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Flugsalbe, Wiedergänger und emanzipierte Frauen - Karl Mays Magischer Orient II

Karl Mays magischer OrientFlugsalbe, Wiedergänger und emanzipierte Frauen
Karl Mays Magischer Orient II

»Alexander Röder hat mit seinen Romanen einen magischen Orient entwickelt, der Karl Mays vertraute Abenteuerfiguren in zeitgemäßer Sprache und mit neuen aufregenden Erlebnissen dem All-Age-Publikum von heute nahebringt.« (Phantastische Bibliothek Wetzlar)

Es geht weiter in Karl Mays magischem Orient.


Alexander Röder legt mit "Der Fluch des Skipetaren" den zweiten Teil der Reihe vor.

Karl Mays magischer OrientDer Autor
Wer ist eigentlich dieser Alexander Röder? Er wurde 1969 in Kassel geboren und studierte Germantistik, Medienwissenschaften und Ethnologie. Heute lebt er in Marburg. Er arbeitet als freier Autor und hat etliche phantastische Erzählungen in Anthologien beigesteuert. Sein Roman "Der Mönch in Weimar" stand 2014 auf der Shortlist des SERAPH. Dieser historisch-phantastische Titel schildert die Begegnung von Goethe mit dem dem Gothic-Novel-Autor M.G. Lewis.

"Im Sommer 1792 trifft der junge, unerfahrene Engländer Matthew Gregory Lewis im beschaulichen Residenzstädtchen Weimar ein. Freundlich aufgenommen, erlebt er anfangs heitere Tage. Sogar der Geheime Rat Johann Wolfgang von Goethe nimmt ihn großmütig unter seine Fittiche und lädt ihn zu einem abenteuerlichen Ausflug in die Bergwerke von Ilmenau ein. Doch plötzlich tun sich hinter den Fassaden Weimars Abgründe auf. Unvermittelt findet sich Lewis in einem Gewirr von Intrigen und Spuk wieder. In düsteren Gassen, unterirdischen Gängen, herrschaftlichen Schlössern und unheimlichen Ruinen gerät er in eine Verschwörung, die sich zum Staatsstreich auszuweiten droht.
Neben Goethe treten auf: Schiller, Wieland, Herder, Novalis, die Herzogin Anna Amalia, ein listiger Geheimagent, ein geschwätziger Schulmeister und ein lebender Toter."

(Ankündigung bei Amazon)

M.G. Lewis war der Autor des Schauerromans The Monk, der 1796 erschienen ist.

Der Fluch de SkipetarenAlte und neue Reisegefährten
Inhaltlich knüpft Alexander Röder an das Ende des ersten Teiles an. In Istanbul erwartet Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar zunächst unbekanntes und ungewohntes Terrain. Auf Empfehlung von Sir David Lindsays nehmen sie an einem Empfang in der britischen Botschaft teil. Und dort passiert es!

"Und in den Saal trat eine einzelne Person. In das vom Zufall geschaffene Schweigen fauchte ein Schwefelholz. Dessen Kopf fing Feuer, die Köpfe der Anwesenden wandten sich um. Ein Schwaden blauen Rauchs stieg auf, als eine schmale Zigarette aufflammte. Dann rauchte die Person. Niemand achtete darauf, wohin das verbrannte Zündholz verschwand, man starrte gebannt auf die Person. Denn sie war - eine Frau!"

(S.25)

Bei dieser Frau handelt es sich um Qendressa Albrizi-Teotochi. Sie ist Exilalbanerin und trägt einen für 1874 unerhörten Kurzhaarschnitt. Außerdem strotzt sie vor Selbstbewußtsein. Kara Ben Nemsi ist sofort fasziniert von dieser Erscheinung.

"Ich gebe zu, dass ich mich über mich selbst wunderte. Ich bin wie erwähnt, kein Salonlöwe und ich bin auch nie ein Glücksritter in amourösen Dingen gewesen. Die Damenwelt habe ich stets geschätzt, aber sie doch nie so erforscht und erkundet wie die wirkliche Welt, die sich unter der Windrose darbietet. Dass ich nun so forsch auf diese Frau zuging, konnte ich mir kaum erklären. Irgendetwas zog mich zu ihr hin, und dies konnte nicht der Drang des Forschers sein."

(S.29)

Die junge Dame begleitet Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar durch die gesamte Geschichte und ist dabei immer wieder für eine Überraschung gut. Als erstes ertappt Kara Ben Nemsi sie bei einem nächtlichen Einbruch in die britische Botschaft samt einer Fassadenklettertour, später werden die Drei unfreiwillige Badegäste in todbringendem Rosenwasser und noch später entpuppt sie sich als Anführerin einer Bande von aufständischen Skipetaren und ist auf der Suche nach den sterblichen Überbleibseln des albanischen Nationalhelden Skanderbeg.

Auf dem Empfang lernt Kara Ben Nemsi auch den Südstaatler Lippard Lee Fontenoy kennen. Der Mann stellt sich als Geschäftsreisender vor, der Märkte und Produktionsstätten für robuste Arbeitskleidung sucht. Er und sein Sekretär Beecher werden auch später noch eine wichtige Rolle spielen.

Von den neuen Figuren aus Röders ersten Band gehört nur noch der türkische Koch Abdi zur Abenteurergruppe um Kara Ben Nemsi. Sir David Lindsay hat diesmal dagegen nur einen kurzen Auftritt zu Beginn der Geschichte, dann macht er sich auf nach England. Auch Scheik Hassim aus dem Geschlecht der Haschemiten hat nur zwei relativ kurze aber wichtige Auftritte. Er ist auf der Suche nach einem Mittel das geflügelte Ross des "Mächtigen" auszuschalten. Auf Djamila, die junge Diebin und Piratentochter, müssen die Leser diesmal sogar ganz verzichten. Auch der "Mächtige" tritt diesmal nicht selbst in Erscheinung.

Dafür baut Röder jede Menge aus den Büchern Mays bekannte Figuren in die Handlung ein. In Istanbul logieren Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar etwa beim Händler Maflei und in Adrianopel wohnen sie beim Buchhändler Ali und seine Frau Ikbala. Später begegnen sie dem Schmied Schimin. Und auch altbekannte Schurken treten wieder in Erscheinung. In Adrianopel gibt es eine Begegnung mit dem geblendeten Hamd el Amasat. Letztlich ist er ein Handlanger des Schuts, der den Abenteurern höchstpersönlich nach dem Leben trachtet. Und auch der Mübarek scheint einen Nachfolger gefunden zu haben.

Karl Mays magischer OrientHandlungsorte
Alexander Röder entführt die Leser wieder an viele exotische Orte, die oft schon aus den Originalbüchern von Karl May bekannt sind. Wie schon erwähnt setzt die Handlung in Istanbul ein. Nicht nur die britische Botschaft, auch der örtliche Hafen werden zum Schauplatz der Handlung. Danach folgen die Abenteurer den Spuren des zwielichtigen Händlers Verde nach Adrianopel, wo es zu einigen Verwicklungen kommt. Eine in den Bergen gelegene Fabrik, eine Räuberhöhle, eine alte Festung, der ehemalige Unterschlupf des Mübarek, und ein altes Grab sind weitere wichtige Handlungsorte.

Kara Ben Nemsi und die Magie
Der bisher so skeptische Ich-Erzähler bekommt es in diesem Band wieder mit einigen magischen Phänomen zu tun. Zu erwähnen sind z.B. die geheimen Bücher in Alis Laden. Die bloße Betrachtung der Bände verursachen bei Kara Ben Nemsi starke körperliche Symptome wie etwa einen bitteren Geschmack im Mund, Taubheit des Gesichtes, brennende Augen oder starkes Halskratzen. In Adrianopel kommt es zur Begegnung mit Hamd el Amsat. Dieser geblendete Mörder hat sich künstliche Augen einsetzen lassen und behauptet, damit wieder sehen zu können. Obwohl er sich überaus geschickt benimmt, geradezu wie ein Sehender, tut Kara Ben Nemsi dies als geschicktes Schmierentheater ab. Und auch dem Schut glaubt er nicht, als dieser erzählt, dass er Dank einer magischen Rüstung, die er unter seinen Kleidern getragen hatte, den tiefen Sturz in die Schlucht überlebt hat. Doch spätestens als er ziemlich gegen Ende des Romans den Einsatz von Flugsalbe beobachten kann, gerät sein Weltbild ernsthaft in Frage.

"Ich hingegen dachte für einen Augenblick daran, dass ich in meinem bisherigen Leben mit einer Art Scheuklappen in die Welt geschaut hatte, weil ich die Magie und den Zauber nicht hatte sehen wollen, obgleich es beides doch überall in Fülle zu geben schien."

(S.475)

Karl Mays magischer OrientMeine Meinung
"Der Fluch der Skipetaren" hat mich wie schon der Vorgängerband "Im Banne des Mächtigen" bestens unterhalten. Die Mischung aus alt und neu, aus Karl Mays Welt und 1001 Nacht gefällt mir ausgezeichnet. Mit Qendressa wurde eine überaus interessante neue Figur eingeführt. Alexander Röder ist aber auch sonst immer wieder für eine überraschende Wendung zu haben. Scheinbar gut eingeführte Figuren - auch Kara Ben Nemsi - werden immer wieder mit neue Facetten ausgestattet. Dazu kommen die kenntnisreichen Verweise auf zeitgenössische Entwicklungen in Wissenschaft, Technik und Kultur, die dem Leser ein Gefühl für die Jahre um 1870-75 vermitteln. So darf es gerne weitergehen.
Der Fluch de Skipetaren
Der Fluch des Skipetaren
von Alexander Röder
Illustration: Elif Siebenpfeifer
480 Seiten
ISBN 978-3-7802-2502-3
Euro 16,99
Karl-May-Verlag 2016

Kommentare  

#1 Rüdiger 2016-12-04 09:16
Ich habe nach wie vor keine Lust diese Bücher zu lesen. Lieber wieder einmal einen originalen Karl May. Und sei es, je nach Buch, vielleicht zum zwanzigsten Mal ...

Kein Bedarf an Neuerungen.
#2 Hermes 2016-12-04 14:47
@ Rüdiger

Das kann und soll jeder selbst entscheiden!

Auch bei Perry Rhodan und Sherlock Holmes gibt es Leser, die mit den neuen Erzählungen (PR NEO, der fantastische Holmes etc) nichts anfangen können, andere dagegen sind begeistert, ja mehr noch entdecken erst durch die neuen Werke die Originale für sich.
#3 Heiko Langhans 2016-12-04 18:32
Hm. Gegen Romane in Karl Mays Welt hätte ich vermutlich nichts - in der dritten Person geschrieben. Ich-Erzählungen aus der Perspektive der bekannten Figuren sind für mich allerdings kein Thema. Karl May hatte einen einprägsamen Stil, der durch Modernisierungen verliert, war auch in seinen nationalen und zwischenmenschlichen Einstellungen ganz seiner Zeit verhaftet. Als überzeugtem Deutschen wäre ihm ein Leihwort wie "amourös" auch nicht aus der Feder geflossen. Von daher ...
#4 Rüdiger 2016-12-04 19:19
zitiere Heiko Langhans:

(1) Ich-Erzählungen aus der Perspektive der bekannten Figuren sind für mich allerdings kein Thema.

(2) ganz seiner Zeit verhaftet.

(3) Als überzeugtem Deutschen wäre ihm ein Leihwort wie "amourös" auch nicht aus der Feder geflossen. Von daher ...


1.) Es gibt welche, die kann man in der Tat vernachlässigen. Aber Franz Kandolf konnte das recht gut. Z.B. der Band "Allah il Alah", eine freie Bearbeitung von May-Text aus dessen Kolportageroman "Deutsche Herzen, deutsche Helden". Oder Heinz Grill. Dessen "Die Schatten des Schah-in-Schah" ist ganz hervorragend.

(2) Ach wo. Ein gängiges Klischee, das gern abgeschrieben wird ...

(3) Trifft nicht zu. Mays Texte waren voller Fremdworte. Die hat man später wegbearbeitet ...
#5 martin baresch 2016-12-06 11:48
Erwähnen könnte man hier noch, dass die Reihe KMMO entwickelt wurde von Thomas Le Blanc, dem verdienten Begründer der Phantastischen Bibliothek Wetzlar, Alexander Röder, der nun die ersten Romane der Reihe vorlegt - sowie einem gewissen Karl-Ulrich Burgdorf, der schon mit W.E.Hohlbein zusammen an dessen Raven-Horrorreihe geschrieben hat. In der ebenfalls bereits erschienenen KMMO-Collection, herausgegeben von LeBlanc, ist auch eine Geschichte Burgdorfs enthalten, die m.E. mucho lesenswert ist.
- Ansonsten teile ich Hermes` Ansicht (Post #2): Gut, dass es mal (wieder) was Neues aus dem Karl May-Universum gibt. Der 2000 veröffentlichte Hadschi Halef Omar-Roman "Die Oase des Scheitans" vom Jörg Kastner war zwar toll geschrieben, wurde vom Karl May Verlag jedoch in einer Art und Weise präsentiert, dass sich jeder KM-Fan verrarscht vorkommen musste. Dasselbe gilt für den Nscho-tschi-Roman "Die Häuptlingstochter", geschrieben von Thomas Jeier.
Hahnebüchen. Da gibt sich der Verlag heute mit der KMMO-Reihe doch sichtlich mehr Mühe, "sein" Stammpublikum und möglicherweise darüber hinaus neue Leserschichten zu erreichen.

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