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Verschwunden in der Geschichte - Karl Stephan - Titelbildzeichner (Teil 1)

Karl Stephan - TitelbuildzeichnerVerschwunden in der Geschichte
Karl Stephan – Titelbildzeichner im
Goldenen Zeitalter des Heftromans

(Teil 1)

Das Goldene Zeitalter der Romanhefte und Leihbücher in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat nur wenige wirkliche „Stars“ hervorgebracht: Erinnert sei an Karl-Herbert Scheer, Walter Ernsting und Kurt Brand bei den deutschen Science Fiction-Autoren. Auch die Titelbildgestalter hatten mit Jonny Bruck oder Rudolf Sieber-Lonati zwei herausragende Vertreter der malenden Zunft.

 

 Karl Stephan, SF-Titelbildzeichner (1923-1980). Foto: Watchtower (H. Hoffmann)Andere Schöpfer exotischer Bildwelten sind inzwischen in der Geschichte verschwunden: Zu ihnen gehört Karl Stephan (1923-1980), der über Jahre für die Verlage Moewig, Heyne und Pabel arbeitete und mit seinen Covern für verschiedene Heftreihen das Bild der SF am bundesdeutschen Kiosk mitprägte. Dennoch ist er fast vergessen:

Sieben Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, drei Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist das Land eine riesengroße Wartehalle, in der beständiges Kommen und Gehen herrscht. Flüchtlinge, Vertriebene, Kriegsheimkehrer und Ausgebombte suchen einen neuen Platz in der Gesellschaft und in der Geschichte. Nicht jeder ist dabei erfolgreich, aber wer es schafft, darf auf ein Auskommen in der Zeit des Wirtschaftswunders hoffen.

Am Karlsplatz, dem „Stachus“, in München steht 1952 ein knapp 29-jähriger Mann. Die Münchener Innenstadt ist nach wie vor von den Schäden gezeichnet, die alliierte Bomben anrichteten, aber der Wiederaufbau kommt voran.

Der „Stachus“ in München gilt Anfang der 50er Jahre als verkehrsreichster Platz Europas. Foto: Archiv Der „Stachus“ ist zu dieser Zeit der verkehrsreichste Platz Europas, und inmitten eines schier unglaublichen Getümmels aus Straßenbahnen, Personen- und Lastkraftwagen, Militärfahrzeugen, Radfahrern und Fußgängern betrachtet Karl Stephan in aller Ruhe die Auslagen und Aushänge eines Kiosk am „Stachus“. Seit mit Gründung der Bundesrepublik 1949 der Lizensierungszwang der Alliierten ein Ende hat, explodiert die Zahl der Presseprodukte – Zeitungen, Zeitschriften und sonstige Druckobjekte buhlen um die Gunst der Leser, die nach den Jahren der Nazi-Diktatur nach frischer Lektüre gieren.

Überladen mit Zeitungen, Zeitschriften, Heftromanen und Comics sind in den 50er Jahren die Kioske in bundesdeutschen Großstädten. Foto: Bundesarchiv Karl Stephans Blick gleitet interessiert über die ausgehängten Romanhefte. Insbesondere die Titelbilder erregen seine Aufmerksamkeit. Eine Romanheftreihe kennt Stephan, der 1923 im thüringischen Gera geboren wurde, noch aus seiner Jugend. „Tom Shark“ ist der „König der Detektive“ und hat den Krieg überlebt; der Münchener Moewig-Verlag bringt neue Abenteuer des Romanhelden heraus. Aber das für das Romanheft verwendete Titelbild ist scheusslich, findet Karl Stephan.

Der 29-jährige meint, sich dieses Urteil erlauben zu können. Bereits während seiner Kinder-  und Jugendzeit im heimatlichen Gera in Thüringen hat er leidenschaftlich gern gezeichnet und gemalt. Das Zeichnen wird zu einer von zwei Passionen seines Leben, wird er später sagen. Immerhin hält er, als zur Zeit von Karl Stephans erstem Schuljahr, ein Zeppelin in der Nähe Gera landet, das Großereignis in Bildern auf der Schultafel fest und erntet für diese „Reportage“ viel Lob.

Außer für das Zeichnen schlägt das Herz des jungen Karl Stephan auch für die Fliegerei – die zweite Passion seines Lebens. Viele Jugendliche schwärmen in den 20er und 30er Jahren des vergangen Jahrhunderts für die kühnen Piloten, die mit immer schnelleren Maschinen durch den Himmel eilen und dabei Abenteuer in aller Welt erleben. Karl Stephan geht es konsequent an: Nach der Schulzeit absolviert er eine Ausbildung im Flugzeugbau und entdeckt seine Liebe zur Segelfliegerei. Auch im Betrieb zieht er aus seinem zeichnerischen Talent Vorteile: Er wird außer Flugzeugbauer auch offizieller Plakatmaler des Unternehmens – „so eine Art Hauszeichner mit echtem Schreibtisch, Sessel und Glasverschlag“.

Karl Stephan soll gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Pilot des Raketenjägers Me-163 werden. Daraus wird glücklicherweise nichts. Foto: Wikipedia/Luftwaffenmuseum Berlin Aufgrund seiner Begeisterung für die Fliegerei ist es auch nicht verwunderlich, dass Karl Stephan bei der Luftwaffe landet, als er zum Militär einberufen wird. Während seiner Rekrutenzeit darf er Kompaniebereiche und Unterrichtsräume unter anderem mit übergroßen Fugzeugabbildungen bemalen und hat dadurch nach eigenem Bekunden „eine relativ gute Zeit“. Ernst wird es für Stephan allerdings, als er für die Luftwaffe Lastensegler fliegen darf, dann als Motorpilot eingesetzt wird und gegen Ende des Krieges – als Hitler und Göring wegen der großen Verluste das fliegende Personal ausgeht - sogar als Pilot für den ersten Raketenjäger Messerschmitt Me 163 „Komet“ im Gespräch ist. Zu einem Einsatz mit der über 1000 Stundenkilometer schnellen Maschine, die spöttisch „Kraft-Ei“ genannt wurde, aber auch für Selbstmord-Missionen gut war, kommt es aber für Stephan wegen des nahenden Kriegsendes glücklicherweise nicht mehr.

Nach der Kapitulation will Stephan nicht mehr ins sowjetisch besetzte Thüringen zurück. Er schafft es bis ins fränkische Bamberg und kann dort während der Nachkriegsjahre in einem Werbeunternehmen „seine ersten Moneten“ verdienen. Seine Arbeit besteht zunächst in der Anfertigung von Hinweisschildern. Später kommen auch Kinoplakate hinzu. Die wurden nicht vervielfältigt, sondern als Originale von Kino zu Kino gefahren. Deshalb, so erinnert sich Karl Stephan später, könne er Marikka Röck immer noch im Schlaf zeichnen.

Solches Selbstbewusstsein hilft Karl Stephan auf seinem weiteren Weg. Denn das so „scheussliche“ Titelbild des „Tom Shark“-Romanhefts, das er an dem Kiosk am Stachus in München entdeckt hatte, lässt ihn Kontakt mit dem Moewig-Verlag aufnehmen. Dort legt er Skizzen für Romanheft-Titelbilder vor, wie sie ihm vorschweben. Und Stephan kommt damit an im Moewig-Verlag, der zum Wilhelm Heyne Verlag gehört.

 Die Titelbilder von Moewigs „Fliegergeschichten“ werden vom Flugzeug-Fan und Weltkriegsteilnehmer Karl Stephan mit Sachkenntnis und Detailfreude gestaltet. Foto: Trivialitas Sein neues Engagement als Titelbildzeichner befördert hat möglicherweise auch der Umstand, dass Verleger Rolf Heyne sich ebenso für die Fliegerei begeistert wie Karl Stephan. Der fünf Jahre jüngere Heyne, der in späteren Jahren das Erbe seines Vaters zum zweitgrößten Taschenbuchverlag der Bundesrepublik ausbauen wird und dabei auch die Science Fiction im Taschenbuch zum Erfolg führt, findet Gefallen an den Arbeiten von Stephan und gibt grünes Licht für eine umfangreiche Mitwirkung des Zeichners an zahlreichen Objekten des Moewig-Verlags in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Mit Titelbildern für „Tom Shark“ wird es aber nichts. Denn Moewig hat die Romanheftreihe eingestellt. Dafür wird Stephan wohl auch mit tätiger Hilfe Rolf Heynes bei einer neuen Serie des Moewig-Verlags heimisch: den „Fliegergeschichten“. Sie bieten ihren Lesern Erlebnisberichte vor allem aus der Zeit des Zweiten und des Ersten Weltkriegs, aber auch aus den Pioniertagen der Fliegerei. Themen sind auch die Abenteuer der letzten Entdecker und die kleinen kleinen und großen Katastrophen der modernen Zivilfliegerei.

Karl Stephan hätte es mit diesem Einstieg in die Covergestaltung für Romanheft-Verlage nicht besser treffen können. Denn alles, was künstliche Flügel und einen metallenen Rumpf hat, ist sein Thema: Stephan kann seine beiden Passionen – das Zeichnen und das Fliegen – auf eine für ihn erfolgreiche Weise verbinden und den Grundstein für eine langjährige Karriere als Titelbildzeichner legen.

Karl Stephan - TitelbuildzeichnerDie weiteren Artikel
Teil 2 (20. Februar 2011)
Teil 3 (voraussichtlich 06. März 2011)

Kommentare  

#1 Advok 2011-02-10 20:43
Der Artikel gefüllt mir ausgezeichnet! Aber wie bist du an die Infos gekommen? Recherchiert oder hast du Karl Stephan gar selbst gekannt?
Bin schon gespannt auf die Fortsetzung!
#2 Remis Blanchard 2011-02-11 08:17
Interessant, dass es noch andere Zeichner gab, als Bruck und Lonati, von denen jeder spricht. Es gab ja damals sehr viele Heftromane mit zum Teil sehr guten Titelbilder. Aber die Namen der Zeichner standen nirgendwo oder irgendwo ganz klein und versteckt im Impressum. Bin auch gespannt auf die Fortsetzung.
#3 Dr. Walter Wehner 2012-05-04 23:30
Bei der Suche nach biographischen Spuren zu dem Illustrator Karl Stephan bin ich auf diesen ausgezeicneten und informativen Artikel gestoßen.
Und warte gespannt auf einen 3. Teil und weitere Infos. Mich interessieren die genauen Lebensdaten
(gestorben an seinem Geburtstag? Wann Wo?), Was hat es mit der Behauptung auf sich (die durchs Netz lief). er sei Mitarbeiter von Albert Speer gewesen, ich habe darüber keine eindeutigen Belege finden können. Über jede Nachricht freute sich
Walter Wehner, Iserlohn
#4 Alex van Dijk 2013-07-22 17:57
Danke für diese Vita von Karl Stephan! Die Links unter dem Artikel stimmen nicht (ab Link zu Teil 2 gibt's einen 404)!
Ich fand Stephan technisch besser und mehr "sophisticated" als Bruck, bei dem viele Cover aussahen wie mit dem Quast gemalt, später in negativer Hinsicht noch getoppt von Eddie Jones, der für Terra Astra und Fischer Orbit Cover gemalt hat, bei denen Rätselraten angesagt war.
Karl Stephans Leben wird wohl immer ein Rätsel bleiben, fürchte ich …
#5 Hermann Wolter 2020-02-05 13:43
Jonny Bruck ( mit dem ich intensiven Kontakt hatte ) hat mir erzählt, dass er von Stephan das Zeichnen von Raumschiffen gelernt habe. Seine frühen Zeichnungen für die Utopia- und Terra-Kleinbände waren in diesem Bereich wirklich schwach. Er hat wiederum hat versucht Stephan bei der Gestaltung von Personen zu helfen.
Beide wohnten damals im Großraum München.

Als Sammler von SF-Heft-Originalzeichnungen schätze ich beide.
Hermann Wolter

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