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Eine Mischung aus Tristesse und weiter so - Der Abstieg John Sinclairs geht weiter

Geisterjäger John Sinclair - 2000 und läuftEine Mischung aus Tristesse und weiter so
Der Abstieg John Sinclairs geht weiter

Eines vorneweg: Hier geht es nicht um Verkaufszahlen. Wie könnte es auch, sie sind nicht bekannt. Außerdem sind sie mir völlig egal. Ich habe nichts von Verkaufszahlen, wenn ich einen Roman lese. Er wird dadurch nicht besser und nicht schlechter. Mich interessiert allein die Qualität und ...

... doch dazu später mehr.

EngelWenn ich das Sinclair-Jahr 2018 Revue passieren lasse, bleibt Ernüchterung. Von den Hoffnungen, die mich einst beim Einstieg der neuen Autoren erfüllten, ist nichts geblieben. Gestartet ist Sinclair in 2018 mit drei schweren Hypotheken: Er hatte eine absolut enttäuschende Nummer 2000 im Rücken, die so öde war, dass ich sie nach zwei Dritteln zur Seite legte und nie zu Ende las. Autor: Jason Dark.

Zweitens einen frühzeitig beendeten Eminenzen-Zyklus, der das Aus der Neu-Autoren-Zusammenarbeit markierte und die Zamorraisierung Sinclairs einläutete. Will heißen: Jeder Autor und Schreiber macht künftig sein eigenes Ding. Ist ja auch viel bequemer als ein gemeinsamer Plot, an dem jeder beteiligt ist.

Drittens die fatale Wiederbelebung des verstorbenen Charakters Sheila Connolly. Nicht falsch verstehen: Die Ermordung Sheilas durch Ian Rolf Hill hielt und halte ich für grundfalsch. Indem man sie wieder von den Toten auferstehen lässt, wird es allerdings nur noch schlimmer. Die Serie gibt sich der Lächerlich- und Beliebigkeit preis. Mittlerweile wird so oft gestorben und wiedergeholt, was juckt es da noch, wenn jemand draufgeht. Emotional berührt das nach dem Fall Sheila nicht mehr. Da wurde der Bogen einfach überspannt. Aber darin ist Ian Rolf Hill alias Florian Hilleberg ja ein Meister.

Jersey DevilDas, was nun im vergangenen Jahr ab JS 2060 folgte, ist eine Mischung aus Tristesse und Weiterso. Da wäre zunächst der liebevoll als Altmeister titulierte Serienerfinder und ehemalige Haupt- und Einzigautor Jason Dark. Der Mann ist Mitte siebzig, haut neben einem Taschenbuch 16 Romane raus und blamiert sich mit jeder einzelnen Publikation. Wo ist da die moralische Sorgfaltspflicht eines Verlages, der sagt: „Du kannst es nicht mehr. Das ist nicht gut genug. Du demontierst dich selbst.“? Ja, ja, Markt und Moral passen nicht zusammen. Aber wie gesagt: Es interessiert mich nicht. Für den Markt schreibe ich hier nicht. Dessen Anwälte könnt ihr in den Managerbüros und auf dem Börsenparkett finden.

Kurzum, Jason Dark hat auserzählt. Das ist in Anbetracht seines Lebenswerkes und seines Alters nicht tragisch. Nur dass er es nicht merkt, das ist es ...

Bleiben noch 36 Romane für die Neuen übrig, in denen vielleicht mehr als nichts passiert. Leider kann ich mich des Eindruckes nicht erwehren, dass unter der Gruppe jener Schreiber so einige sind, die eigentlich gar keinen Bock auf Sinclair haben. Kein Interesse. Kein Engagement. Da wäre zunächst Michael Breuer, der mit 1 fetten Roman - einem Filler - zu Buche schlägt. Schon längst hatte er seine Eigenkreation, den wirklich guten Charakter Alexandra, an Hill abgetreten. Sein zweiter, der Schwarzmagier Sakret, wartet seit dem Ende der Eminenzen Anfang 2017 auf einen weiteren Auftritt.

Ein Geschenk der HölleEs folgt Alfred Bekker, der bis heute keinen einzigen Roman von Serienrelevanz geliefert hat und ebenso mit 1 Roman in 2018 mehr oder eher weniger dabei ist.

Logan Dee konnte man während der Mehrbelastung durch die Serie Dark Land einen geringeren Output verzeihen, doch auch nach dem Aus des Anderswelt-Experiments bleibt es um ihn still. Dass er die Kapazitäten hat, regelmäßig Beiträge zu liefern, hat er dort bewiesen, doch der Wille ist anscheinend nicht vorhanden. So bleibt es auch hier bei 1 Roman für 2018.

Daniel Stulgies schießt mit 0 Heften den Vogel ab. Wer auf die Fortsetzung des Ian-Plots gewartet hat, stand auf verlorenem Posten. Nun, er hatte sicher keine Zeit, im Laufe 2er Jahre (2017 ebenfalls kein Roman von ihm) etwas zu Papier zu bringen. Für die Convention im Herbst konnte er sich allerdings einen ganzen Tag freimachen ...

EngelssturzDiesem krassen Fehl-Verhalten steht eine Omnipräsenz Ian Rolf Hills gegenüber, der sämtliche Plots an sich reißt. Seit seinem ersten Roman scheint er sich auf einer Art Mission zu befinden: Die Serie nach seinem Gutdünken völlig umzuschreiben. Dabei wird mit vollen Händen in die abgeschlossenen Bereiche der Serienvergangenheit hineingegriffen und umgedichtet und umgeschrieben, was das Zeug hält. Neben dem altklugen, lexikalischen Stil, der einem in jedem Hill-Heft nur so um die Ohren schwirrt, werden die Seiten mit so viel Action, Querverbindungen, reaktivierten Minirollen und körperlichem wie psychischem Pein für die Hauptcharakter angefüllt, dass mir ganz übel von dieser zusammenphantasierten Brühe wird.

Der Weg ins entrückte LandDas Ganze ist billigste Kost eines fanatischen Fans, der nicht nur qualitative Ödnis und unendliche Langeweile produziert, sondern - und hier komme ich zu dem Zweiten, das mich interessiert - auch schamlos Dominanz über jeden Aspekt der Serie ausübt. Wer glaubt, dass Nimmersatt Hilleberg damit zufrieden sei, sich Morgana Layton als Charakter zu krallen, irrt. Den Eminenzen-Strang alleine zu beenden, irrt. Die Bumerang-Sache zu lösen, irrt. Das Schwert des Salomo zu vernichten, irrt. Den Rasputin-Strang zu übernehmen, irrt. Die China-/Shao-Plots zu bringen, irrt. Avalon und Nadine Berger sein eigen zu nennen, irrt. Einen Psychonauten-Strang zu spinnen, irrt. (Usw, usw.) Er holt sich auch noch schamlos Matthias und Justine Cavallo und erledigt mal schnell die Themen Blutstein und Dracula II. Dabei erklärt er die Vampirin mal schnell zur gespaltenen Persönlichkeit, weil Dark in seiner Wirrheit nicht mehr weiß, was er mit Justine überhaupt soll und will. Da beraubt man den einstigen Serienerfinder also mal glatt der Hoheit über seine Figur, so wie es in den Jahren zuvor schon in anderen Fällen geschah. Warum? Weil man es kann. Und weil Dark keinen Hintern in der Hose hat, rote Linien zu ziehen. Warum nicht? Weil er auserzählt ist und er keinerlei Vision mehr für seine Figuren hat. Weil er längst aufhören sollte, aber es nicht tut. Das ist das Dilemma der Serie.

Und was ist meines? Dass die gesamten Themen, die mich interessieren und die ich gerne weitergesponnen hätte, AUSSCHLIEßLICH von Hilleberg behandelt werden. Während ein Oliver Fröhlich sich in einem selbst erfundenen Thogan-Strang verrennt, der mich nicht die Bohne schert, und Marc Freund und Timothy Stahl einen belanglosen Monster-of-the-week-Füller ohne Beteiligung von Serienprominenz nach dem anderen bringen. Besserung bei alldem: nicht in Sicht.

Roman-Statistik für das erste Quartal 2019:
Ian Rolf Hill  7
Jason Dark  4
Marc Freund 1
Stefan Albertsen

Zu den Abbildungen:
Band 2066 - Die Werke von Nestor Taylor stellen derzeit die einzigen Glanzpunkte der Serie dar. Hier sieht man seine Interpretation der Jersey-Devil-Legende.

Band 2087 - Das Themenspektrum der Jason-Dark-Romane wird immer schmaler. Kreuze und geflügelte Gegner bestimmen die Szenerie ...

das TB - Meist handelt es sich um böse Engel ...

Band 2099 - Natürlich alles ohne Zusammenhang oder Bezug zueinander.

Band 2106 - Diesen Roman konnte Verfasser Oliver Fröhlich nicht allein bewältigen. Es wurde eine Aushilfskraft hinzugezogen.

Kommentare  

#16 VM 2019-05-10 21:20
zitiere Myxin der Magier:

geht es hier nicht um Kritik, die begründet wird,


Der Artikel ist voll von Begründungen. Wer die Argumente nicht zu erfassen vermag, kann sich ja wenigstens die angefügte Romanstatistik ansehen. In welcher Serie (Rhodan?) gibt es ein solches Ungleichgewicht?
(Hinter "Albertsen" gehört noch eine "1".)

Ein weiteres Argument wäre, dass bei JS exakt 0 Frauen mitschreiben. Haben wir so bei Rhodan? Oder wo sonst?
Stattdessen erhielt ein Sexist auf einer Leserseite kürzlich eine umfängliche Würdigung. (Dieser Typ aus dem Gruselromanforum.)


zitiere Myxin der Magier:
auch über Vorgänge geklagt wird, über die die Autorin, meiner Meinung nach, überhaupt keine Kenntnisse besitzt.


Ich weiß nicht, weshalb Stulgies seit über zwei Jahren keinen Roman geschrieben hat. Aber ich weiß, dass es so ist. Darüber schreibe ich. So verhält es sich bei allen anderen Dingen auch.
#17 VM 2019-05-10 21:30
zitiere Myxin der Magier:

Kurz möchte ich nur einwerfen, dass IRH sich die Themen nicht einfach krallt, unter den Nagel reißt oder sonst etwas. Weiter ausführen werde ich zu dem Punkt nicht.


Schade. Aber nicht anders zu erwarten, Oliver Müller.



Mittlerweile hat Fröhlich sein Thogan-Thema übrigens auch Hill überlassen.
Und der JS-Leser wird mit Dark-Land-Themen genervt. Einer Serie, von der ich kein einziges Heft gelesen habe. Was soll sowas?
#18 Schwarzbart 2019-05-11 01:14
@VM:

Gut, danke für die Antworten. So ganz unterschiedlicher Meinung sind wir da wirklich nicht. Lediglich die Rolle von IRH bewerten wir minimal unterschiedlich. Ich wollte ihn auch keinesfalls in den Himmel heben.
Mein Hauptkritikpunkt ist aber Jason Dark - das geht einfach gar nicht mehr. Das hat in meinen Augen auch nichts, aber auch gar nichts mit seinem Alter zu tun. Seine Stories sind wirken schludrig runtergeschrieben und teilweise ungewollt lustig, gerade was die Dialoge angeht.

Da würde ich gerne nochmal IRH oder auch Rafael Marques anführen - neben der (berechtigten) Kritik an Hill muss ich persönlich aber sagen - von der Schreibe her fühlen sich diese beiden Autoren für mich wie der "gute,alte" Dark an. Natürlich nicht zu 100% und natürlich aus dem Jahr 2019 betrachtet.

Was die anderen Punkte angeht, müsste man aber ja wohl auch mal die Redaktion ansprechen. Dort laufen ja nun alle Fäden zusammen. Und so wie ich Dich in dem Artikel verstanden habe, sehen wir da ähnliche Probleme. Auch die Sache mit dem "umschreiben" des Kanons und der "Hillisierung" sind ja letztendlich dort zu suchen. Vielleicht wäre dort ja auch mal ein "Change" angesagt. Der Übergang von "Dark schreibt alleine" hin zu "Dark schreibt einen Sinclair pro Monat" ist vollzogen. Zu mehr taugt der Redakteur aber meiner Meinung nach nicht. Wer außer dem "Lektor" soll denn die Autoren führen?

Nochmal zu IRH: Es fällt ja schon auf, dass er gefühlt jeden zweiten Roman schreibt. Hier sei doch auch mal die Frage erlaubt: Wollen oder dürfen die anderen Autoren nicht mehr schreiben? Verbietet das der Redakteur, oder ist Hill einfach schneller?
#19 JS-Leser 2019-05-13 11:50
@VM: der JS-Roman Nr. 2005 wurde u.a. von Frau Madeleine Puljic geschrieben... natürlich sind die Damen der schreibenden Zunft sehr unterrepräsentiert, aber das sind sie in anderen Tätigkeitsfeldern auch. Auch entgeht mir leider die Sinnhaftigkeit dieser Aussage (ich meine die mit den 0 Frauen...). Es steht Ihnen aber frei, sich bei Bastei als Autorin für John Sinclair zu bewerben.
Frohe Woche allerseits.

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