Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Go West! - 8. Juni 2014

Go WestEine Reise in den ›Wilden Westen‹
8. Juni 2014

Jedes Jahr führe ich zwei kleine Reisegruppen durch den Westen der USA.

Dazu lege ich in Facebook ein Reisetagebuch an, das auch im Zauberspiegel erscheinen soll. Es geht zu legendären Orten des Wilden Westen auf den Spuren von Cowboys, Indianern und eines spannenden Stücks Geschichte. - Folgt mir ...


Go WestEs geht los
Die Tour hat begonnen. Von Denver aus ging es auf Interstate 25 nach Süden. Vorbei an Colorado Springs und Pueblo in den schwach besiedelten Südosten des Staates bis zum Arkansas River. Bis 1846 war dieser Fluß die Grenze zwischen den USA und Mexiko.

Zunächst Spanien, dann Mexiko erhoben Ansprüche auf den gesamten heutigen Südwesten. Zum mexikanischen Staat gehörten damals die heutigen US-Staaten Texas, New Mexico, Arizona, Kalifornien, große Teile von Utah und der Süden Colorados.

Auf Anraten der Cheyenne errichteten die Brüder Charles und Willliam Bent mit Hilfe mexikanischer Handwerker in einer Biegung des Arkansas ihren Handelsposten, komplett aus Adobeziegeln gebaut, in Form einer regelrechten Burg. Das war um 1828. Das Fort war die erste amerikanische Ansiedlung in Colorado.

Die Bents stammten vom Missouri und hatten als Trapper gearbeitet. Sie kannten den Pelzhandel. Sie waren jung und ehrgeizig.

Der Pelzhandel war das erste Multimilliarden-Dollar-Geschäft der Neuen Welt, lange bevor Gold und Silber entdeckt wurden. Das „Braune Gold“ schuf gewaltige Vermögen, wie das des Johann Jakob Astor, dessen Nachkommen noch heute von den Millionen leben, die er im 19. Jh. mit dem Pelzhandel verdiente.

Die Bents besaßen Geschick und Härte. William heiratete eine Häuptlingstochter der Cheyenne und wurde damit selbst einflußreiches Stammesmitglied. Er sicherte sich auf diese Weise den Schutz der Cheyenne vor anderen Indianern.

Charles schlug eine Niederlassung im mexikanischen Taos auf und heiratete in eine reiche mexikanische Familie ein. Damit waren die Handelsbeziehungen beiderseits der Grenze gesichert. Ihr Partner, Ceran St. Vrain, war amerikanischer Konsul in Mexiko. Die besten Voraussetzungen für den Aufbau eines kleinen Imperiums.

Fort Bent wurde zunächst Zentrum für den Biberhandel der Region, zugleich bedeutender Rastplatz für die Handelskarawanen aus Missouri auf dem Santa Fe Trail nach Mexiko.

Wie in jener Zeit üblich, hatte der Handelsposten auch politische und diplomatische Funktionen. Hier trafen sich verfeindete Indianerstämme und verhandelten unter Vermittlung von William Bent über Frieden. Hier trafen sich Vertreter der amerikanischen Regierung und Armee mit den Indianern der Region.

Die Bedeutung William Bents, des „Bourgeois“, wie man im Pelzhandel sagte, war enorm. Männer wie er regierten wie kleine Könige; sie waren Herren über Leben und Tod. Bent genoß das Vertrauen seiner indianischen und weißen Handelspartner; er war absolut ehrlich.

In einem solchen Posten hörte man ein babylonisches Sprachengewirr; denn der Pelzhandel war ein internationales Geschäft. Hier redeten die Menschen in einem Dutzend Indianersprachen, in Englisch, Deutsch, Russisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, und natürlich im „Esperanto“ des Pelzhandels, dem „Bungee“, einer Kunstsprache, die aus etwa 100 Wörtern bestand. Die Zeichensprache war auch unabdingbar.

Am Tisch von William Bent speisten prominente Gäste – Offiziere, Politiker – mit silbernem Besteck von feinem Porzellan, mitten in der Wildnis.

Die Hierarchie des Pelzhandels war strikt. Jeder hatte seinen Platz, vom Inhaber und Manager eines solchen Postens über die „Clerks“, bis hinunter zu den Handwerkern, Jägern und Hilfsarbeitern. Der Innenhof des Forts reflektierte ein buntes kulturelles Gemisch. Vor dem Posten lagerten immer Cheyenne-Gruppen. William Bent hatte einen bescheidenen Raum im Fort, hielt sich aber oft bei seiner Cheyenne-Familie in den Zeltlagern auf. Als der Biberhandels Anfang der 1840er Jahre zurückging, wurde das Fort Zentrum für den Handel mit Bisonhäuten.

1847 war der Posten Brückenkopf für die US-Armee bei ihrem Einmarsch in New Mexico. Der Krieg der USA mit Mexiko, der 1846 über dem Anschluß von Texas an die Vereinigten Staaten entbrannt war, führte zu einer Eroberung aller mexikanischen Gebiete nördlich des Rio Grande.

Von Bent's Fort aus nahm die US-Armee Santa Fe ein und zog weiter bis Kalifornien.

Charles Bent wurde erster amerikanischer Gouverneur von New Mexico.

Das Ende des Krieges 1848 brachte den USA enorme Landgewinne, aber der Handel in Fort Bent brach regelrecht zusammen. Nachdem Gouverneur Charles Bent in Taos ermordet worden war – darüber wird noch zu reden sein – brannte Fort Bent teilweise nieder. Die Ursache dafür ist noch heute umstritten. Manche sagen, William Bent habe sein Lebenswerk aus Verzweiflung selbst angezündet.

Er zog ostwärts und gründete ein neues Fort, das aber nie wieder die Bedeutung des ersten Postens erreichte. Hier wurde er 1864 von Colonel Chivingtons Colorado-Freiwilligen unter Arrest gestellt; er entging mit Glück einer standrechtlichen Erschießung als „Squawman“. Einer seiner Halbblutsöhne wurde gezwungen, die Truppen zum Sand Creek zu führen, wo Chivington ein grauenvolles Massaker unter friedlichen Cheyenne anrichtete.

Bent wurde später Indianeragent der Region, aber er gab diesen Posten auf, als er erkannte, daß er nichts für seine Cheyenne tun konnte.

Als Führer von Handelstrecks nach Santa Fe holte er sich auf dem Raton Paß eine Lungenentzündung und starb 1869. Seine Kinder – alles Halb-Cheyenne – wurden teilweise um ihr Erbe betrogen. Noch heute leben Nachkommen von ihm in der Region um Denver, aber auch in den Cheyennegebieten in Oklahoma.

Eine Tochter heiratete einen amerikanischen Rancher, der zu den Gründern der Gemeinde Boggsville gehörte, aus der – um es verkürzt darzustellen - das heutige Las Animas hervorging.

1976, zum 100jährigen Jubiläum der Staatsgründung von Colorado, wurde der einst so bedeutende Handelsposten auf den Originalfundamenten wieder aufgebaut und steht heute als nationales Monument für die ersten Bewohner Colorados, Indianer und weiße Pelzhändler.

Die Fotos 1, 2, 3 in der Bildergalerie zeigen eine Gesamtansicht des Forts, einen Blick in den Innenhof und in den Handelsraum, in dem sich alle Tauschwaren befanden, die die indianischen Jäger wünschten.

Go WestBent's Fort
Bent's Fort ist bekannt für seine grandiosen Living History-Darstellungen. Morgen werden wir Zeuge der größten Veranstaltung lebendiger Geschichte im amerikanischen Westen sein, die immer Anfang Juni stattfindet.

Zu den führenden Living-History-Interpreten der USA gehört u.a. der Urenkel einer Western-Legende, John Carson (Bild 4 in der Bildergalerie). Er ist der Nachfahre von Kit Carson, Trapper, Scout, General und Schwager der Brüder Bent.

Go WestJohn ist gelernter Historiker und arbeitet in Bent's Fort, wo sein Urgroßvater als Jäger angestellt war; er hat dessen historische Rolle übernommen - eine geradezu unheimliche Koinzidenz, zumal er seinem berühmten Vorfahren wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Er ähnelt ihm auch in Statur und Auftreten bis aufs Haar. (Kit Carson entsprach überhaupt nicht dem Klischeebild des "Westernhelden"; er war ein kleiner, drahtiger, eher schmächtiger Mann, der allerdings in seiner Trapperzeit viele große, starke Männer das Fürchten lehrte und überall Respekt genoß.)

Wir sind seit über 10 Jahren befreundet. John ist ein ungemein liebenswürdiger und bescheidener Mann, der sich nichts darauf einbildet, Urenkel eines Nationalhelden zu sein, und er verfügt über unglaubliche Kenntnisse über die Zeit des Pelzhandels. Wenn er über das Leben der Menschen in Bent's Fort berichtet, zieht er jeden in seinen Bann. Er hat seinen Urgroßvater bereits in Filmen dargestellt und ist in vielen Fernsehdokumentationen als Experte aufgetreten.


Zur Einleitung - Die erste Gruppe - Die zweite Gruppe

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2014-06-08 11:37
Zitat:
Hier wurde er 1864 von Colonel Chivingtons Colorado-Freiwilligen unter Arrest gestellt; er entging mit Glück einer standrechtlichen Erschießung als „Squawman“.
Das waren wirklich nette, aufgeschlossene Leute.

Schöne Sache, diese Berichte! Danke.

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.