Von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern
Von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern -
worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut-Sauger gezeigt
Während dieser Artikel sich eher einen inhaltlichen Überblick vornimmt, ergänzt der Artikel um die Leipziger Vamipirdebatte von Nicolaus Equiamicus, der heute parallel erscheint, die geschichtlichen Hintergründe und setzt das Werk von Ranft in einen Gesamtzusammenhang.
Mein Leser, ich habe den 27. Sept. 1725 zu Leipzig eine öffentliche Dissertation de Malisticatione mortuorum in tumulis gehalten und dabey einen gewissen wunderbahren Casum aus Hungern zum Grunde gelegt. Wel ich baer ides Materie damahls nicht gantz ausführete, sondern mir vorbehielte, noch einmahl davon zu disputiren, (...) so habe ich Anno 1728 alles dasjenige, was ich davon zu Pappiere gebracht, in Form eines Traktats (...) ans Licht gestellt.
Im Jahre 1725, also dem Jahr in dem Ranft seine Rede hielt, erschien die Rede selbst, die den ersten Teil der kompletten Abhandlung ausmacht. Damals wurde der Text noch in Latein in Druck gegeben. 1728, immer noch in Latein, kam der zweite Teil dazu, um dann 1734 in Deutsch in der vorliegenden Endversion zu erscheinen. Grund für die Erweiterung und neuerliche Herausgabe war die Tatsache, dass Ranfts Dissertation in vielen anderen Schriften, die im Zusammenhang mit der großen Vamipirdebatte 1732/33 erschienen, erwähnt wurde - teilweise sinnverändernd, teilweise massiv angreifend.
Teil 1 besteht also in der Dissertation, im zweiten Teil wird die "Acten-mäßige Relation von den Vampyren aus den Grund-Sätzen meiner hypothesis" dargestellt, im dritten schließlich werden auszugsweise alle Schriften (viel eher handelt es sich dabei um alle Ranft zugänglichen Schriften) vorgestellt, die "bißher von den Vampyren ans Licht gekommen".
Ranft nutzte damals die Möglichkeit zu dieser Neuausgabe ebenfalls dazu, auf einen der großen, Aufsehen erregenden Vampirfälle einzugehen, die als "Leipziger Vampirdebatte" in die Geschichte eingehen sollten.
Schon beim Lesen der verschiedenen Abschnitte lief mir so der eine oder andere Schauer über den Rücken.
Zu Beginn, wenig verwunderlich, stehen als Einleitung einige eher allgemeine Paragraphen, die den Glaubens- und Auslegungshorizont des Studenten Ranft darlegen.
- §8: "Es haben uns schon längst unsere Vor-Eltern vieles von diesen in Gräbern fressenden Todten erzehlt, aber wir haben davor gehalten, es sey uns schimpflich diesen Mährgen und Aesopischen Fabeln, daran sich nur die alten Weiber ergötzen, Glauben zuzustellen. Die Ursachen sind leichte zu erkennen: Wir haben dergleichen fressende Todte nicht selbst gesehen. Wir können ein dergleichen Natur-Zeichen mit unsern Vernunfft-Schlüssen nicht begreiffen, und die Beschuldigung des Aberglaubens fliehen wir eben so sehr als die Verletzung des ehrlichen Nahmens.(...) Was sie aber mit ihrem Verstande nicht begreiffen können, das schreiben sie ohne Bedencken denen höllischen Geistern und der teufflischen Zauber-Kunst zu."
- §10: Der Päbstliche Wunder-Glaube - "(...) Es ist uns allen bekannt, daß die Römische Kirche sich mit ihrem Wunder-Glauben viel wisse. (...) Das Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern werden die Papisten ohne Zweifel auch vor ein göttliches Wunder ausgeben, und wer weiß, was vor eine Lehre sie vielleicht damit zu bekräfftigen suchen? Wer will es uns daher vor übel halten, wenn wir dieses Kauen und Schmatzen einer natürlichen Würckung des Cörpers zuschreiben?"
- §11: Exempel von dem Kauen und Schmatzen der Todten - Ranft nennt eine Reihe von Berichten / Geschichten, die um dieses Thema kreisen. Darunter befinden sich unter anderem Predigten aus Zeiten der Pest, eine Veröffentlichung eines polnischen Buches mit historisch-naturwissenschaftlichem Anspruch, und immer wieder Geschichten in Zusammenhang mit Pesttoten.
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§12: Ein sonderbar Exempel aus Hungarn -Jetzt folgt der konkrete Hinweis auf Geschehen in Ungarn, die sich um Vampirismus drehen: "Das allerneueste Exempel, das uns bekannt ist und vor andern sehr merckwürdig scheinet, ist die Nachricht aus Hungarn, welche wir vor kurtzen in den öffentlichen Zeitungen gelesen. Sie ist würdig, daß wir sie von Wort zu Wort aus den Leipziger Zeitungen dieses Jahrs (...) abschreiben und hier mittheilen.
Manier zur Erden bestattet worden, hat sichs in ermeldetem Dorffe Kisolova geäussert, daß innerhalb 8. Tagen 9. Personen, so wohl Alte als Junge, nach überstandender 24. stündiger Kranckheit also dahin gestorben, daß, als sie annoch auff dem Tod-Bette lebendig gelegen, sie öffentlich ausgesagt, daß obbemeldeter, vor 10. Wochen verstorbener Plogojowitz zu ihnen im Schlaff gekommen, sich auff sie gelegt und gewürget, daß sie nunmehro den Geist auffgeben müsten;Wien vom 31. Jul 1725 -Man siehet in den hiesigen Zeitungen oder so genannten Diario einen Bericht, welchen der Käyserl. Provisor in dem Gradisker District in Hungarn an die Käyserl. Adminstration zu Belgrad wegen einer besondern Begebenheit ergehen lassen, welcher unverändert und ohne darüber zu urtheilen, wie er sich gedruckt befindet, folgendes Inhalts ist:
Nachdem bereits vor 10. Wochen ein in dem Dorffe Kisolova, Rahmer-Districts, gesessener Unterthan, Nahmens Peter Plogojowitz, mit Tode abgegangen, und nach Rätzischer
gleich wie denn hierüber die übrigen Unterthanen sehr bestürtzet, in solchem noch mehr bestärcket worden, da des verstorbenen Peter Plogojowitz Weib, nachdem sie zuvor ausgesagt, daß ihr Mann zu ihr gekommen und seine Oppanki oder Schuhe begehret, von dem Dorffe Kisolova weg und sich in ein anders begeben;
sintemahl aber bey dergleichen Personen, so sie Vampyri nennen, verschiedene Zeichen, als dessen Cörper unverweset, Haut, Haar, Bart und Nägel an ihm wachsend zu sehen seyn müsten, als haben sich die Unterthanen einhellig resolvirt, das Grab des Peter Plogojowitz zu eröffnen und zu sehen, ob sich würcklich obbemeldete Zeichen an ihm befinden;
zu welchem Ende sie denn sich zu mir hieher verfüget und nebst Andeutung vorerwehnten casus mich samt dem hiesigen Popen oder Geistlichen ersuchet der Besichtigung beyzuwohnen; und ob ihnen schon erstlich solches Factum reprobirt, mit Meldung, daß ein solches vorhero an eine löbliche Administration unterthänig-gehorsamst berichten und derselben hohe Verfassung hierüber vernehmen müste, haben sie sich doch keines weges hierzu bequemen wollen, sondern vielmehr diese kurtze Antwort von sich gegeben:
ich möchte thun, was ich wolte, alleine woferne ich ihnen nicht verstatten würde, auff vorherige Besichtigung u. rechtl. Erkäntniß mit dem Cörper nach ihrem Gebrauch zu verfahren, müsten sie Hauß und Guth verlassen, weil biß zu Erhaltung einer gnädigsten Resolution von Belgrad wohl das gantze Dorff (wie schon unter Türckischen Zeiten geschehen seyn solte) durch solchen üblen Geist zu Grunde gehen könte, welches sie nicht erwarten wolten.
Da denn solche Leute weder mit guten Worten noch Bedrohungen von ihrer gefasten Resolution abhalten konte, habe ich mich mit Zuziehung des Gradisker-Popen in gemeldetes Dorff Kisolova begeben, den bereits ausgegrabenen Cörper des Peter Plogojowitz besichtiget und gründlicher Wahrheit gemäß folgendes befunden:
daß erstlich von solchem Cörper und dessen Grabe nicht der mindeste, sonsten der Todten gemeiner Geruch verspüret, der Cörper, ausser der Nasen, welche etwas abgefallen, gantz frisch, Haar und Bart, ja auch die Nägel, wovon die alten hinweg gefallen, an ihm gewachsen, die alte Haut, welche etwas weißlicht war, hat sich hinweg gescheelet, und eine neue frische darunter hervor gethan, das Gesichte, Hände und Füsse und der gantze Leib waren so beschaffen, daß sie in seinen Lebzeiten nicht hätten vollkommener seyn können; in seinem Munde habe nicht ohne Erstaunen einiges frisches Blut erblickt, welches der gemeinen Aussage nach, er von denen durch ihn umgebrachten gesogen;
in Summa, es waren alle Indicia vorhanden, welche dergleichen Leute (wie schon oben bemercket) an sich haben solten. Nachdem nun so wohl der Pope als ich dieses Spectacul gesehen, der Pöbel aber mehr und mehr ergrimmter als bestürtzter wurde, haben
Der gröste Theil der Menschen ist geneigt, solches zu bejahen. Denn da sie die verborgenen Kräffte der Natur nicht erkennen, etwas göttliches aber daran nicht wahrnehmen, so wissen sie es nichts anders als einer teufflischen Magie und verborgenen Würckung des Satans zuzuschreiben. Wir selbst können nicht leugnen, daß wir nicht ehemals dieser Meinung solten zugethan gewesen seyn.
- §23 - kehrt zurück zu den Geschehnissen in Ungarn:
Hieher gehört 1.) daß dergleichen Todte mit einem hellen Laut kauen, 2.) ihre Sterbe-Kleider mit dem Munde fressen, 3.) insgemein von weiblichen Geschlechte seyn, 4.) vornehmlich zu Pest-Zeiten existiren und 5.) keinen anderen als der nechsten Anverwandten Tod verursachen sollen. Was das erste anbetrifft, so stimmen alle Nachrichten von denen schmatzenden Todten überein, daß sie in den Gräbern nach Art der Schweine mit einem hellen Laut mit den Zähnen kauen, daher sie auch die schmatzenden Todten genennet worden sind. Alleine das neueste Exempel, das wir neulich aus Hungarn bekommen, gedencket nichts von diesem Schwein-Schmatzen; woraus erhellet, daß solches ein Gedichte sey, das aus der Leute Aberglauben entstanden. In denen Historischen Jahr-Büchern wird zwar viel von solchen Laut und Stimmen, so auff denen GOttes-Aeckern, Grabmahlen, ja in denen Begräbnissen selbsten, ingleichen in denen Häusern und an anderen Orten gehöret worden, erzehlet, alleine die Wahrheit der Sache beruhet meistentheils auff alten Weiber-Mährgen.
- §26 - macht eine Andeutung zur möglichen Herkunft der Vorstellungen von "kauenden Toten": Es war eine verbreitete Vorstellung in heidnischen Kulturen, dass unter der Erde Wesen lebten, die Stimmen und Geräusche verursachen würden. Er zählt griechische wie römische Aberglauben auf, darunter Sophokles, zitiert aus der Iljas, Hesiod oder Diogenes. Überall dort sei von unterirdischen Geräuschen die Rede, hervorgerufen durch Geister, Tote oder Gespenster.
Es verlohnt sich der Mühe, das sonderbahre Meteoron, das sich zu Gotha ereignet, hier anzuführen. Mich. Bernh. Valentinus erzehlet solches also: Ein gewisser Todtengräber machte ein Grab und stieß auff einen gantz verfaulten Sarg, der nichts denn Todten-Beine in sich hielte. Als er solchen auf die Seite thun will, vernimmt er einen Laut, als wenn eine Ganß zischte und schnatterte wobey er zugleich wahrnimmt, daß aus dem äussersten der Gebeine ein Schaum einer Faust groß heraus dringt, und zwar mit einem solchen Gestancke, daß er Maul und Nase zuhalten muß. Er setzt sich darauf auf die andere Seite des Grabes und will sehen, was endlich daraus werden wird. Nicht lange darnach giebt die ausgeschäumte Materie einen solchen Knall von sich, als wenn einer eine Pistole gelöset, worauff ein blauer Rauch herfür steigt und sich in die Höhe dreht, der die Lufft mit einem noch viel stärckern Gestancke als vorher der herausgequollene Schaum gethan, erfüllet, so daß der Todten-Gräber ohnfehlbar davon des Todes gewesen seyn würde, wenn er nicht in höchster Eil das Grab verlassen, sich nach Hause begeben und gewisse Artzneyen eingenommen hätte. Aus dieser Begebenheit läst sichs genugsam schliessen, daß es gar viel und vielerley natürliche Ursachen gebe, dadurch ein Laut in denen Gräbern entstehen könne, welche gewiß sonst Niemand vor übernatürlich ausgeben wird, als der voller Aberglauben ist.
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§29/30/31: Das Klopffen der Todten in Gräbern - fast alle Jahrbücher, regionale Kalender oder Volkssagen könnten Geschichten nennen, schreibt Ranft, in denen abergläubische "Weiber" auf Friedhöfen oder abgelegenen Orten seltsame Geräusche hören würden, eine mysteriöser als die andere. Man müsse nur abergläubisch genug sein, dann würde man diese Geschehnisse unter Garantie erleben können.
Oftmals erwähnt Ranft die Vorstellung, dass die Toten ihre Totenkleider essen würden. Woher dieser Glaube stammt, nennt er nicht. Es gäbe, so Ranft, keinerlei Hinweise auf die Authentizität solcher Geschichten. Allerdings würde der "abergläubische Pöbel" von solchen Vorfällen berichten. Ranft gesteht zu, dass gerade das "Fressen der Kleidung" durchaus häufig erwähnt werden würde.
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§ 32/33: Es scheint Ranft wichtig, eine Darstellung der Glaubensgrundlagen von Juden und Moslems zum Thema Tod und Leichen zu machen. Er beschreibt die jüdische (talmudische/rabbinische) zeitgenössische Vorstellung, dass es vier "Haupt-Teuffel oder Daemones" geben würde (Sammaël, Azazel, Asaël, und Muchazaël) (Anmerkung: Auf diese talmudischen Welten einzugehen würde hier jeden Rahmen sprengen. Allein schon der Versuch eines kleinen Überblicks hat mich in eine vollkommen andere Welt gerissen).
Der Rabbinen Meinung ist, daß wenn ein Jüde aus dieser Welt gegangen und begraben worden, der Engel des Todes komme und sich auffs Grab setze, da denn zu gleicher Zeit dessen Seele in den leib kehre und ihn auffrichte; dieser Engel des Todes nehme alsdenn eine eiserne Kette, die halb kalt u. halb warm ist, und schlage damit zweymahl den Cörper; bey dem ersten Schlage würden die Leibes-Glieder alle aus einander gerissen; bey dem andern Schlage betreffe es die Gebeine, und wenn endlich mit dem dritten Schlage die Zugabe geschähe, werde der gantze Leib in Staub und Asche verwandelt.
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§34: Ebenfalls ausgesprochen interessant ist der Paragraph zu den Vorstellungen der Muslime zum Geschehen nach dem Tod. Ranft nennt mehrere (westlich-latinische) Quellen, die unterschiedliche Annahmen schildern. Diese berichten von zwei Engeln (unterschiedlichen Namens je nach Quelle), die den Toten im Grab aufsuchen und zu seinem Lebenswandel und Handeln als Lebender befragen und beurteilen. Ranft selbst bewertet diese Geschichten aufgrund der nicht vorhandenen wissenschaftlichen und literarischen Abdeckung als "Sage des abergläubischen Pöbels".
- §38: Die Fleisch fressenden Schlangen, ob sie aus den Menschen-Marck wachsen.
(...) Ursachen dieses unterirdischen Fressens wenden, die unserm Bedüncken nach, bey gewissen Thieren zu suchen sind. Von der Hyaena und andern dergleichen Fleisch-fressenden Thieren, (...) ist hier nicht die Rede. Denn von solchen ist bekannt, daß sie gantze Cörper aus den Gräbern reissen und nach Art der Bäre in Rußland (...) fressen. Zum Zeugen können wir dißfalls den heil. Chrysostomous anführen, der an einem gewissen Orte also schreibet: Die Hyaena wird niemahls bey Tage gesehen, sondern allezeit bey der Nacht, niemahls im Lichte, sondern allezeit im Finsterniß; sie hat die Art, daß sie die Cörper der Todten ausgräbt und sie frißt; wenn nun iemand eine Leiche liederlich begräbt; gräbt sie solche bey der Nacht aus, trägt sie davon und frißt sie; wo nur Gräber und Gebeine sind, da ist auch der Hyaena ihr Auffenthalt.
- §46/47/48: Das Kauen und Schmatzen der Todten zur Pest-Zeit - Vor allem aus den Zeiten der Pest würden laut Ranft Berichte über solche eigenartigen Vorgänge vorliegen.
so ist doch die Ursache davon nicht in der Pest selbst zu suchen. Die Pest hat nur Gelegenheit gegeben, daß dieses Wunderzeichen desto mehr bekannt und offenbahr gemacht worden. Denn zu der Zeit, wenn die Pest im gantzen Lande grassirt und in Menge die Menschen nach einander hinreist, so werden vielmahls die todten Cörper unbegraben gelassen. Wenn nun die Todtengräber alsdenn Tag und Nacht auff den Begräbniß-Plätzen ihr Amt verrichten und gleichsam mitten unter den Todten sich befinden, so ist es kein Wunder, wenn zur selbigen Zeit das Kauen und Schmatzen der Todten am meisten wahrgenommen worden. Denn die Wunder der Todten können sich zu keiner Zeit besser offenbahren, als zu solchen kläglichen Pest-Zeiten
- §52: Das Kauen und Schmatzen der Todten, ob es der Anverwandten Tod nach sich ziehe?
Nach Widerlegung dieser fünf vorgefasten falschen Meinungen von denen kauenden und schmatzenden Todten, bleiben uns von diesem Wunder-Zeichen der Natur mehr nicht denn zwey Phaenomena übrig, die Vegetantz des Cörpers und dessen schädliche Würckung in die lebendigen Menschen. Diese solten wir nunmehro nach unserm Vermögen aus denen gesunden Anfangs-Gründen der Natur-Lehre zu erklären suchen. Alleine weil der Mangel des Raums solches vorietzund verhindert, wolle uns der Geneigte Leser verzeihen, daß wir seinem Verlangen vor dißmahl kein Genügen thun können. Es wolle sich derselbe immittelst versichert halten, daß wir in der folgenden andern Dissertation, welche Philosophisch seyn wird, alles dasjenige erfüllen wollen, was wir ihm ietzo versprochen. Es lebe derselbe indessen wohl und urtheile von diesen Blättern also, wie wir es von dessen Gütigkeit allezeit hoffen können.
Im Anschlus an diese erste Dissertation, die Ranft ursprünglich hielt, schließt sich in dem hier genannten Buch eine zweite Dissertation an, in der Ranft seine Thesen erweitert und auf verschiedene Gegenreden eingeht.
Dieser Teil besteht aus insgesamt 60 Paragraphen und erwähnt erneut eine ganze Reihe von Vorfällen, geht auf Annahmen und Aussagen verschiedener anderer Gelehrter ein und nimmt Stellung dazu.
Die Vampirdebatte, die Ranft durch seine Dissertation ausgelöst oder noch verstärkt hat, hat viele unterschiedliche Teilnehmer auf den Plan gerufen. Ranft stellt klar, dass er zu großen Teilen nicht vorhat, diese Diskussionen aufzugreifen:
Wir sind ietzt nicht gesonnen, uns in Theologische Streitigkeiten einzulassen. Wir lassen sie vielmehr an ihren Ort gestellet seyn und kehren wieder zurücke zu unsern Physicalischen Anmerckungen.
In ähnlicher Weise wie bei der ersten Dissertation zentrale und/oder interessante Punkte anzusprechen würde den Rahmen eines ohnehin schon langen Artikels sprengen. Wieder sei auf den Artikel von Nicolaus Equiamicus verwiesen, besonders aber auf die Tatsache hingewiesen, dass in Kürze eine Rezension zu einem Buch von N. Equiamicus erscheinen wird, in dem ich dann auf diesen zweiten Teil näher eingehen werde.
Es wurde von der "Königl. Preußischen Societät derer Wissenschafften" erstellt und handelt "von denen Vampyren oder Blut-Aussaugern".
Sehr erstaunlich ist die Tatsache, dass die Anweisung zur Erstellung dieses Gutachtens vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. in Preußen (Vater von Friedrich dem Großen) selbst stammt. Entsprechend groß war offensichtlich der Aufruhr, für den die Gerüchte um Vampire sorgte.
Das Gutachten lautet:
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr, Ew. Königl. Maj. es ist allergnädigst gefällig gewesen, durch den Vice-Präsidenten, Graffen von Stein, das in Original hierbey kommende Protocoll, die so genannten Vampyrs oder Blut-Aussauger zu Medwedia in Servien betreffend, uns communicieren zu lassen (...). Was nun anfänglich das Protocoll an und vor sich selbst betrifft, enthält selbiges allerhand, theils solche Facta, welche denen Commissarien nur von andern berichtet worden, theils aber auch solche, die von ihnen selbst untersuchet, und was sie bey Ausgrabungen und Inspection der Cörper würcklich befunden haben (...).
Ein Besipiel für die Berichte anderer ist im Folgenden genannt: Die Geschichte kreist um einen "Heyducken" namens Arnold Paole (Anmerkung: unter Heyducken verstand man die sogenannten ungarischen "Wehrbauern", die als Bauern an der österreichisch-ungarischen Grenze angesiedelt worden waren, gleichzeitig dort Wehr- und Wachdienst versahen), der offensichtlich nach seinem Tod exhumiert worden war. Wie es scheint, wollte man feststellen, ob es an diesem Mann Hinweise für Vampirismus geben würde. An dem Blut, den Finger- und Fußnägeln, die an der Leiche untersucht wurden, fand sich nichts besonderes, dann ging man einen Schritt weiter
auch dem bey Durchschlagung des Pfahls durchs Hertz angemerckten Geröchzer oder Laute, auff die Vamyprschafft kein bündiger Schluß machen, massen denn die erstern Phänomena ihre natürlichen Ursachen haben, das Geröchzer und der Laut aber wegen der in der Cavität des Hertzens annoch befindlichen ausgebrochenen Lufft geschehen seyn kan. Ubrigens ist gewiß, daß die Erscheinung dieser Blutsauger, auch worinne selbige bestanden, mit nichts dargethan und wir keine Spuren davon in der Historie, und in den hiesigen so wenig als andern Evangelischen Landen iemahls gefunden, ausser daß in den vorigen Zeiten hin und wieder von Einschluckung der Grabe-Tücher und Schmatzen in den Gräbern Erzehlung geschehen, solches aber bey der Untersuchung unrichtig befunden, und als ein schädlicher Irrthum und Aberglaube verworffen worden.
Weiter berichten sie von einem weiteren Fall (ingesamt wurden 17 Fälle von fragwürdigen Vorfällen untersucht), einer 20jährigen Frau, die im Kindbett gestorben war, und deren Körper sich bei einer Exhumierung nach der "angegebenen Zeit" nicht (ausreichend) verwest darstellte. Dies war für die Verfechter der Vampirannahme einer der grundlegenden Hinweise auf Vampirismus. Allerdings sei weder bei Sehnen noch den Venen oder Aterien, weder am Herzen selbst noch bei anderen Organen Verdächtiges gefunden worden.
Allerdings habe man ein anderes Merkmal für Vampirismus festgestellt: Das Wachsen von Haaren und Nägeln. Dies sei jedoch, so die Kommission, nichts Widernatürliches und als Beweis für die Vampirnatur der Toten nicht haltbar.
Noch ein Beispiel wurde offensichtlich durch die Kommission untersucht: Es ging um eine "Frauens-Person" namens Militza. Ihr Körper war bei seiner Exhumierung ebenfalls nicht verwest, sondern - im Gegenteil - "statt ihrer magern Leibes-Comlexion fett und vollkommen gewesen". Hier wiesen sie auf die Möglichkeit hin, dass
solches seine natürlichen Ursachen haben kan, indem nach Art und Beschaffenheit der Kranckheit und des Cörpers, der Jahrs-Zeit, des Alters etc. ein Cörper vor dem andern der Fäulniß eher oder später unterworffen
Mit den ersten Wörtern des §36 nennt Ranft seine Grundidee und Grundeinstellung zum Thema Vampirismus, wie sie kein anderes seiner Zitate besser könnte:
Jedoch wir wollen diese Narren-Possen bey Seite setzen, und uns zu einigen wahrscheinlichern Ursachen dieses unterirdischen Fressens wenden
M. Ranft: Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern, Worin die wahre Beschaffenheit derer Hungarischen Vampyrs und Blut-Sauger gezeigt, Auch alle von dieser Materie bißher zum Vorschein gekommene Schrifften recensiret werden, zu finden unter Wikisource
http://www.bibelwissenschaft.de/
Lexikon zur Bibel, Brockhaus-Verlag, Ausgabe 1988
www.wiktionary.org
Wikipedia
Koran