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Ringo`s Plattenkiste: Unholy Christmas

H. P. Lovecraft - Unholy Christmas

»Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten  Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

 

 Christmas


By H. P. Lovecraft

Das Feuer im Heim strahlt warm und hell
die Kerzen glimmen freudig
Die Sterne gießen sanftes Licht
über den verwehten Schnee

Ein Zauber fließt vom Himmel herab
Und garniert das schwindende Jahr
Die Glockentürme läuten froh
Denn die Weihnachtszeit ist da!

 

So schrieb Howard Phillips Lovecraft im Jahre1920. Veröffentlicht wurde dieses wunderschöne Kurzgedicht im November 1920 im Tryout-Magazine, einer
Amateurzeitschrift, die von 1914 bis 1946 von Charles W. Smith aus Haverhill, Massachusetts herausgegeben wurde. Smith, der 1948 im für die damalige Zeit biblischen Alter von 96 Jahren starb, war ein Freund und Korrespondent Lovecrafts, der dort Storys wie etwa "Die Katzen von Ulthar" (November 1920), "Der schreckliche alte Mann" (Juli 1921), "Der Baum" (Oktober 1921) und "Im Gewölbe" (November 1925) veröffentlichte. Smith lieferte nebenbei auch die Plot-Idee für die Story "In der Gruft".
Einige von späteren Geschichten Lovecrafts enthalten Details, die von seinen Besuchen in Haverhill stammten, wo er sich mit Smith traf. Am bemerkenswertesten davon ist "Der Schatten aus der Zeit", in dem der Protagonist aus Golden Hill in Haverhill (Smiths Nachbarschaft) stammt und Nathaniel Peaslee heißt, ein Name, der von einem Friedhof stammte und den Lovecraft sich notierte.

Das Magazin veröffentlichte neben den Storys auch zahlreiche Gedichte von Lovecraft und wurde für ihre typografischen Fehler bekannt, die Lovecraft scherzhaft als "Tryoutism" bezeichnete.

Über H.P. Lovecraft brauche ich wohl nicht viel erzählen, da er dem Leser wohl durchaus bekannt sein dürfte. Der leider viel zu früh verstorbene Autor hinterließ zwar nur ein spärliches Œuvre, dafür aber eine gewaltige Lücke, die zu füllen sich eine Vielzahl an Epigonen und bloßen Nachahmern zu füllen anschickten. Darunter war meist wenig anspruchsvolles Material, denn für die typische, einzigartige und unverkennbare Lovecraft-Stimmung bedarf es wesentlich mehr als nur geschraubten Schreibstil, wedelnde Tentakel und unaussprechliche Namen.
In den Achtzigern wurde dem großartigen Poeten des Grauens, wie H. J. Alpers ihn sehr treffend bezeichnete, eine ganz besondere Ehre zuteil: Die H. P. Lovecraft Historical Society (HPLHS) wurde von engagierten Fans aus der Taufe gehoben, um das Andenken an ihn hochzuhalten und Neulesern den Einstieg zu erleichtern. Zuerst ein reines Fanprojekt, hat sich die Society inzwischen zu einem gewinnbringenden Unternehmen gemausert, das seinen Sitz in der Nähe des sonnigen Los Angeles hat und jede Menge Merchandise sowie sehr originelles Lovecraft-Unterhaltungsmaterial wie z.B. Filme, Bücher, Spiele, Hörspiele, und produziert.

So auch 2003 das Album, um das es heute geht: A very scary Solstice.

Konzept und Programm waren einfach, aber sehr originell, die Umsetzung aber wohl vermutlich weniger. Die HPLHS produzierte eine Sammlung von traditionellen und bekannten Weihnachtsliedern in festlichem Gewand, die sich vom Herkömmlichen in einer Hinsicht grundlegend unterschied. Die Melodien wurden zwar beibehalten, die Texte jedoch nicht. Sie wurden gekonnt umgeschrieben, dass sie zum Plattentitel und in den Lovecraft-Kosmos passen.
Eingespielt wurden die Tracks auf herkömmliche Art in bester Weihnachtsmusik-Tradition mit Hilfe von professionellen Musikern, die unter sehr originellen Pseudonymen auftraten.
Beteiligt waren unter anderem die Brüder Sean und Aidan Branney, Matthew Fahey, Lance J. Holt, John Jabaley, Chris Lackey, Andrew Leman, Holly Long, Sharon McCune, Tamara McDonough, Carolyn Palmer, Jennifer Taub, Josh Thoemke, John Yelvington, Erika Zucker sowie Pascal und Rebecca Marcotte.

Das Album erschien als CD im Jewelcase mit transparentem Tray. Es gibt auch eine Deluxe-Version, der zusätzlich das „Lovecraftian Songbook“ beiliegt. Sehr empfehlenswert für alle, die an einem gepflegten Sabbat mit ihren Liebsten mitsingen oder zumindest ein wenig im Takt dazu unnennbar schnattern möchten. Iääh! Tekelili!!

Hier die Tracklist mit den Interpreten:

01. Rebecca Marcotte And Josh Thoemke: Have Yourself A Scary Little Solstice
02. Tamara McDonough And The Dunwich Children's Chorale: Freddy The Red Brained Mi-Go
03. John Yelvington And The Shoggettes: Great Old Ones Are Coming To Town
04. The Arkham Carolers: The Carol Of The Olde Ones
05. The Dagon Tabernacle Choir: Silent Night, Blasphemous Night
06. The Arkham Carolers: Awake Ye Scary Great Olde Ones
07. The Dagon Tabernacle Choir: Mi-Go We Have Heard On High
08. The Dunwich Children's Chorale: The Shoggoth Song
09. J.D. Titan: It's The Most Horrible Time Of The Year
10. John Yelvington And Scariachis: Es Y'Golonac
11. Matthew Fahey: Away In A Madhouse
12. Andrew Leman: It's Beginning To Look A Lot Like Fish-Men
13. Lance J. Holt: I Saw Mommy Kissing Yog-Sothoth
14. The Dagon Tabernacle Choir: Oh Come All Ye Olde Ones
15. Pascal Marcotte With The Randolph Carters: I'm Dreaming Of A Dead City
16. The Arkham Carolers: Dance Of The Cultists
17. Holly Long, Rebecca Marcotte And Tamara McDonough: He'll Be Back For Solstice
18. The Choir Of Former Altar Boys: Mythos Of A King
19. The Dunwich Children's Chorale: Here Comes Yog-Sothoth
20. Josh Thoemke With Matthew Fahey And Rebecca Marcotte: Little Rare Book Room
21. The Arkham Carolers: Demon Sultan Azathoth
22. Tamara McDonough: Tentacles
23. Matthew Fahey, Jennifer Taub And Josh Thoemke: Do You Fear What I Fear?
24. The Dunwich Children's Chorale: Cthulhu Lives!
25. The Dagon Tabernacle Choir: Oh Cthulhu

Wie an den Pseudonymen zu erkennen ist, ist der Spaßfaktor bei diesem musikalischen Projekt sehr hoch. Am witzigsten finde ich persönlich die Namen Dunwich Childrens Choir, The Shoggette und The Dagon Tabernacle Choir.

Im Gegensatz zu meinen anderen Plattenkisten-Artikeln werde ich diesmal nicht jeden einzelnen Song beleuchten, dafür ist die Tracklist ein wenig zu umfangreich und außerdem gibt es vom musikalischen Aspekt nicht wirklich viel zu berichten.
Anhand der Titel lässt sich überwiegend nicht erkennen, welche Weihnachtslieder hier gekonnt verballhornt wurden, aber lasst euch einfach beim Hören überraschen, welcher Klassiker sich dahinter verbirgt.

Besonders originell finde ich Songs z.B. „Freddy The Red Brained Mi-Go“, hinter dem sich natürlich der altbekannte Rentier-Rudolph-Gassenhauer verbirgt.

Mit „Silent Night, Blasphemous Night“ ist natürlich DER Deutsche (obwohl das Lied eigentlich in Österreich geschrieben wurde) Weihnachtsklassiker schlechthin gemeint.

John Yelvington hat mit seinen Scariachis (auch so ein geniales Pseudonym) den Jose Feliciano- Song „Feliz Navidad“ aufs Lovecraft-Korn genommen und Ramsey Campbells Y`Golonac aus den Offenbarungen des Glaaki besungen.

Für „Have Yourself A Scary Little Solstice“ war der Judy Garland-Song aus dem 1940er Musicalfilm Meet me in St. Louis Vorbild.

„I'm Dreaming Of A Dead City“ ist musikalisch der Irving Berlin Song von 1947, den Bing Crosby berühmt gemacht hatte. Ich persönlich hätte für diesen Song das Pseudonym Thing Crosby gewählt, aber The Randolph Carters ist auch nicht schlecht.

Auch „He'll Be Back For Solstice“ hat im Original Thing Crosby gesungen, und zwar unter dem Titel „ I` ll be home for Christmas“.

„The Carol Of The Olde Ones“ ist ein sehr unheimlicher Song, der tatsächlich unter die Haut geht. Der Dagon Tabernakel Chor interpretiert hier das sehr alte, eigentlich ohnehin heidnische, ukrainische Volkslied Schtschedryk, bei uns als Carol oft he Bells bekannt, auf erfrischende und beängstigende Art und Weise.

Ich habe absichtlich nur einige Songs und ihre Vorbilder genannt, da der Eine oder die Andere unter euch sich vielleicht selbst die Lovecraft-Songs hören möchte und ich euch den Spaß am analysieren nicht nehmen möchte.
Das Album gibt es übrigens direkt bei der HPLHS zu kaufen, entweder als CD (mit oder ohne Songbook) oder ganz bequem und günstiger als Download. Ich selbst habe mich für letztere Variante entschieden, da mir die CD inklusive der horrenden Versandkosten dann doch zu teuer war.

Die 25 Songs machen tierisch Spaß, vor allem, wenn man sich mit Lovecraft auskennt und auf die Lyrics achtet. Die Musik und die Melodien blieben unverändert und eignen sich durchaus als heimelige Hintergrundmusik zu Weihnachten. Mein persönliches Highlight der Schadenfreude ist immer dann erreicht, wenn Advents-Besuch zu Gast ist und andächtig der anheimelnden Musik lauscht, ohne zu verstehen, was eigentlich gesungen wird.
Also, meine Lieben, feiert ein schönes unheiliges Weihnachtsfest. Schlachtet einen unliebsamen Nachbarn, beschenkt eure Liebsten und Nächsten mit Unrat und Obszönitäten, zündet den Weihnachtsbaum an und preiset den Großen Gott Cthulhu!

In diesem Sinne verabschiede ich mich nicht nur für dieses Jahr, denn ich komme zeitlich einfach nicht mehr dazu, monatlich einen meiner doch recht umfangreichen Artikel zu schreiben. Es wird aber auf jeden Fall weitergehen, ich weiß zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht wann und mit welcher Platte. Ich denke aber, dass ich mich nächstes Jahr wieder verstärkt bekannteren Bands und Interpreten annehmen werde. Zum Beispiel der Fred Glettler Kapelle…

Ph`nglui mglw`nafh Cthulhu R`lyeh wgah`nagl fhtagn

 

 

 © by Ringo Hienstorfer  (12/2025)

 

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Kommentare  

#1 Andy 2025-12-24 21:39
Auf diesem Wege wünsche ich allen Zauberspieglern ein frohes Fest. Übrigens: ich höre gerade "Driving home for Christmas": RIP Chris Rea.... :sad:

Mag hier zwar nicht hingehören, aber dennoch...

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