Die Meuterei auf der Bounty - Nüchterne Rekonstruktion
Die Meuterei auf der Bounty (1973)
Nüchterne Rekonstruktion
Die erste filmische Rekonstruktion der Aufstände gegen den despotischen Kapitän William Bligh aus dem Jahr 1916 unter der Regie von Raymond Longford gilt heute als verschollen. Ebenfalls nicht sonderlich bekannt ist eine australische Version von 1933, die mit Publikumsliebling Errol Flynn unter dem Titel „In the Wake of the Bounty“ entstand. Da MGM zu jenem Zeitpunkt bereits seine eigene Version der historischen Ereignisse in Auftrag gegeben hatte, konnte die Filmproduktionsgesellschaft den Vertrieb des Flynn-Vehikels zunächst erfolgreich unterbinden. Der MGM-Film von Frank Lloyd mit Clark Gable und Charles Laughton in den antagonistischen Hauptrollen feierte schließlich 1935 seine Uraufführung und ist längst ein Klassiker seines Genres. Ebenfalls gut gelungen ist das studiointerne Remake aus dem Jahr 1962, das allerdings zu einem massiven Flop geriet. Heute ist die von Lewis Milestone inszenierte Fassung mit Marlon Brando und Trevor Howard als Protagonisten aber ebenfalls ein Evergreen, den viele aus seinen zahlreichen Fernsehwiederholungen kennen dürften. Weit weniger geläufig ist indes die elf Jahre später fürs ZDF realisierte Fernsehfilmversion von Imo Moszkowicz, die unter dem Titel: „Prozess: Meuterei auf der Bounty“ auf teure Außenaufnahmen und Kulissen verzichtete und sich überwiegend auf den Kriegsgerichtprozess aus dem Jahr 1792 konzentrierte, in dem einige der Meuterer angeklagt wurden und vor den Anwälten der Krone versuchen mussten, ihren Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen – was nicht allen von ihnen gelang. In Rückblenden werden die Geschehnisse nachgespielt, so dass auch Bligh hier eine zentrale Rolle innehat.
Vizeadmiral Lord Hood (Ernst Fritz Fürbringer) ist Vorsitzender eines Kriegsgerichtstribunals, das drei Jahre nach der legendären Meuterei auf der Bounty über die Schuld einiger der beteiligten Seeleute zu entscheiden hat. Der Anführer der Meuterei, Obermaat Fletcher Christian (Heinz Baumann), ist zu diesem Zeitpunkt – genau wie das Segelschiff selbst – spurlos verschwunden. Fletchers Bruder Edward Christian (ebenfalls Baumann) hat die Verteidigung des jungen Seemanns Peter Haywood (Gustl Meyer-Fürst) übernommen, der zusammen mit einigen anderen Besatzungsmitgliedern der Meuterei und Piraterie angeklagt ist. In ihren Zeugenaussagen schildern u.a. Haywood, Bootsmann Morrison (Günter Mack) und Steuermann Fryer (Jan Groth), wie es bereits im Laufe der Reise in die Südsee zu Reibereien mit dem despotischen Kapitän Bligh (Wolfgang Wahl) gekommen war. Der hatte seine Mannschaft mit angefaulten Kürbissen versorgt, bei den kleinsten Ungenauigkeiten auspeitschen lassen und sich wiederholt mit Fletcher Christian angelegt, den er auf provokative Weise als Nichtsnutz denunzierte und immer wieder vor der Besatzung beleidigte. 1789 kam es dann zur Meuterei an Bord.
Wie in deutschen Dokumentarspielen jener Zeit üblich, ist auch „Die Meuterei auf der Bounty“ ein sachlich-nüchtern rekonstruiertes Dialogdrama, das auf ähnliche Weise auch im Theater hätte aufgeführt werden können. Die Studiokulissen sind nicht viel mehr als stilisierte Hintergründe, kommt es den Machern doch einzig und allein auf die präzisen Dialoge und die vorzüglichen Darstellerleistungen an. In diesem Fall ragt natürlich vor allem Wolfgang Wahl in einer höchst unsympathischen Rolle hervor, aber auch Friedrich Joloff als Chefankläger weiß zu überzeugen. Dank einer recht dynamischen Kameraführung gerät das theaterhafte Setting schnell in Vergessenheit, und man folgt gebannt den aus den Gerichtsprotokollen übernommenen Aussagen und Schilderungen. Die DVD-Erstveröffentlichung in der Reihe „Pidax Historien-Klassiker“ bietet ein ganz gutes Bild (im Vollbildformat 1,33:1) und einen stets gut zu verstehenden deutschen Originalton (in Dolby Digital 2.0). Auf die Beigabe von Bonusmaterial hat man verzichtet.
Kommentare
William Bligh war wohl doch nicht der unbarmherzige Leuteschinder und selbstherrliche Alleinherrscher, als der er jahrhundertelang gezeichnet wurde. Im Gegenteil, die Forschung zeigt heute, dass auf der Bounty weniger Prügelstrafen verhängt wurden, als auf vielen anderen britischen Schiffen.
Es war vor allem die immens einflußreiche Familie Fletcher Christians, die die Mär von Bligh als Teufel in Menschengestalt in die Welt setzte. Man versuchte so die Meuterei als eine geradezu moralische Verpflichtung und heroische Tat darzustellen, für die Fletcher Christian sich und seine Karriere opferte.
Es wäre schön gewesen, wenn man diese Richtigstellung am Ende des Dokumentarspiels erwähnt hätte.