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Was denkt ein Quark? - Mit Dank an meinen Sohn Michael

StoryWas denkt ein Quark?
Mit Dank an meinen Sohn Michael

Ich bin ein Quark, das kleinste Teilchen. Drei von mir ergeben ein Proton. Ich denke wie ein Mensch, aber ich sehe nicht, was er sieht. Ich sehe beispielsweise keinen Baum, ich sehe nur Protonen, Neutronen und Elektronen, aus denen er besteht.

Ich teile der Menschen Sichtweise, ich bilde ja die Kohlenwasserstoffe, aus denen sie gemacht.

Meine erste Erkenntnis gewann ich kurz nach meiner Entstehung: Eines keinen Leben ist wertlos. Er wäre nicht in die Welt geboren worden, würde er nicht sinnhaft sein. Sei er ein Gedankenblitz im sich drehenden Universum. Sehe man auch oft nicht seinen Zweck, greifen doch auch seine Zahnräder in die anderer Menschen und beeinflussen deren Geschicke. Ob rechtsdrehend oder linksdrehend, der Lebensweg eines jeden geht stets geradeaus. Jedes Menschen warmer Hauch löst Eis, und seine Worte hallen wider in irgendwelchen Köpfen. Ein jeder wählt bewusst die Richtung, in die er geht. Den Zufall gibt es nur im Traum. Das sei gewiss.

Als ich noch jung war, begegnete ich in den Weiten des Weltraumes meiner ersten Seele. Sie war dem Körper eines Seemannes entwichen, vor Hunderten von Jahren schon. Sie erzählte mir von den salzigen Meeren und in ihnen schwimmenden Riesen-Oktopussen, die Schiffe zerdrückten wie die Hand eines Menschen Stroh, vom silbrigen Licht des Mondes, das die Reling umspielt, wenn man macht ruhige Fahrt. Die Meere konnten auch tobend sein und ihre Wellen gegen den Bug schlagen. Aber sie beruhigten sich dann wieder und lagen wie ein blaues Tuch. Sein Steuermann hatte noch nach den Sternen navigiert. Der Mann war ertrunken, nachdem sein Schiff auf ein Riff gelaufen war. Er hatte nie eine Familie gehabt, sein Herz von Hafen zu Hafen getragen.

Die Seele erschien mir wie eine fein gesponnene Wolke. Ich begegnete danach noch vielen Seelen, und sie erzählten mir ihre Geschichten. Die Seelen hatten verschiedene Farben, manche schimmerten bläulich, grünlich, selten rötlich, denn das war die Farbe derer, die im Krieg ihr Leben gelassen hatten. Die grünlichen waren mit sich selbst im Reinen, die bläulichen noch voller unerfüllter Sehnsüchte. Die Seele war ein Abbild des Geistes seines Trägers zum Zeitpunkt seines Todes. Viele waren unzufrieden, was mir unerklärlich erschien, denn als sie sich noch in ihren Körpern befanden, hatten sie doch viel, wofür es sich zu leben lohnte. Am glücklichsten waren diejenigen, die schon als Kinder gestorben waren. Die Seelen von zu Tode Verurteilten waren schwarz, man konnte sie kaum ausmachen in der dunklen Nacht, doch auch sie enthielten färbige Zonen, die nicht vom Licht der Sterne stammen konnten.

Oft war es so, dass sich zu Lebzeiten der Seelen Menschen Gutes mit Schlechtem vermischt hatte. Die Erinnerungen an das Schlechte waren meist vordergründiger, jene an das Gute verblassten. Und mit dem Alter wuchs der Harm.

Die einzige beseelte Lebensform, die ich je kennen gelernt hatte, war die des Menschen. Auf den methanerfüllten Planeten konnte sich kein Leben entwickeln.

Es heißt immer, die Würde des Menschen sei unantastbar. Aber das stimmt nicht. Viele waren zerbrochen und ihre Seelen ein gesplitterter Spiegel. Oder des Lebens überdrüssig, dem sie vielleicht ein Ende machten oder untätig ausharrten bis zu ihrem Tod. Unverwechselbar ist jede Seele, nicht zu vergleichen mit einer anderen.

Dreifaltig gebunden ist der Gott, zu dem sie beten. Immer noch.


Sunset in July


Zum Autor

Bright Angel (Pseudonym) wurde Mitte der 1960er Jahre in Kärnten geboren. Er ist ein unsteter Geist und ein rollender Stein. Er schreibt Lyrik, Prosa und Hörspiele und fotografiert. Er veröffentlichte Lyrik, Kurzprosa und Fotos in Zeitschriften und Anthologien und bei „Erozuna“, „Zukunftia“, „Gangway“ und „zugetextet.com“ im Internet.

Veröffentlichungen:

  • Gedichte in „Driesch“, Nr. 5  im Jahr 2011.
  • Kurzgeschichte in „Brückenschlag“, Band 27 im Jahr 2011.
  • Kurzgeschichte in „TrokkenPresse“, Nr. 5 im Jahr 2011.
  • Prosatext in „TrokkenPresse“, Nr. 2 im Jahr 2012.
  • Gedichte in und Gedicht auf „Brückenschlag“, Band 28 im Jahr 2012.
  • Miniaturen in „WORTSCHAU“, Nr. 17 im November des Jahres 2012.
  • Gedichte in „Spring ins Feld“, 13. Ausgabe, Dezember des Jahres 2012.
  • Kurzgeschichte in „Brückenschlag“, Band 29 im Jahr 2013.
  • Prosatext in „TrokkenPresse“, Nr. 3 im Jahr 2013.
  • Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 59, 09/2013.
  • Kurzgeschichte in der Anthologie „Mein heimliches Auge, Das Jahrbuch der Erotik XXVIII“ vom konkursbuch Verlag
  • Claudia Gehrke im Jahr 2013.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 60, 12/2013.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 61, 04/2014.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 62, 08/2014.
  • Kurzgeschichte und Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 63, 11/2014.
  • Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 64, 04/2015.
  • Kurzgeschichte und Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 67, 04/2016.

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