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Glaubenskrieger, Ehen und der Harem

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, nach einem Abstecher der Teestunde zu Ehren Horst Hübners geht es nun weiter mit der Geschichte des Islam. Es geht wieder ins 7. Jahrhundert und in die Gegend zwischen Medina und Mekka und die Frühzeit eine der ganz großen Religionen. Erzähl Rolf! Der Tee ist serviert ...

Glaubenskrieger, Ehen und der Harem

Wir sind in Gedanken wieder in der Wüste in der Stadt Jathrib, die heute Medina heißt und es ist der Monat Ramadan, also der März 624. Etwas über zwei Jahre ist es her, sei Mohammeds Hedschra, der Flucht aus Mekka. Die Gemeinde der Moslems ist in Medina stark angewachsen und rings um die Stadt hat sich Lager aus unzähligen schwarzen Beduinenzelten aufgebaut. Innerhalb der Stadt gibt es bereits Spannungen mit den einst vorherrschenden Familien-Clan der Juden, doch noch ist es nicht zu verschiedenen Pogromen gekommen, an deren Schluss eine Ausweisung der Juden aus ihrer eigenen Stadt steht.

 

Obwohl Mekka seit einiger Zeit wieder die ›heilige Stadt‹ ist, in deren Richtung man betet und durch diese Änderung der Gebetsrichtung weg von Jerusalem die endgültige Trennung zwischen Islam und Judentum erfolgt ist, bedeutet das nicht, dass man die vorherrschenden Familien in Mekka nicht bekämpfen könnte.

Feldherrn, die dem Kaiser von Byzanz oder dem Schah-in-Schah, dem König der Könige von Persien dienen, hätten versucht, diese Stadt Mekka mit Gewalt oder eher noch mit List einzunehmen. Vielleicht hat Omar, jetzt noch eine Art Leibwächter des Propheten und später als Kalif der große Politiker und Stratege des Islam, in Gesprächen mit Mohammed, Ali und Abu Bekr so etwas vorgeschlagen. Doch bin ich überzeugt davon, dass gerade Mohammed dagegen geredet und einen direkten Angriff auf die heilige Stadt sogar verboten hat.

Bei einer Erstürmung über die Mauern der Stadt wie auch durch das nächtliche Öffnen der Tore von innen mit Schlüssen in Form von mit Gold gefüllten Beuteln - immer hätte sich eine wilde, ungezügelte Horde in die Stadt ergossen, die hier rasche Beute machen wollten.

Mord und Totschlag ohne Ansehen von Alter und Geschlecht, Vergewaltigungen und Versklavung wären die Folge gewesen. Es hätte Verstümmelungen und Folterungen gegeben, um die geheimen Verstecke von im Haus verborgenen Schätzen zu erfahren. Die alles mit den Namen des ›Allerbarmers‹ und ›Allbarmherzigen‹ auf den Lippen – und im Herzen die Beutegier.

Mohammed kannte die Araber und ihre Mentalität und wusste, dass sie so hausen würden – wie später die Kreuzritter 1099 bei der Erstürmung von Jerusalem gehaust haben als nach den Worten zeitgenössischer Chronisten außer den ›Franken‹ die einzigen lebenden Wesen in Jerusalem Hunde und Katzen waren.  

Bei den späteren Kriegszügen, die Omar als Kalif führen ließ, waren die Heere der Moslem schon disziplinierter und in ihrer Befehlsstruktur gefestigt. Zu der Zeit aber, in der wir uns in Gedanken gerade befinden, gleichen die Kriegshorden der Araber Wolfsrudeln, in denen nur der Leitwolf war und blieb, der sich im Kampf als der Stärkste, Listigste und Skrupelloseste darstellte.

Die Horden der Moslems, die zuerst im Auftrag des Propheten auszogen, um die Männer einer durch die Wüste ziehenden Karawane zum Glauben an Allah und seinen Propheten zu bekehren, waren nichts anderes als Räuberbanden, wie es sie in diesem Teil des Landes seit grauer Vorzeit gegeben hatte.

Natürlich ging es darum, die reichen Familien von Mekka zu schwächen, indem man ihre Karawanen überfiel und ihnen so die Reichtümer wegnahm. Um aber seine Leute nicht direkt als ›Räuber‹ erscheinen zu lassen – und sich damit vom Propheten zum Räuberhauptmann zu wandeln - riefen die Angreifer den Männern der Karawane vorher zu, sich zum Glauben an Allah und den Propheten zu bekehren und so das Leben zu erhalten.

Von Anfang an hatte Mohammed seine Leute angewiesen, vor jedem Verbreiten des Glaubens mit Feuer und Schwert die Giaurs, die Ungläubigen, erst aufzufordern, das »La Ilah illa Allah – we Mohammed Rasul Ullah« - »Ich bekenne, dass es keinen Gott außer Allah gibt – und das Mohammed der Gesandte Gottes ist« zu bekennen. Allerdings hatte er nicht gesagt, wie lange die Zeit zwischen den Worten und dem Schwerthieb sein sollte. Ich vermute, die Zeit wird sehr kurz gewesen sein.

Wie dem auch sei – durch die Überfälle auf die Karawanen aus oder nach Mekka wurden nur Männer getötet – in den seltensten Fällen Frauen und Kinder, weil man die als Sklaven verkaufen konnte. Und damit war das Gewissen des Propheten, der Frauen und Kinder mochte, beruhigt.

Überhaupt – Frauen. »Der Prophet liebt schnelle Pferde, gutes Essen und schöne Frauen!« ist als Spruch jener Zeit überliefert. Also war Mohammed wie ein Erfolgsmensch unserer Zeit, nur dass es bei uns sehr viele Pferde sind, die sich unter einer Kühlerhaube verbergen können. Doch zu den Frauen Mohammeds kommen wir noch...

Die ersten Überfälle auf die Karawanen von Mekka waren für die wohlhabenden Familien der Stadt vorerst nicht mehr als Nadelstiche und brachten sie keineswegs an den Bettelstab. Ob bei diesen Karawanen nun Treiber und Begleitmannschaft nieder gemacht wurden oder durch rechtzeitigen Übertritt zum Islam das Leben retteten, ist nicht überliefert.

Aber selbst, wenn die Männer einer Karawane sich sofort ergaben und Moslem wurden, um ihr Leben zu retten – die Kamele und was sie an Reichtümern mit sich schleppten, gehörte so oder so dem Propheten. Dieser behielt zwanzig Prozent für seinen Lebensunterhalt und die Kosten für die Moschee und die Armenpflege, die restlichen achtzig Prozent bekamen die ›Glaubenskämpfer‹.

Was sicher ein einträgliches Geschäft war, bei dem man zu einem gewissen Wohlstand kommen konnte. Und wenn es schief ging und man zwar nicht ins Gras, sondern in den Wüstensand beißen musste, dann kam man als ›Glaubenskämpfer‹ direkt in Allahs Paradies und konnte sich mit Wein, der hier merkwürdigerweise den Gläubigen dann erlaubt war und schönen Huris für den Rest der Ewigkeit erfreuen.

Übrigens – das Verbot von Wein und alkoholischen Getränken besteht zu dieser Zeit noch nicht. Erst bei künftigen Kämpfen, als man daran ging, Disziplin in das Heer des Moslem zu bringen, verbot Mohammed den Wein. Oder besser alles »was Trunken macht, sei verflucht« - um es ungefähr mit den Worten des Koran zu sagen.

In Medina und in den Zelten drum herum gab es genug Araberkrieger für Überfälle auf Karawanen, dass der Erfolg der Moslems auf jeden Fall rein von der Zahl her schon fest stand. Natürlich wurde auch mal gestorben, weil sich ja nicht alle dem Propheten unterwarfen und der Glaube nur vom „geistigen“ her ein sicherer Schild ist. Gegen einen Schwertstreich, einen Pfeil oder einen Lanzenwurf nützt dieser ›Schild‹ gar nichts und so sind bei diesen und auch den späteren Kämpfen in den ›Heiligen Kriegen‹ nicht alle Männer wieder zurückgekehrt.

Die Frauen der toten Krieger hatten da natürlich ein Problem. Der Ernährer war tot und sie waren auf sich gestellt und auf die Mildtätigkeit von Einzelnen und der Gemeinde angewiesen. Von sexuellen Bedürfnissen mal ganz zu schweigen. Rasch erkannte Allahs Prophet die Problematik, die sich da stellte.

Praktischerweise war dann der Erzengel Gabriel zur Stelle und die vierte Sure, genant »Von den Weibern« ist eindeutig aus der Zeit in Medina. Darin heißt es in den Versen 3 und 4:
»Und fürchtet ihr, unrecht an den Waisen zu handeln, so heiratet von den Weibern, soviel euch beliebt, zwei, drei oder vier. Fürchtet ihr aber, sie nicht gerecht behandeln zu können, dann nur eine und nehmt Sklavinnen, die unter eurer Hand stehen, deshalb, damit ihr nicht frevelt.

Und gebt den Weibern ihre Morgengabe als Hochzeitsgeschenk. Und wenn sie selbst euch etwas davon erlassen, so verzehrt es, verdaulich und bekömmlich.

Den Unverständigen aber gebt nicht das Vermögen, dass Allah euch zum Unterhalt anvertraut hat, sondern verpflegt sie davon und kleidet sie, auch redet mit ihnen gebührliche Worte.«
Müssen wir schon wieder etwas anhalten, weil über die Stellung der Frau im Islam und über die ›Vielweiberei‹ zu viele Vorurteile herrschen und man tief in die Vergangenheit gehen muss, um alles zu begreifen.

Die ›Vielehe‹ war im antiken Orient bei Fürsten und den wohlhabenden Klassen nicht ungewöhnlich, wobei es sich hier aber de facto weniger um eine ›Ehefrau‹ im heutigen Sinn, sondern besser gesagt und eine ›Favoritin‹ handelte. Die restlichen Frauen kann man besser als Konkubinen bezeichnen.

In der Antike wäre eine Vielehe, wie sie der Islam bereits in seinen Anfängen praktizierte und heute noch praktiziert, absolut absurd. Die überall übliche Sklaverei tat in der Antike alles Notwendige, ab einer gewissen Gesellschaftsschicht sexuelle Frustration zu vermeiden. Eine Sklavin konnte sich nun mal den Wünsche ihres Herrn schwerlich verweigern – und gewiss gab es auch genügend wohl gebaute junge Sklaven, die der Herrin des Hauses noch den Abend verschönten, wenn der ihr Cajus noch eine Nachtsitzung im Senat hatte... die aber vielleicht nicht in der Kurie, sondern in einer Taverne der Subura abgehalten wurde. Heute nennt man das Überstunden ... nur die Zeiten haben sich geändert, die Menschen nicht.

Von daher wäre also in Rom oder Griechenland, später in Byzanz oder den germanischen Reichen, eine echte ›Ehe‹ mit mehreren Frauen einfach absurd gewesen. Wenn die Dame des Hauses ihre Migräne oder die monatlichen Beschwerden hatte, pfiff man sich eben eine hübsche Sklavin ... die vielleicht noch etwas Abwechslung ins Männliche Liebesleben brachte. Zumal wenn die jünger und geschmeidiger war.

Natürlich hat es zu allen Zeiten Witwen gegeben, deren Männer gestorben waren. Sei es durch Unfälle oder Krankheiten, in einem der zahlreichen Kriege oder auch durch Mord oder Totschlag. Es gibt sicher Myriaden solcher grausamen Schicksale wie Frauen in allen Zeiten sich ohne ihre Ehemänner durchs Leben schlagen mussten. Und das teilweise auch, wenn ihre Männer zu Lebzeiten recht prominent waren wie z.B. Katharina von Bora, die Ehefrau Martin Luthers. Von der Frau Thomas Müntzers konnte die Wissenschaft nur noch in Erfahrung bringen, dass sie von Landsknechten vergewaltigt wurde und dann mit ihrem Kind im Wald verschwand. Was aus Müntzers Frau und Kind geworden ist – das hat meines Wissens bis heute nicht mal eine Schreiberin historischer Romane zu ergründen bzw. zu erahnen versucht.

War also der Mann tot, musste die Witwe sehen, wie sie und ihre Kinder mit dem Leben zurecht kamen. Mohammed kannte diese Situation sicher schon vor seiner Berufung zum Propheten. Und als eben die Problematik anstand, dass durch die Überfälle der Karawanen von Mekka eine Reihe von Glaubenskriegern den Weg ins Paradies gefunden hatten, da war sofort der Erzengel Gabriel da und gab seine Anweisungen.

Diese später als Suren im Koran festgehaltenen Erleuchtungen Mohammeds, die er in Medina empfing, waren keine wirren und verwirrenden Prophezeiungen mehr wie bei den Suren in Mekka. Die Kora-Suren von Medina betreffen meist das praktische Zusammenleben der Moslems untereinander und bilden für sie so eine Art ›Grundgesetz‹ des Zusammenlebens.

Ich redete eben schon den  Frauen, deren Mann im Kampf für die Sache Mohammeds umgekommen war. Das waren Essen, Unterkunft und alle anderen Dinge des täglichen Bedarfs – die sie jedoch auch in ihrer Familie finden konnten, falls sie von ihr wieder aufgenommen wurde. Oder als Dienerin im Haus wohlhabender Leute. Doch Liebe, Zärtlichkeit und Sex – die gab es in diesem Umfeld nicht – jedenfalls nicht offiziell.

Also gab der Erzengel dem Propheten die passenden Anweisungen, die sich mit Einschränkungen bis heute erhalten haben. Die Einschränkung ist, dass es eben heute keine Sklavinnen mehr gibt. Jedenfalls nicht offiziell – auch nicht in islamischen Staaten.

Deshalb kann der gläubige Moslem heute noch völlig legal bis zu vier Frauen heiraten. Zu Mohammeds Zeiten bedeutete das, dass seine Leute die Frauen gefallener Kameraden nicht nur in ihren Hausstand aufnehmen konnten, sondern sie ihn ihre Kinder auch durch eine Eheschließung legitimieren konnten. Deshalb am Anfang der obigen Koran-Sure der Hinweis auf die Waisen – wobei hier die Kinder der Gefallenen gemeint sind, die selbstverständlich dann im neuen Familienverband mit erbberechtigt sind.

Der Hinweis auf eine Sklavin ›damit ihr nicht frevelt‹ ist sicher als versteckter Hinweis auf männliche Selbstbefriedigung gemeint, die im Sinne des Korans eine schwere Sünde darstellt. Wie wir ja wissen, wird Homosexualität nach dem Gesetz der ›Scharia‹, d.h. nach dem aus dem Koran und der Überlieferung herausgefiltertem Rechtsempfinden der ›Gläubigen‹, mit dem Tode durch Steinigung bestraft. Aber nach der Scharia wird ja auch Dieben die Hand abgehackt – wie es bei uns in Europa bis weit in die frühe Neuzeit auch üblich war.

Ein Moslem kann also völlig korrekt vier Frauen heiraten und hat somit kaum noch sexuelle Probleme. Aber – wo die Probleme nicht sexueller Natur sind sie es in Sachen Finanzen. Denn Ehefrauen – und das sind sie nach dem Gesetz - haben nach dem Koran alle die gleichen Rechte. Was die eine bekommt, das steht allen anderen Frauen auch zu.

Was also bedeutet – wenn man einer Frau ein Kleid kauft, stehen nach Recht und Gesetz des Islam den anderen Frauen – egal, ob eine, zwei oder drei – auch jeweils Kleider in gleicher Qualität und gleicher Preisklasse zu. Was das beim Sex bedeutet, kann sich jeder Mann sicher gut vorstellen. Man muss schon ein Potenz-Büffel sein, um vier Frauen mit ›markiger Manneskraft‹ so zu behandeln, dass sich keine benachteiligt fühlt. Und ein wahrlich reicher Mann, die Wünsche einer Ehefrau mal Vier zu erfüllen.

Bei den Ehefrauen gibt es keine ›Favoritin‹ wie im viel gerühmten ›Harem‹ der Traumfabrik Hollywood, wo sie mit Perlen und Juwelen überschüttet wird und der alle anderen Mädels zu dienen haben. Ist die Frau erst mal geheiratet, hat sie die gleichen Rechte wie ihre bereits vorhandenen Geschlechtsgenossinnen.

So ist es zu verstehen, dass die Vielehe bei den heutigen Moslems eher eine Seltenheit ist. Wer als Mann verheiratet ist und die täglichen Bedürfnisse seiner Frau kennt, für den ist es ein Rechenexempel festzustellen, ob sein monatliches Gehalt sich eine ›Zweit-Frau‹ für den sporadisch wieder kehrenden ehelichen ›Migräne-Ausfall‹ erlaubt. Von der üblichen Nerverei und diversen Rosenkriegen mal ganz abgesehen. Selbst die Könige von Jordanien und Marokko führen eine Einzel-Ehe – wobei sich diese Herrn auf jeden Fall drei zusätzliche Frauen leisten könnten. Und auch ein Sultan wie Soleiman der Prächtige hatte trotz des gewaltigen Harem im Topkapi-Palast nur eine einzige richtige Ehefrau.

Harem! Ja, da ist es wieder! Harem! Ein geheimnisvoller Zauber liegt in diesem Wort und die Märchen der Scheherazade steigen in uns empor.

Bei dem Begriff Harem geht bei den meisten Leuten wieder die Phantasie durch und sie denken an so schöne Filme wie in »Nächte im Harem«, in denen Film-Helden wie Douglas Fairbanks und Errol Flynn dem Sultan die Lieblingsfrauen klauten. Wer dann in Istanbul im Topkapi-Palast den Harem besichtigt (Extra-Eintritt und wegen der Weitläufigkeit nur mir Führung), der wird schwer enttäuscht sein, weil das alles doch nicht so groß, hell und goldüberladen ist wie in den Hollywood-Produktionen vergangener Zeiten.

Im Gegenteil, es ist ziemlich düster und von einigen Räumlichkeiten, in denen sich der Sultan an Musik und Bauchtanz erfreute, herrscht auch drangvolle Enge. Jedenfalls wenn man sich vorstellt, dass hier mal ca. 300 Mädchen und Frauen lebten und untergebracht waren – von den Sklavinnen, Sklaven und den bewaffneten Harems-Wächtern mal ganz zu schweigen.

Das Wort ›Harem‹ bedeutet eigentlich einen Teil des Hauses, der für Besucher gesperrt ist und nur der Familie offen steht. Vergleichbar ist in unseren Wohnzimmern das eheliche Schlafzimmer, das bei einer Wohnungsbesichtigung nicht immer geöffnet wird. Aus was für Gründen auch immer – die ›Hobby-Werkstatt‹ bleibt meist geschlossen. Besuche führt man bei uns ins Wohnzimmer – für den Orient kenne ich nur den türkischen Begriff ›Selamlük‹ für die Räumlichkeiten, wo Besuche empfangen werden.

Es wäre falsch zu sagen, dass im Harem, egal ob im ›Topkapi‹ oder sonst einem ›Sarray‹ (Serail) die ›Ehefrauen‹ des Sultans wohnten. Als Emir, als Pascha oder sonst ein Fürst des Landes, vom Sultan einmal abgesehen, bekam man nämlich von seinen Untergebenen die schönsten Töchter des Landes zum Geschenk, kaum dass sie geschlechtsreif waren – was sehr früh eintrat.

Das war für einen Familienvater sehr praktisch, um sich unnütze Esser vom Tisch zu schaffen – die es auf diese Art ›mal besser haben sollten als Vater und Mutter‹. Ob der Emir in seinem Wüstenschloss die Kleine dann an einen Pascha oder gar den Sultan selbst weiter gab oder als Sklavin verkaufte, war dann nicht weiter von Belang – die Eltern hörten nichts mehr von ihr.

Nehmen wir mal an, ein Emir hat ein zwölfjähriges Mädchen geschenkt bekommen, sieht sie aber ebenfalls als unnötige Esserin an und schenkt sie bei seinem nächsten Besuch in der Hauptstadt dem Sultan selbst, um sich bei ihm einzukratzen. So was kann einer Karriere durchaus förderlich sein – vorausgesetzt, sie ist dann noch ›von weißer Seide‹, um es mal diskret auszudrücken. Denn das wird geprüft, bevor sie der Sultan in seinen privaten Hausstand, eben jenen Harem, aufnimmt. Stellt man dann fest, das sie von ›roter Seide‹ ist, kann es geschehen, dass der Schenker das Rentenalter nicht erreicht.

Denn in der Nacht gehen die ›Stummen‹ durch den Palast, muskulöse, schwarze Sklaven, denen man die Zunge heraus gerissen hat. Mit Tüchern aus Seide führen die die Befehle des Sultans aus. Die Delinquenten werden aus dem Schlaf gerissen, festgehalten und erdrosselt. Wobei eine gelbe Farbe des Tuches die höchste Ehre bedeutet und mir für Wesire, Paschas und Emire vorgesehen ist. Aber wenn man erst mal tot ist, interessiert die Farbe der Seidenschnur ohnehin nur noch die Familie, ob man dem Todgeweihten eben noch eine gewisse Ehre zukommen ließ.

Das Mädchen kommt also in einem kleinen Raum von vielleicht 10 bis 12 qm (schätze ich jedenfalls seit der Besichtigung) und lebt dort mit sechs bis zehn Mädchen zusammen. Diese Zimmer sind um einen Innenhof gruppiert, in dessen Mitte sich ein Brunnen befindet. Ja, und wenn keine äußerst glücklichen Umstände eintreten, war's das mit dem Leben.

Gewiss, es gibt keinen Hunger und keinen Durst hier. Man trägt schöne Kleider und wird in alle Arten der Schönheitspflege eingeweiht. Für Mädchen mit gleichgeschlechtli8chen Neigungen ganz sicher das wahre Paradies.

Aber die anderen Frauen und Mädchen warten auf den großen Augenblick, der vielleicht kommen kann. Denn es kann ja doch mal passieren, dass der hohe Gebieter zufällig gerade durch diesen Hof geht und das Auge länger auf einem der Mädchen ruht. Denn dann kann es passieren, dass eine flüchtige Handbewegung des Beherrschers der Gläubigen anzeigt, dass man ihm das Mädchen am Abend zuführe.

Und wenn sie klug ist, dann setzt sie alles daran, dem ›Herrn und Gebieter‹ so zu gefallen, dass es kein ›One-Night-Stand‹ wird.

Gelingt es dann, das Interesse des ›Herrn‹ zu erwecken, sei es durch besonders ausgefeilte Liebes-Akrobatik oder Märchen, die ›danach‹ erzählt werden, um sie an der spannendsten Stelle abzubrechen (wobei die Märchen aus 1.001-Nacht vermutlich so entstanden sind), dann kann man vielleicht dem eigentlich tristen Dasein im Harem entrinnen. Noch besser ist es, wenn man ein Kind des Sultans erwartet. Dann muss man sich schon auf einen Kampf mit der eigentlichen ›Herrin des Harem‹ gefasst machen.

So war es bei der berühmt-berüchtigten Roxelane, der es gelungen war, nicht nur die Aufmerksamkeit Sultan Solaimans des Prächtigen auf sich zu ziehen und dann seine Liebe zu gewinnen, dass er die Tscherkessin als einzige Ehefrau heiratete. Roxelanes ›Türbe‹, d.h. ihre kleine Grabmoschee auf dem Friedhof hinter der Sultan Solaiman-Moschee in Istanbul ist leider nicht zu besichtigen. Allerdings kann man in die Türbe Solaimans hinein – wenn auch gegen Zahlung eines Betrages zum Erhalt des Gebäudes (sogar mit Spenden-Quittung). So war es mir seinerzeit vergönnt, mich vor dem Sarkophag eines der großartigsten Herrscher der Weltgeschichte zu verneigen. 

Wir redeten eben von der ›Herrin im Harem‹. Das ist, so lange sie lebt – die Mutter des Sultans. Wobei sie einst genau so ein Mädchen war, dass dem Sultan zum Geschenk gemacht wurde und die es schaffte, dass ihr Kind es schaffte, nach dem Tod des Vaters den Thron zu besteigen. Dass er vorher allen seinen Brüdern und Halbbrüdern die ›Stummen‹ schicken musste, war hier eben ›Kismet‹, also ein unveränderliches Schicksal.

Die meisten der dreihundert Mädchen im Topkapi-Harem hat der Sultan nie zu Gesicht bekommen. Aber bevor sie vom Alter gezeichnet und unansehnlich wurden, gab sie der Sultan verdienstvollen Untergebenen als Ehrengeschenke. Aus dem Land ringsum kamen ja immer wieder neue ›Geschenke‹, auf das der Harem nicht leer wurde.

Wer übrigens heute als Mann durch die Räume des Harems geht, sollte sich dessen bewusst sein, dass zu ›Sultans Zeiten‹ es in diesem Bereich nur einen ›richtigen Mann‹ gab – nämlich den Sultan. Alles andere waren Eunuchen – vornehmlich Neger aus Nubien. Und wenn einer gefasst wurde, der wie Errol Flynn im Film in den Harem eindrang, an dem wurde vor der ›Trennung von Körper und Geist mittels eines Axthiebes‹ jene kleine Operation vorgenommen, die aus einem wilden Zuchtbullen einen zahmen Ochsen im Geschirr macht.

So viel in aller Kürze zum legendären Begriff ›Harem‹. Jetzt noch mal schnell zurück zu dem Koranvers, weil der Schluss sicher auf einige Fragen aufwirft.

Die »Morgengabe der Weiber«, darunter ist aus der Situation, in der Mohammed diese Worte sprach, der Hausstand des toten Mannes zu betrachten. Damit kauft sich die Frau in die neue Familie ein. Der Mann soll ihr diese ›Morgengabe‹ jedoch ›zurückgeben‹, d.h. als ihr Eigentum erklären. Denn falls auch er im Kampf fällt, hat sie Frau wenigstens etwas Vermögen – was sie nicht hätte, wenn man ihre Habe in die eigentlichen Besitztümer integriert.

Von daher war Mohammed ein sehr weit blickender Mann und gar nicht so ›frauenfeindlich‹ wie er von gewissen Kreisen gern gesehen wird. Allerdings erlaubte es der Prophet auch ausdrücklich ›wenn sie euch selber etwas davon überlassen, dann verzehrt es‹ dieses Vermögen nicht komplett aufzusparen, sondern in den täglichen Bedarf mit einfließen zu lassen. Wobei wir eben hier immer darauf achten müssen, wie die Worte seinerzeit gemeint waren. Nicht, was neue Zeiten und neue Betrachtungen und vor allem neues Rechtsempfinden daraus gemacht haben.

Der letzte Satz von den ›Unverständigen‹, denen man nicht das ›von Allah anvertraute Vermögen‹ geben soll, sondern die man davon nähren und kleiden soll, hatte seinerzeit auch eine andere Bedeutung. Damals waren die Frauen in Arabien nicht so einfach in der Lage, selbst einen Hausstand zu führen und Mohammed greift nur das Bibelwort auf, dass eben die Frau nach göttlichem Gebot dem Mann untertan ist.

Allerdings spricht Mohammed hier nicht allgemein von ›Frauen‹ sondern von den ›Unverständigen‹ - was wir heute das ›Heimchen am Herd‹ nennen, das außer Küche, Kinder und Kirche keinen weiteren Horizont hat und tatsächlich einer ›führenden Hand‹ bedarf. Mohammed wusste sehr wohl, dass sich Frauen mit ihrer Intelligenz und praktisch denkendem Verstand sehr wohl in dieser von Männern dominierten Welt behaupten konnten. Seine Frau Chadidscha, an der er trotz des Altersunterschiedes bis zu ihrem Tod in Liebe hing, hatte es ihm als erfolgreiche Kaufmannsfrau ja vorgemacht. Nicht Mohammed, Chadidscha war im Handelshaus in Mekka ›der Boss‹.

All diese Dinge muss man berücksichtigen, wenn man die Schlagworte der heutigen Presse über den Islam und seine Vertreter im positiven wie im negativen Sinn richtig einordnen will. Grob gesehen sind die Worte des Koran genau so überholt wie die Inhalte der Apostelbriefe. Man muss schon tiefer in die Materie eindringen und, wie bei einer Interpretation von Bibeltexten auch, sich in geschichtlicher Hinsicht etwas auskennen, um den Sinn dieser Religiosität heraus zu filtern.

Wo wir es nicht gut heißen können sollten wir wenigstens versuchen, durch Erforschung der Grundlagen diese Dinge zu akzeptieren. Und deshalb wird meine Exkursion in die Geschichte und zu den Hintergründen des Islam, für die ich zwei bis drei Teestunden angesetzt hatte, immer länger und länger...

Und die große Karawane von Mekka bewegt sich immer noch von Damaskus in Richtung Süden, wo Mohammeds Scharen sie am Brunnen von Badr erwartet.

Mal sehen, ob ich es schaffe, diese Sache nächste Woche abzuhandeln...

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