auge, Das Jahrbuch der Erotik XXVIII“ vom konkursbuch Verlag
  • Claudia Gehrke im Jahr 2013.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 60, 12/2013.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 61, 04/2014.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 62, 08/2014.
  • Kurzgeschichte und Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 63, 11/2014.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 64, 04/2015.
  • Kurzgeschichte und Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 67, 04/2016.

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