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Lory's Dracula: Draculas Disciple

Lory's DraculaDraculas Disciple

Graf Dracula ist die Figur des Vampirs schlechthin und diente als Vorlage für zahllose Filme, Romane und Kurzgeschichten. Wie bei Sherlock Holmes und den Drei Musketieren ist der Wiedererkennungswert beim Publikum sofort gegeben. Da ist es eigentlich kein Wunder, dass die Redaktion des »Vampir Horror Roman« auf der Suche nach Material für ihre neue Taschenbuchreihe »Vampir Horror Taschenbuch« eine amerikanische Serie über den untoten Blutsauger aus Transsylvanien einkaufte, die kurz zuvor 1973 auf den Markt gekommen war.

Draculas DiscipleBand 8 der "Dracula Horror Series" aus dem Jahr 1975 fand bei der Redaktion von Pabels Vampir Horror Taschenbuch keinen Anklang und wurde genau wie die Nummer 6 nicht angekauft.

Diesmal geht es nach Ägypten. Professor Tarraf entdeckt bei Ausgrabungen den Tempel des mysteriösen Apef, der Schlange des Todes. Sein Student Mahmoud findet ein rotes Tongefäß und lässt es fallen. Ein grüner Dunst dringt aus den Splittern in ihn ein, und er rastet aus. Sofort stürzt er sich auf seinen Kollegen Hashim, der gerade eine goldene Schale gefunden hat. Bevor er ihn erwürgen kann, wird er von der Studentin Samiha erschossen. Und der grüne Dunst wechselt zu Hashim, ohne dass es jemand mitbekommt.

Aus dem Gefäß entkommen ist der Geist von Herak. Nachdem er 6000 Jahre gefangen gewesen war, nimmt sich Herak/Hashim erst das Blut von Samiha für seine Magie, dann belebt er die mumifizierte Leiche von Mahmoud und macht sie zu seinem Sklaven, bevor er erst einmal verschwindet.

Der Professor wendet sich an seinen alten Freund Thorka, der wiederum seinen Freund Professor Harmon zu Hilfe ruft. Wie sich im Laufe der Handlung herausstellt, hatte Graf Dracula in der Vergangenheit einen Zusammenstoß mit Herak. Ursprünglich war Herak einer seiner Schüler, während er mithilfe des gehorteten Goldes eine Waffe gegen die Alten Götter schmiedete, die sich auf dem Planeten des Blutes befinden. (Entweder eine eigene Dimension oder tatsächlich ein Planet, man weiß es nicht.) Aber der machthungrige Herak nahm auf eigene Faust mit den Alten Göttern Kontakt auf. Er versaute es und landete zur Strafe als Gefangener in dem Gefäß. Natürlich kann Dracula seine Rückkehr nicht zulassen. Also verlängert er mal wieder den Waffenstillstand mit seinem Peiniger Harmon.

Bevor das Harmon-Team nach Ägypten aufbrechen kann, schneit aber Harmons Nichte Jenny ins Haus und ertrotzt sich die Teilnahme an der Reise. Ausgrabungen in Ägypten sind ja so cool. (Ach ja, die 70er.) In der Zwischenzeit hat Herak sich in einem Anwesen in der Nähe der Ausgrabungsstätten niedergelassen, einen frischen Körper übernommen, die meisten Mitglieder der Familie von seinen mittlerweile zwei mumifizierten Sklaven (Mahmound und Hashim) erwürgen lassen und nur die jungen Töchter verschont. Er braucht ihr Blut für seine Magie, denn er will erneut versuchen, die Alten Götter zu kontaktieren. Dummerweise braucht er aber das Blut einer Jungfrau, doch so etwas ist 1975 schwer zu finden. Herak kann die neue Zeit einfach nicht begreifen und ist frustriert.

Bevor sich das Harmon-Team, dem sich Professor Thorka anschließt, mit Dracula in der Kiste im Ausgrabungslager einrichten kann, werden sie zur Polizei zitiert, die die Todesfälle untersucht. Da Harmon Dracula nicht traut und Jenny während des Besuchs bei der Polizei im Lager zurückbleibt, weigert er sich trotz Ktaras Drängen, dem Vampir in seiner Abwesenheit den Pfahl aus dem Herzen zu ziehen. Prompt wird das Lager ungehindert von Herak überfallen, der sämtliche Studentinnen unter seine geistige Kontrolle bringt und entführt. Jenny eingeschlossen. Dabei stolpert er über den Sarg mit seinem alten Meister und erfährt so von dessen Anwesenheit. Um zusätzliches Personal für seine Truppen zu haben, befreit er mit seiner Magie ein paar Mumien aus ihrem Sarkophag und macht sie zu seinen Kriegern.

In der Villa bereitet er sein nächstes Ritual vor. Zu seiner Freude entpuppt sich ausgerechnet Jenny, das amerikanische Mädchen von Nebenan, noch als Jungfrau, also hat er endlich das nötige reine Blut. Er macht sie zu seiner Handpuppe und steckt sie erst einmal in die passende ägyptische Sklavenkleidung.

Natürlich ist der Professor außer sich über die Entführung und schickt sofort Dracula los. Aber der Vampir kommt zu spät. Herak hat sein Domizil bereits mit vielen Kreuzen schützen lassen. Dracula kommt nicht rein. Also brechen im hellen Tageslicht Cameron Sanchez und Ktara auf, um mal wieder den Weg freizumachen. Das geht natürlich schief, und nachdem Cameron ein paar der untoten Helfer vernichten kann, gerät er in Heraks Gefangenschaft.

Während des Angriffs versucht Herak gerade mit dem Blut des nächsten Mädchens Kontakt aufzunehmen. Die fremdbestimmte Jenny muss sie schneiden und das Blut in die goldene Schale fließen lassen. Wieder klappt es nicht richtig, denn wieder hat Herak keine Jungfrau vor sich liegen. Außer sich befiehlt er Jenny sie zu töten, die sich aber gegen die Beeinflussung wehrt. Abgelenkt von dem Angriff lässt Herak sie erst einmal damit durchkommen und erdolcht sein Opfer selbst, bevor er Cam ausschaltet. Allerdings kann Jenny einen kurzen Blick in die Goldschale werfen und bekommt das Abbild eines grausigen Monsters mit. Offenbar ist der Planet des Blutes mit den Alten Göttern, die Atlantis zerstört haben, bereits wieder nahe.

Als Harmons Helfer – mal wieder – aus der Ohnmacht erwacht, ist er – mal wieder – an der Wand angekettet. Herak, der nicht nur Menschen geistig beherrscht, sondern auch Gedanken lesen kann, ist durchaus angetan von Cams kampfgestählten Körper und plant, ihn später zu übernehmen. Ktara kommt ungehindert hinzu; sie kann Herak nichts tun, da sich ihre Kräfte gegenseitig behindern. Herak informiert sie in Bondschurkenmanier darüber, dass er Cam am Abend auf dem Dach an ein Kreuz binden wird, dem Kreuz aus Blut, um ihren Meister abzuwehren. Dann schickt er sie mit der Botschaft nach Hause.

Also wird Cam auf dem Dach an ein Holzkreuz gefesselt, und Jenny fügt ihm gehorsam viele Schnittwunden zu, damit er langsam verblutet. Dann geht sie zu ihrem neuen Meister, der gerade den nächsten gescheiterten Versuch hinter sich hat. Wieder keine Jungfrau. Jetzt ist Jenny als Blutspenderin dran.

In der Zwischenzeit trifft Harmon seine Vorbereitungen. Er lässt von seinem alten Freund Thorka das zerstörte Tongefäß restaurieren – sprich die Splitter zusammenkleben -, was dem eine Begegnung mit Dracula beschert, als der Vampir es abholt.

Während Herak mit Jennifers Blut in der goldenen Schale erfolgreich die Alten Götter beschwört und sie als das benötigte Opfer nach der Kontaktaufnahme bereithält, greift Harmon zum Scharfschützengewehr. Er zerschießt Camerons Fesseln und befreit ihn vom Kreuz. Alle einschließlich Dracula stürzen sich auf Herak. Harmon, den Herak dank der Stahlplatte in dessen Kopf nicht wahrnehmen kann, ist das As im Ärmel; nachdem der alte Professor auf dem Bauch in den Raum kriecht, kann sein Schuss die Blutschale lange genug aus dem Gleichgewicht bringen, dass der Kontakt mit den Alten Göttern gestört wird. Am Ende verliert Herak auch sein letztes Kreuz, als Cam sein Gewand in Brand steckt. Und Dracula saugt seinem geliehenen Körper erst einmal das Blut aus, bevor er den Geist wieder in das Tongefäß steckt.

Bewertung:
Warum Pabel auf diesen Band der Serie verzichtete, wird ein Rätsel bleiben. Von einigen Kritikern wird der Roman zu den besseren des Zyklus gezählt. Zwar kann man das differenzierter sehen, denn im Grunde ist der Plot der Gleiche wie im Vorband, aber so etwas dürfte kein Argument für Pabels Auswahl gewesen sein. Wäre es danach gegangen, würde die Hälfte der Beiträge nach Band 50 auf den Prüfstand gehören. (Vom Dämonenkiller ganz zu schweigen.)

Wieder geht es um eine Altlast aus Draculas Vergangenheit, wieder geht es um die Alten Götter, wieder verbarrikadiert sich der Böse hinter Kreuzen, wieder nervt Jennifer, wieder wird Cameron gefangen genommen, um am Ende dann letztlich doch den Tag zu retten. Auch wenn der Voodoomann in Band 5 kein alter Feind des Vampirgrafen war, wurde hier das Handlungsschema etabliert. Und es nun zum vierten Mal in Folge zu lesen, ist wenig originell.

Auch aus der Kulisse Ägypten macht der Autor nicht viel. Trotz Ausgrabungen und Mumien sind die Bezüge zur ägyptischen Mythologie doch oberflächlich und auf den Anfang beschränkt, alles konzentriert sich auf das Dracula-Universum, um es mal so zu nennen. Wenigstens darf der Leser dank Jennifer und später Cameron beim Endkampf einen Blick auf die Alten Götter werfen, was zumindest diesen Teil der Geschichte vorantreibt.

Warum der Band bei Pabel keine Gnade fand, darüber kann man nicht mal spekulieren. Die Gewalt hält sich im Rahmen, da ist nichts, was man an "Stellen" nicht hätte rauskürzen können. Vielleicht war es ja das Jungfrauenblut beziehungsweise sein Fehlen, das hier zum Running Gag wird – auch wenn die Tatsache, dass ausgerechnet Jennifer die einzige Jungfrau ist, schon damals bei der Leserschaft vermutlich nur zu einem heftigen Augenrollen getaugt hat -, das der Redaktion nicht gefiel, aber so in der Geschichte verwoben ist, dass es sich dann doch nicht streichen ließ. Auch wenn dieser rückwärtsgerichtete Verdacht sehr Zwanziger Jahre – der Zweitausendzwanziger, wohlgemerkt – ist mit ihren häufig idiotischen kulturellen Befindlichkeiten, von der neuen Prüderie bis zur Nippelphobie.

Vielleicht war es auch Cameron am Kreuz, was als bedenklich gesehen wurde und sich ebenfalls nicht entfernen oder abschwächen ließ. 1976 ging das Theater mit dem Jugendschutz so richtig los, und Kreuz und Jungfrauenblut waren möglicherweise zu viel des Guten. Wir wissen es nicht.

Auch wenn der Roman nicht besonders aufregend ist, dafür aber ziemlich vorhersehbar, ist er immerhin kompetent geschrieben. In manchen Szenen weiß Lory wie immer zu gefallen. Ein Großteil der Geschichte wird aus Heraks Sicht geschildert, statt in öder Exposition von Ktara souffliert zu werden, die knappe Szene, in der Thorka zum ersten Mal Dracula begegnet, ist tatsächlich sehr atmosphärisch gelungen und sogar gruselig – seien wir ehrlich, abgesehen vom Vampir als solchen ist die Serie schon lange mehr Fantasy als Horror, falls man sie überhaupt jemals als Horror bezeichnen konnte -, und Harmon als Scharfschütze, der Cameron mit Ktaras Hilfe vom Kreuz schießt, ist eine nette Idee und mal was Neues. Und im Gegensatz zu dem doch sehr herkömmlichen Geraufe mit den fremdgesteuerten Sklaven im Rheinschloss in Originalband 6 ist der Endkampf hier wirklich spannend inszeniert und geschrieben. Das können auch die mittlerweile zu vertrauten Elemente nicht verderben.

Insofern ist es schade, dass dem deutschen Leser der Band vorenthalten blieb. Immerhin brachte man den nächsten, aber ob zu der Zeit schon klar war, dass das der letzte Roman sein würde und die Serie in Amerika nicht fortgeführt wird, wird ebenfalls offenbleiben.

Das Original:
Dracula's Disciple
The Dracula Horror Series #8
Robert Lory
Copyright 1975 by Lyle Kenyon Engel
(April 1975)
179 Seiten
Pinnacle Books, New York

Kommentare  

#1 Toni 2020-03-09 17:58
So langsam muss sich Dracula doch an seine neuen "Arbeitgeber" gewöhnt haben. Zumindest kommt er mit Harmon (Helsing) ganz schön rum.

Da ich gerade das Original (oder so, Klingervariante) lese, oder zumindest versuche, bin ich immer noch im Thema Scharfzahn. Mittlerweile ist mir dort die Spannung etwas abhanden gekommen und ich finde sogar die Randbemerkungen erfrischender...dagegen sind Gaslicht-Romane teilweise der reine Splatter. Okay, man muss sich darauf einlassen - was mir aber nicht immer ganz gelingt. Lory macht`s einen da einfacher :-)

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