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Sternträumers Tops & Flops 6: Terry Brooks - Das Schwert von Shannara

Sternträumers Tops & FlopsSternträumers Tops & Flops Folge 6:
Terry Brooks: Das Schwert von Shannara

Seit 50 Jahren ist phantastische Literatur in allen Ausprägungen mein bevorzugter Lesestoff. Werke, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind, darf ich Ihnen in dieser Serie vorstellen.

Dies können sowohl aus den Tiefen meiner Bücherschränke ausgegrabene Schätze als auch bemerkenswerte Neuerscheinungen sein.

Dabei überwiegen natürlich Werke, die mir gefallen, aber auch einige Verrisse werde ich Ihnen nicht ersparen.

Der Wilhelm Goldmann Verlag war bereits seit 1960 neben Heyne der führende Verlag Deutschlands in Sachen Publikation von Science Fiction-Stoffen. Im Jahr 1977 verstörte er einige Kritiker dadurch, dass er begann, in seiner SF-Taschenbuchreihe auch Fantasy-Stoffe zu bringen. Denn bis dahin hatte Goldmann sein Programm deutlich für Liebhaber technisch-naturwissenschaftlicher SF ausgerichtet. Man hatte jedoch erkannt, dass Fantasy immer populärer wurde und wollte den Markt nicht kampflos der Konkurrenz überlassen. Die ersten Fantasy-Romane, die herausgebracht wurden, waren Lin Carters Serie um den lemurischen Barbarenkönig Thongor, Thomas Burnett Swanns mythologische Geschichten sowie Das Schwert von Shannara von Terry Brooks, das aus Umfangsgründen auf drei Bände gesplittet wurde. Heute würde dieser Roman, der bei weitem nicht so umfangreich war wie viele der heutzutage produzierten Ziegelsteinromane, gleich in einem Band erscheinen, und die aktuell lieferbare Ausgabe ist auch einbändig. Aber in den siebziger Jahren gab es im Phantastik-Bereich noch kaum Bücher mit mehr als 300 Seiten, und die Romanhefte hatten ihre führende Marktposition noch nicht ganz abgegeben. Die Neuausgabe von Frank Herberts Wüstenplanet war der Bahnbrecher, dem weitere umfangreiche Bücher folgten.

Terry BrooksUm die in der folgenden Inhaltsbeschreibung zahlreich enthaltenen Anspielungen zu verstehen, sollte man Tolkiens Herr der Ringe einigermaßen gut kennen. Der Druide Allanon kommt ins Gasthaus der Ohmsfords im Schattental. Er sucht den Halbelfen Shea auf, welcher von den Ohmsfords adoptiert und als Bruder Flicks aufgezogen worden war. Er erzählt ihm, dass er der letzte Nachkomme des legendären Elfenkönigs Jerle Shannara ist, der vor Jahrhunderten gemeinsam mit dem Druiden Brimen im Zweiten Krieg der Rassen einen verzweifelten Kampf gegen den Dämonen-Lord Brona, einen abtrünnigen Druiden, geführt hatte. In diesem Krieg standen sich die Heere der Menschen, Elfen und Zwerge auf der einen Seite und die der Gnome und Trolle auf der anderen Seite gegenüber. Brimen hatte als Waffe gegen den Dämonen-Lord ein mächtiges Schwert geschaffen. Im finalen Kampf verschwanden Brimen und Brona spurlos. Nun ist der Dämonen-Lord aber zurückgekehrt und will erneut die Macht über die Welt antreten. Nur der Erbe des Hauses Shannara kann gegen ihn das legendäre Schwert erheben, um ihn zu stoppen – das ist einzig und allein Shea! Allanon muss Shea wegen eines dringenden Anliegens verlassen, hinterlässt ihm aber drei Elfensteine als Hilfsmittel für den äußersten Notfall und eine Nachricht, dass er nach Culhaven fliehen soll, denn die Häscher des Feindes suchen bereits nach ihm:

Stumm vor Schrecken hob Shea den Kopf zur Fensterbrüstung und schaute hinaus in die Nacht. Er sah das Wesen fast augenblicklich - eine riesige, schreckliche, schwarze Erscheinung, halb geduckt, schleppte sich langsam durch die Schatten der Gebäude auf den anderen Seite des Gasthofs, den Buckelrücken bedeckt von einem Mantel, der sich wölbte und langsam blähte, als ob darunter etwas dagegenstieß und pulsierte. Das grausige Rasseln seines Atems war selbst aus dieser Entfernung deutlich vernehmbar, und die Füße erzeugten ein sonderbares scharrendes Geräusch. Shea umklammerte das Fensterbrett, den Blick auf die sie nähernde Erscheinung gerichtet, und im gleichen Moment, in dem er sich unter dem halboffenen Fenster duckte, sah er deutlich einen Silberanhänger in Form eines funkelnden Totenschädels.

Zitiert aus: Terry Brooks: Das Schwert von Shannara. München 1977, Goldmann SF 23268

Nein, es ist nicht die Szene aus dem Herrn der Ringe, wo die Hobbits in Bree im Gasthaus zum tänzelnden Pony von den Schwarzen Reitern überfallen werden! Zusammen mit seinem Adoptivbruder Flick und dem Königssohn Balinor, den Allanon zur Unterstützung geschickt hat, verlässt Shea das beschauliche Auenland, nein Shady Vale. Sie werden von dem unheimlichen Wesen verfolgt, das auf einem riesigen schwarzen Flugtier reitet, welches grässliche Schreie ausstößt, die durch Mark und Bein gehen. Nein, es ist nicht das Reittier eines Nazguls, sondern nur das eines Schädelträgers. In der Stadt Leah stößt der dortige Königssohn Menion Leah zu ihnen, ein enger Freund Sheas. Er kann sie durch seine gute Ortskenntnis auf ihrem weiteren Weg führen. Sie geraten in einen Nebelsumpf, in dem Überreste verunglückter Opfer liegen – nein, es sind nicht die Totensümpfe. Tentakel greifen aus dem Sumpf nach Shea, nein, es ist nicht der Wächter an der Westpforte von Moria. Nach einer gefährlichen Wanderung durch das Land der Schwarzen Eichen verlieren sie Menion, der beinahe von den Wurzeln eines Baumes in das Innere gezogen wurde – nein, es war nicht der Alte Weidenmann.

Terry BrooksNach Erreichen von Culhaven gibt es ein Wiedersehen mit Allanon und einen großen Rat (nicht der von Elrond). Es gibt die schlimme Nachricht, dass Paranor in die Hände des Feindes gefallen ist, die Festung, in der das Schwert von Shannara seit dem Krieg der Rassen in einem Stein verwahrt ist. Eine Gemeinschaft (nicht die des Ringes) zieht aus, um die hoffnungslose Aufgabe zu versuchen, das Schwert zurückzugewinnen und damit den Dämonen-Lord zu besiegen: Shea, Flick, Allanon, Balinor, Menion, der Zwerg Höndel und die beiden Elfenbrüder Durin und Dayel, die Vettern des Elfenkönigs Eventine. Sie überqueren das Gebirge von Wolfgsktaag und werden von einer Horde von Gnomen angegriffen (nein, es sind gottseidank keine Orks). In einer Ruinenstadt müssen sie gegen ein Mutantenmonster kämpfen, dabei derden Shea und Flick vergiftet (nein, nicht vom Dolch des Schwarzen Reiters oder von Kankras Stachel) und schweben in Todesgefahr. Allanon rettet die beiden mit Unterstützung der Heilkunst der Gnomenärzte, eines von den sonstigen bösen Gnomen unabhängigen Volkes. Der Druide führt die Gruppe durch das Grab der Könige. In diesen Höhlen wohnen die Geister der Toten (nein, es sind nicht die Toten, die im Weißen Gebirge hausen). Nach dem Angriff eines Drachen stürzt Shea bei der Flucht in einen reissenden Fluss, der ihn aus den Augen der Gefährten davonträgt. So müssen sie ohne ihren Hoffnungsträger, der von einer Gnomenpatrouille gefangen wird, den Weg zur Festung Parnor fortsetzen. Dort angekommen, werden sie von einem der Schädelträger, der Diener des Dämonen-Lords, entdeckt. Im Kampf gegen ihn stürzt Allanon mit ihm in eine Feuergrube (nein, es ist nicht Gandalfs Sturz in den Abgrund beim Kampf gegen den Balrog in Moria). Doch Allanon ist nicht tot, denn er konnte sich an einer Leitersprosse festhalten. Aber das Schwert können die Gefährten hier nicht mehr gewinnen, denn es wurde von den Schergen des Dämonen-Lords bereits weggebracht. Balinor, Höndel und die die beiden Elfen trennen sich von den anderen, um die Verteidiung ihrer Völker vor dem zu erwartenden Angriff der Armeen des dunklen Herrschers zu organisieren. Allanon, Flick und Menion suchen weiter nach Shea, denn durch eine Beschwörung Allanons wissen sie, dass ihr Freund am Leben ist. Doch was tut sich da im Norden?

Aber im Norden stand eine gigantische emporragende Wand von Dunkelheit vor dem Himmel, als hätten sich alle dräuende Gewitterwolken der Erde vereinigt und aufeinandergetürmt, um eine schwarze düstere Mauer zu bilden. Sie erhob sich in die Luft, bis sie sich in der gewölbten Atmosphäre des Erdhorizonts verlor, und erstreckte sich quer über das ganze rauhe Nordland, riesig, schwarz und grauenhaft – ihr Mittelpunkt das Reich des Dämonen-Lords. Sie schien die gnadenlose, unaufhaltbare Annäherung einer ewigen Nacht anzukündigen.

Zitiert aus: Terry Brooks: Der Sohn von Shannara. München 1978, Goldmann SF 23274

Ist das der Dämmerungslose Tag? Nein, wir sind ja nicht in Mittelerde. Aber die drei verbliebenen Gefährten stoßen bald auf ein riesiges Heer von Gnomen und Trollen, und Allanon schickt Menion nach Callahorn, damit er Balinor und die Seinen vor den Angreifern warnt. Den stämmigen Flick sendet er als Gnom verkleidet in das Lager zum Spionieren, und dieser entdeckt dort tatsächlich den gefangenen Elfenkönig Eventine. Er kann ihn befreien und mit ihm zusammen aus dem Lager fliehen. Vor dem Zugriff der letzten Wachen werden sie vom Druiden gerettet, allerdings ist der Elf schwer verwundet.

Shea wird von einem scharlachrot gekleideten seltsamen Mann aus den Händen der Gnome gerettet. Es ist Panamon Creel, nicht Tom Bombadil, ein Dieb mit einem Riesentroll als Begleiter. Sie nehmen den Gnomendeserteur Orl Fane gefangen (nein, nein, nicht Gollum). Dieser behauptet kreischend zu wissen, wo das Schwert von Shannara ist, als er der Geschichte lauscht, die Shea Panamon erzählt. Bevor sie von ihm nähere Informationen bekommen können, entflieht er. Ergrimmt erkennen die beiden, dass der Gnom in Wirklichkeit in Besitz des Schwertes ist! Sie machen sich auf die Verfolgung und betreten durch die schwarze Wand das Reich der Dunkelheit, in das sich der wahnsinnige Orl Fane geflüchtet hatte. Die Elfensteine retten sie vor dem Abgrund des Todes und leuchten für sie. Shea und seine beiden Reisegefährten treten aus der Schwärze in das trostlose Land des Nordens (nein, es ist nicht Mordor) hinaus.

Terry BrooksBalinor kehrt in seine Heimatstadt Tyrsis zurück, die auf einem Felssporn erbaut ist und von mehreren Verteidigungsmauern geschützt ist (nein, es ist nicht Minas Tirith). Er wird samt den Elfenbrüdern von seinem Bruder Palance gefangengenommen, der vom tückischen Berater Stenmin beeinflusst ist (nein, es sind nicht Theoden und Schlangenzunge) und in der Abwesenheit Balinors die Herrschaft übernommen hat, denn der König ist schwer erkrankt. Ein Befreiungsversuch des Zwerges Höndel scheitert, doch Menion Leah, der die Bewohner der vom Heer des Dämonen-Lords angegriffenen Stadt Kern nach Tyrsis geführt hatte, kann die Gefangenen aus dem Verlies holen. Es ist höchste Zeit dafür, denn Palance hatte unter dem Einfluss Stenmins, der ein Diener des Dämonen-Lords ist, die Verteidigung von Tyrsis vernachlässigt. In Windeseile wird das Versäumte nachgeholt und die Stadt gerüstet, denn das Heer der Nordleute ist im Anmarsch. Die blutige Belagerung von Tyrsis beginnt, eine grausame Schlacht, in der eine zwanzigfache Übermacht gegen die Wälle anrennt. Nach erbittertem Kampf steht die Stadt kurz vor dem Fall, als endlich das Heer der verbündeten Elfen eintrifft und sich das Blatt wendet.

In der Zwischenzeit hat Shea mit seinen beiden seltsamen Gefährten den Schädelberg erreicht, die Festung des Dämonen-Lords. Mit einem Trick dringen sie ein und finden im Verlies Orl Fane, der das Schwert noch bei sich hat, denn niemand hat seinen Wert erkannt. Shea nimmt sein Erbteil in Besitz und erkennt, dass die einzige Macht des Schwertes darin besteht, seinem Träger die Wahrheit zu zeigen. Damit besiegt Shea Brona, denn der Dämonen-Lord ist in Wirklichkeit seit langer Zeit tot und nur durch seine Zauberkünste ist ein körperloser Rest von ihm noch hier, sich verzweifelt an ein unnatürliches Leben klammernd. Der böse Herrscher zerfällt zu Staub, und die Freunde fliehen aus der in einem Erdbeben zusammenbrechenden Festung, zurück in die Freiheit.

Vor einigen Tagen gab es hier im Zauberspiegel eine lebhafte Debatte, bei der sich der Autor eines Artikels zur Behauptung hinreißen ließ, dass man im Gegensatz zu SF für das Lesen oder Schreiben von Fantasy kein Gehirnschmalz benötigen würde. Für diese flapsige Bemerkung hat er zu Recht Widerspruch erfahren, denn ganz so einfach ist es nicht. Natürlich ist es richtig, dass Verfasser von naturwissenschaftlich-technisch orientierter SF (der sogenannte „Hard SF“) solide Kenntnisse in Naturwissenschaften benötigen, oder zumindestens eine Menge Recherchen betreiben müssen, um glaubwürdig zu sein. Deswegen kommt auch ein Roman wie z. B. Proxima von Stephen Baxter so gut rüber, in dem das Leben auf einem Exoplaneten in unserem Nachbarsonnensystem Proxima Centauri geschildert wird. Baxter erzählt dies komplett in Einklang mit den derzeitigen Erkenntnissen der Astrophysiker, wie es auf so einem Planeten aussehen kann, bis zu den verheerenden Auswirkungen der Sonneneruptionen. Aber Vorsicht! Solche Erkenntnisse sind Kinder ihrer Zeit. Deswegen wirken Romane aus den Fünfzigern, in denen die Venus dem damaligen Wissensstand entsprechend als Urweltdschungel geschildert wird, in der sich dinosaurierähnliche Lebewesen tummeln, heute unfreiwillig komisch. Oder man denke an den Klassiker Jules Verne, der seine Helden statt mit einer Rakete mit einem Projektil aus einer Kanone zum Mond schießen ließ, was durch die hohe Anfangsgeschwindigkeit die Raumreisenden in Wirklichkeit zu Brei gedrückt hätte!

Für andere Spielarten der SF sind natürlich andere Kenntnisse notwendig. Ein Alternativweltroman wie beispielsweise Vaterland von John Harris hat auf jeden Fall ein gründliches Studium der Geschichte und insbesondere der Nazidiktatur verlangt. SF lebt vom spannenden „Was wäre wenn“, von einer Idee, von etwas, das es zwar nicht gibt, das aber unter bestimmten Annahmen durchaus vorstellbar wäre. In der Fantasy hat man größere Freiheit, denn hier ist klar, dass es nicht darum geht, es könnte einmal so werden oder es könnte einmal so gewesen sein. Nein, hier geht es „nur“ darum, eine interessante Geschichte mit fantastischen Elementen zu erzählen, die aber den Gesetzen unserer Welt nicht zu folgen braucht. Doch auch eine Fantasy-Erzählung muss bestimmten Regeln folgen, sonst wird sie unglaubwürdig. Intelligente Fantasy-Autoren haben beispielsweise erkannt, dass das Beherrschen von Magie keine grenzenlose Macht verleihen darf, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Die Magie hat Einschränkungen: Entweder hat man nur eine bestimmte Menge an Zaubersprüchen zur Verfügung, oder das Zaubern erschöpft sehr schnell, oder es gibt immer wieder unerwünschte Ergebnisse usw. Das Geheimnis guter Fantasy ist – neben dem Handwerkszeug für das gute Schreiben, das für jede Art von Literatur erforderlich ist – das Weltenbauen. Ein interessanter, stimmiger Hintergrund, in dem sich die Geschichte abspielt. Bestes Beispiel für dieses Weltenbauen ist natürlich die Mittelerde des Fantasy-Übervaters J. R. R. Tolkien. Hier wurde das so weit zur Perfektion getrieben, dass der Autor quasi als Nebenschöpfer tätig wurde. Nicht umsonst beginnt sein Werk in der Aunulindale mit der Erschaffung der Welt, welche der Schöpfer zusammen mit seinen dienstbaren Geistern in einem großen Lied entstehen läßt. Und diese Schöpfung entfaltet sich bis in die kleinsten Details. Die Geografie verändert sich im Lauf der Zeit, es entwickeln sich Völker mit unterschiedlichen Sitten, Gebräuchen und Sprachen. Die handelnden Personen blicken auf eine Jahrtausende alte Geschichte der verschiedenen Völker zurück. Aufgrund der Menge von hinterlassenen Informationen waren andere Autoren sogar in der Lage, elbische Grammatiken und Wörterbücher herauszugeben. Auch ein Epos wie Die Chroniken von Thomas Covenant dem Zweifler, das wegen seiner langatmigen Handlung und der andauernden quälerischen Selbstbeschuldigungen der handelnden Personen eine fast masochistische Leidensfähigkeit der Leser erfordert, hat großen Zuspruch erfahren. Der Grund dafür könnte in seiner liebevoll und detailliert ausgestalteten Welt liegen, dem Land, verbunden mit fantasievoll zusammengestellten Namen wie z. B. der Riesen Ankertau Seeträumer, Grimme Blankehans oder Salzherz Schaumfolger.

Terry BrooksWas soll man jetzt von einem Buch wie Das Schwert von Shannara halten? Gar nichts! Denn selbst wenn wie in diesem Fall die Geschichte ganz gefällig erzählt wird, einfach den Hintergrund des großen Vorbildes schamlos zu kopieren, den Plot zu vereinfachen, die Figuren bloß umzubenennen und wie Karikaturen der Originale agieren zu lassen, teilweise ganze Szenen nachzuerzählen, das ist zu billig. Man vergleiche einmal Gandalf mit Allanon! Brooks hat auf das eigenständige Weltenbauen fast komplett verzichtet. Das einzige Argument gegen die Bezeichnung dieses Machwerkes als Plagiat ist, dass der Autor nicht wortwörtlich abgeschrieben hat. Als Hommage auf den Herrn der Ringe kann man den Roman aber auch nicht bezeichnen. Wie so etwas geht, hat beispielsweise Helmut W. Pesch in seiner gemeinsam mit dem hier im Zauberspiegel nicht ganz unbekannten Co-Autoren Horst von Allwörden verfassten Elderland-Saga mit dem Roman Die Ringe der Macht und der Fortsetzung Die Herren der Zeit gezeigt. Denn hier wurde das große Vorbild ausdrücklich im Vorwort angeführt, und es wurden zwar unverkennbar Versatzstücke wie z. B. das Ffolk verwendet, aber die Handlung entwickelte sich dann durchaus in eine eigenständige Richtung.

Ich habe Das Schwert von Shannara gleich in seiner deutschsprachigen Erstpublikation 1977/78 gelesen und mir damals eine Reihe von Notizen wegen der vielen Parallelen zum Herrn der Ringe gemacht. Seither habe ich die drei Taschenbücher bis zum Verfassen dieses Artikels nicht mehr angerührt und bin überrascht auf meine alten Notizen gestoßen, die ich im letzten Band eingelegt und ganz vergessen hatte. Mein Eindruck von damals hat sich nach dem Wiederlesen nicht verändert. Dass der bei Erscheinen seines Romans dreiunddreißigjährige Autor ein Fan des Herrn der Ringe war, sei ihm natürlich „verziehen“, und dass er weitere ähnliche Geschichten lesen wollte, kann ich auch nur zu gut verstehen. Aber dann das? Sei's drum, viele Leser sind ihm gefolgt, die nicht an eigenständiger Denkleistung interessiert waren, sondern nur nach Lesefutter im vertrauten Strickmuster. So war in den siebziger Jahren Das Schwert von Shannara neben den ebenfalls erwähnten Chroniken von Thomas Covenant jenes Werk, das an der Spitze der ungeheuren Flut von Tolkien-Imitationen und -Epigonen im Taschenbuch-Massenmarkt stand. In den nachkommenden Jahrzehnten kamen weitere Kapitel der Shannara-Saga dazu. Ob diese origineller sind, kann und will ich nicht beurteilen, denn ich hatte keine Lust mehr, zu den weiteren Elaboraten dieses Autors zu greifen.

Terry BrooksBibliografie:

Deutsche Erstveröffentlichungen:

Das Schwert von Shannara (The Sword of Shannara, 1. Teil, 1977)
München 1977, Wilhelm Goldmann Verlag, Goldmann SF 23268

Der Sohn von Shannara (The Sword of Shannara, 2. Teil, 1977)
München 1978, Wilhelm Goldmann Verlag, Goldmann SF 23274

Der Erbe von Shannara (The Sword of Shannara, 3. Teil, 1977)
München 1978, Wilhelm Goldmann Verlag, Goldmann SF 23281

alle übersetzt von Tony Westermayr

aktuell lieferbare Ausgabe in einem Band:

Die Shannara-Chroniken: Das Schwert der Elfen
München 2016, Blanvalet TB 16103


Übersicht aller Artikel:

13.04.2017 Hugh Walker: Welt der Türme
31.08.2017 Manfred Wegener: Arkonidenraumschiff in der Gammafalle
16.11.2017 J. R. R. Tolkien: Die Briefe vom Weihnachtsmann
07.04.2018 Kris Neville: Bettyann - das Mädchen vom anderen Stern
15.04.2018 Die Sternenträume des Cordwainer Smith
26.04.2018 Terry Brooks: Das Schwert von Shannara
20.12.2018 J. R. R. Tolkien: Der Fall von Gondolin

 

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2018-04-26 12:59
Ich habe die Romane nie gelesen, und auch nur eine Folge von der öden Fernsehverfilmung gesehen, aber wurde das Konzept nicht später zur Post-Doomsday-Geschichte umgestrickt?
#2 Heiko Langhans 2018-04-26 14:18
Ja.
#3 Henry Stardreamer 2018-04-27 11:30
zitiere Andreas Decker:
Ich habe die Romane nie gelesen, und auch nur eine Folge von der öden Fernsehverfilmung gesehen, aber wurde das Konzept nicht später zur Post-Doomsday-Geschichte umgestrickt?

Korrekterweise muss man ergänzen, dass die Past-Doomsday-Geschichte bereits im ersten Band angedeutet wird, als Allanon Shea die Vorgeschichte erzählt.
#4 Andreas Decker 2018-04-27 12:19
zitiere Henry Stardreamer:
zitiere Andreas Decker:
Ich habe die Romane nie gelesen, und auch nur eine Folge von der öden Fernsehverfilmung gesehen, aber wurde das Konzept nicht später zur Post-Doomsday-Geschichte umgestrickt?

Korrekterweise muss man ergänzen, dass die Past-Doomsday-Geschichte bereits im ersten Band angedeutet wird, als Allanon Shea die Vorgeschichte erzählt.


Aha. Macht es auch nicht wirklich interessanter :lol:

Ich gebe übrigens völlig recht. Ein Großteil der Faszination liegt weniger im Plot als vielmehr in der Weltenschöpfung mit ihrer Namensgebung.
#5 Andreas Decker 2018-04-27 12:31
Zitat:
zitiere Henry Stardreamer:

Zitat:
zitiere Andreas Decker:

Ich habe die Romane nie gelesen, und auch nur eine Folge von der öden Fernsehverfilmung gesehen, aber wurde das Konzept nicht später zur Post-Doomsday-Geschichte umgestrickt?
Korrekterweise muss man ergänzen, dass die Past-Doomsday-Geschichte bereits im ersten Band angedeutet wird, als Allanon Shea die Vorgeschichte erzählt.
Aha. Macht es auch nicht wirklich interessanter :lol:

Ich gebe übrigens völlig recht. Ein Großteil der Faszination liegt weniger im Plot als vielmehr in der Weltenschöpfung mit ihrer Namensgebung.

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