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Wurzeln, Islam, Ali und die Omajaden

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, wir erfreuen uns der Teestunde sehr lange. Die Wurzeln liegen in unseren Plauderstunden. Erzähl doch mal darüber, und dann geht’s zurück zu den Wurzeln des Islam und nach Damaskus. Der Tee ist serviert ...

Wurzeln, Islam, Ali und die Omajaden

Unsere Betrachtung über die Entstehung des Islam und seine Glaubensgrundsätze hat sich in der Teestunde viel mehr ausgeweitet, als ich das ursprünglich wollte. Aber weil noch kein Protest der Teestundenfreunde eingegangen ist und die christlichen Kirchen mich nicht anklagen, ich würde für den Islam missionieren, machen wir erst mal so weiter.
 
Keine Sorge, ihr werdet schon anschließend keine ›Rechtgläubigen‹, die freitags zur Moschee pilgern anstatt sonntags in die Kirche.

 

Und auf diese Weise bleibt die ›Teestunde‹ dem Zauberspiegel länger erhalten, als ursprünglich geplant war. Immerhin, die Wurzeln der Teestunde sind ein Interview, wo ich die Fragen ›etwas umfangreicher‹ beantworten musste. Was dann dabei rauskam, war ein Plauderstündchen, wie es immer kommt, wenn ich mal Besuch von Leuten aus dem früheren Fandom habe und wir bei einer guten Tasse Tee über ›alte Zeiten‹ plaudern. Nicht mehr – und nicht weniger. Und Hermann hat die Sache von Anfang an ›Teestunde‹ genannt, weil ich heute meinen Gästen nicht mehr, wie in früheren Jahren, Bier oder Whisky vorsetze – sondern eben Tee – und das nach Wahl: Darjeeling, Assam, Ceylon, Marsala-Chaiy, Earl-Grey, Broken Orange, englische oder ostfriesische Mischungen etc ...

Warum soll in einer Kolumne zwischen einem Reisebericht aus dem Teil der Welt, wo die großen Weltreligionen ihren Ursprung haben, nicht mal über eben diese Ursprünge etwas geplaudert werden. Hier in unserer Plauderstunde geht es ja auch nicht direkt um Glaubensinhalte, sondern um historische Tatsachen, die allerdings von den Vertretern der Religionen gern unter den Tisch gefegt werden. Und das nicht nur im Islam, sondern besonders im Christentum. Die Zeit Jesu und der Apostel von der Zeit her gesehen war etwas anders, als sie der Pfarrer auf der Kanzel aus den Buchstaben des Neuen Testamentes predigt.

Gleiches gilt für die Zeit Mohammeds und seiner Nachfolger, die man traditionell die ›rechtgeleiteten Kalifen‹ nennt. Und alle diese ›Rechtgeleiteten‹ (Abu Bekr, Omar, Othman und Ali) waren Weggefährten des Propheten und gehörten zu seiner Familie und zum engsten Kreis.

In der letzten Teestunde haben wir uns mit den Visionen beschäftigt, die Mohammed auf dem Berg Hira hatte, als ihm der Erzengel Gabriel erschien und ihm das ›Buch‹ zum Lesen gab. Wie die Propheten des Alten Testaments, aber auch wie Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth, war auch der Mann aus Mekka in die Wüste gegangen, um Gott zu suchen. Er nahm nur einen kleinen Beutel mit Datteln und einen Ziegenschlauch mit Wasser mit. Was mich seinerzeit mal zu der Bemerkung reizte, dass mir bei dieser Kost an einem solchen Ort der Erzengel Gabriel schon viel früher erscheinen würde.

Was es mit der Erscheinung auf sich hatte, ist genauso eine Frage des Glaubens wie das Dogma, dass jenes das Universum schaffende Überwesen, das wir mit dem profanen Wort ›Gott‹ bezeichnen, einen Sohn gezeugt hat – und nur zu dem Zweck, dass er auf die grausamste Art stirbt. Und das auch nur zu dem Zweck, um eine Verfehlung der allerersten Menschen, die ein ›allwissender Gott‹ hätte voraussehen müssen, zu sühnen und Gott wieder gnädig zu stimmen.

Sosehr ich die Institution ›Kirche‹ bejahe – das ist das Denken der Kanaaniter und Phönizier (z. B. auch in Karthago), die dem Gott Baal Melkart (besser als Baal Moloch bekannt) in Zeiten der Gefahr ihre Kinder opferten. Aber mit diesen Dingen können wir uns ein anderes Mal beschäftigen. Vermutlich hat Mohammed jedoch ähnlich gedacht. Denn für ihn war Jesus ein Prophet und Gesandter Gottes, wie er sich selbst gesehen hat.

Allah, der Allmächtige, war, ist und wird sein – er wurde nicht gezeugt – und er zeugt keine Söhne und Töchter wie die alten Götter des Heidentums.

›La Ilah illa Allah ...!‹ Es gibt keinen Gott außer Gott (bzw. Allah) – das ist die eine Hälfte des islamischen Bekenntnisses, die ich persönlich mit akzeptieren kann. Nur das: ›... wa Mohammed Rasul Ullah!‹ - und Mohammed ist der Gesandte Gottes –, das sehe ich persönlich etwas anders. Denn jener unendliche Geist, der alles geschaffen hat und alles zusammenhält, der große ›Baumeister der Welten‹, wie ihn die Freimaurer nennen, der braucht meiner Auffassung nach keine Propheten und Gesandte. Aber bitte, wer es glauben will – als Kind habe ich schließlich auch mal fest geglaubt. Nur je mehr ich mich in das Studium der alten Geschichte vergraben habe, die Texte der Bibel immer wieder durchgeackert, mich durch den Koran gequält und mich mit allen anderen Religionen auseinandergesetzt habe, kam mir, wie dem griechischen Philosophen Epikur, die ›Erkenntnis‹, dass es wohl Gott oder Götter gibt, dass die sich aber nicht um die Menschen kümmern. Und damit lebe ich ganz glücklich.
 
Wie ich schon erwähnte, war die Lehre Mohammeds, dass es nur einen Gottes gibt, in Arabien genauso wenig etwas Neues wie im heidnischen Rom. Sie wurde nur von der allgemeinen Bevölkerung erst einmal abgelehnt, weil man dort sich eben lieber Göttern mit besonderen Zuständigkeiten anvertraute, als einem allumfassenden ›großen Boss‹.

Um diese Lehre ›richtig zu verkaufen‹ griff Mohammed auf eine erfolgreiche Strategie des Paulus von Tarsos hinzu, der sich selbst gern als ›Apostel Christi‹ bezeichnet, ohne Jesus überhaupt gekannt zu haben. Was jedenfalls zu vermuten ist. Sollte ich jedoch mal zu dem Fragment ›Passion‹ (im Zauberspiegel zu finden) den kompletten Roman schreiben, dann wird ein gewisser Rabbiner und Zeltmacher aus Tarsos sich sehr wohl mit Jesus von Nazareth unterhalten.

Aber selbst die Apostelgeschichte, in der sich die Lukas-Persönlichkeit nach Kräften bemüht, das ›Aposteltum‹ des Paulus zu untermauern, kann so eine Episode nicht aufweisen. Denn als die Apostelgeschichte geschrieben wurde, lebten noch genug Leute, die dabei waren. Es wäre peinlich geworden, wenn in diesem Text – nennen wir es mal "Unwahrheiten" - gestanden hätten, die dann von anderen Zeitgenossen aufgedeckt worden wären.

In der ›Villa Papyrii‹ in Herkulaneum mag Zündstoff dieser Art lauern. Bis jetzt hat man nur Teile der ›griechischen Bibliothek‹ dieser Villa ausgegraben. Vielleicht finden sich dort ja Schriftrollen von Zeitgenossen, die vom Leben und Sterben des Jesus von Nazareth samt seiner Jünger und Apostel berichten. Zeugnisse von Leuten, die vermutlich alles mit eigenen Augen angesehen haben.

Was eine solche Schrift für die Kirche und die christliche Religion bedeuten kann, ist kaum auszudenken. Philipp Vandenberg hat ja schon in seinem Buch »Das fünfte Evangelium« einen Roman draus gemacht – wobei diese ›Enthüllung‹ des fünften Evangeliums nicht viel zu bedeuten hat: Jesus war mit Maria Magdalena verheiratet und hatte einen Sohn - ich hätte statt dieses ›alten Hutes‹ da ganz anderen Zündstoff reingelegt.

Aber als Vandenberg das Buch geschrieben hat, war man noch vorsichtig. Zwar haben Autoren, die in ihren Romanen auf diese Art an den Grundfesten der Religionen rütteln, von der christlichen Kirche nicht mehr zu befürchten, dass man sie vor den Großinquisitor zerrt und ihnen bei einem Autodafè das Feeling eines Grillhähnchens zukommen lässt – aber seit Salman Rushdies ›Satanische Verse‹ wissen wir, dass die Gläubigen Allahs in dieser Hinsicht keinen Spaß verstehen. Und wenn man für den Zauberspiegel schreibt, hat man nun mal nicht das Geld für Personenschutz und einem Versteck in den schottischen Highlands.

›Enthüllungen‹ über den Islam und den Propheten sind ja auch nicht zu befürchten, weil der Koran seit der Redigierung durch den ›rechtgeleiteten Kalifen‹ Othman vom Text her nicht mehr bearbeitet wurde und noch genau den gleichen Text hat wie im Jahr 653. Die christliche Heilige Schrift konnte in den ca. 800 Jahren bis zur Erfindung des Buchdrucks (1448) und der Gutenberg-Bibel von den Oberen der Kirche immer wieder neu ausgelegt werden – um mal das Wort ›redigiert‹ zu vermeiden -, wenn irgendwas in der christlichen Lehre nicht nach dem Verständnis der mittelalterlichen Obrigkeit war.

Der Koran – was ist das eigentlich genau?

Ja, eigentlich sind es Worte und Predigten Mohammeds, die er in der Öffentlichkeit oder unter Freunden redete. Für den gläubigen Moslem sind sie dem Propheten vom Erzengel Gabriel in den Mund gelegt. Wir werden noch erfahren, wie rasch der Engel manchmal Fragen beantwortet, die Mohammeds Gemeinde oder seine heidnische Umwelt dem Propheten stellte.

Diese Worte oder Predigten sind teilweise sehr lang, teilweise sehr kurz – und nicht einmal alles hat was mit Religion zu tun, wie uns die 111te Sure zeigt, die ich hier zitiere:

Im Namen Allahs, des Allerbarmers und Allbarmherzigen!
Unter gingen die Hände des Abu Lahab – unter ging er.
Nichts nützt ihm sein Vermögen und was er erworben.
Braten wird er dereinst im Feuer, dem Eigner der Flamme.
Und sein Weib ist des Holzes Trägerin.
Um ihren Hals ein Strick aus Palmenbast'!

Über Abu Lahab und seine Frau werden wir noch einiges hören. Denn er war der Kopf der Koreischiten, die in der ersten Zeit in Mekka Mohammeds ärgste Feinde waren. Seine Frau war jene Hind, die im Film »Mohammed, der Gesandte Gottes« durch Irene Pappas dargestellt wird.

Wir sehen also, dass Mohammed auf seine Art gegen die ›Schriftgelehrten und Pharisäer‹ wettert. Mit Religion und dem ›Wort Gottes‹ hat diese Sure nun wirklich wenig zu tun. Auf den Inhalt des Korans kommen wir später im Verlauf unserer weiteren Betrachtungen zu sprechen. Hier geht es erst einmal um die Entstehung.

Durch die heutige Medien-Technik würde selbstverständlich jedes Wort und jede Bemerkung einer Persönlichkeit, wie sie Jesus oder auch Mohammed waren, aufgezeichnet und in Daten abgespeichert. Damals war die Sache etwas komplizierter. Was für die Nachwelt erhalten werden sollte, musste niedergeschrieben werden.

Aber wie soll man das machen, wenn der ›Geist Gottes‹ oder der ›Engel‹ über seinen Gesandten kommt und ihn reden lässt? Jesus in der einfachen aramäischen Sprache von Galiläa, Mohammed in der blumenreichen arabischen Sprache des Orients mit einer Wortgewalt, wie sie kaum eine andere Sprache besitzt.

Ich habe in meinem Leben mit ziemlich vielen Muslimen gesprochen, die teilweise tiefgläubig waren, und einige von ihnen hatten auch die Haddsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, gemacht. By the way, die ›Haddsch‹ ist nur gültig im heiligen Pilgermonat ›Dhu- l – Hiddscha‹. Natürlich kann die Stadt Mekka und die heiligen Stätten auch das ganze Jahr über besucht werden, aber als ›Haddsch‹, als Pilgerfahrt, gilt es nur an den Tagen, wo sich Hunderttausende durch den Innenhof der Großen Moschee um die Kaaba drängen oder von Mekka zum Berg Arafat zu ziehen, um auf dem Weg den Teufel zu steinigen.

Diese Muslime haben mir erklärt, dass sich die Macht der Sprache des Korans nur offenbart, wenn sie im Hoch-Arabisch gesprochen wird – und dann auch mit der notwendigen Betonung. Ich kann das bestätigen, auch wenn ich natürlich kein Wort verstanden habe. Aber das, was ich hörte, war wie ein im Sturm wogendes Meer oder ein herabfallendes Gebirge. Worte, die wie eine Musik aus einer anderen Welt klangen.

Eine eigenartige Poesie tut sich da auf. Doch ich bin sicher, dass die Balladen von Goethe oder Schiller – richtig mit Betonung vorgelesen – den gleichen Effekt haben, auch wenn der Hörer der deutschen Sprache nicht mächtig ist.

Aber – wie ich schon sagte, bei einer arabischen Koran-Lesung ist die Betonung wichtig. Sonst leiert es sich so runter, wie man es im Topkapi-Serail in Istanbul in jenem Raum hören kann, in dem ein Hausrock des Propheten aufbewahrt wird. Dort werden von morgens bis abends durch sich abwechselnde Leser Koran-Suren zitiert – und die haben nicht diese Wirkung, weil sie genau so runtergeleiert werden wie die feststehenden Gebete in den Kirchen – von der alten katholischen Messe in lateinischer Sprache mal ganz zu schweigen.

Von diesem Hausrock des Propheten, der dort neben Barthaaren Mohammeds, zwei seiner sieben Schwerter und seinem Bogen aufbewahrt wird, gibt es übrigens eine Episode, die mir Mohammed als Mensch so richtig sympathisch macht.

Der Prophet ließ diesen Rock in seinem Haus in Medina zurück, als er hinüber zur Moschee gehen wollte, um dort wie üblich bei den fünf täglichen Gebeten Vorbeter zu sein. Als er zurückkam, hatte die Katze in diesem Rock ihre Jungen zur Welt gebracht – und der Gesandte Allahs brachte es nicht fertig, der Mutter und ihren Kleinen das ›Nest‹ streitig zu machen. Dieses Kleidungsstück gehört zu den wenigen Dingen aus Mohammeds Besitz, die heute noch vorhanden sind.

Ja, die Suren des Korans sind also die aufgezeichneten Worte des Propheten, die teilweise in Mekka und später nach der Flucht nach Medina dort geredet wurden. Natürlich hatte Mohammed keinen Sekretär mit Stenoblock bei sich – obwohl mit den ›Tironischen Noten‹ bereits in der Römerzeit eine Kurzschrift entstand. Tiro, der Sekretär-Sklave Ciceros, hatte sie erfunden, weil sein Herr unbedingt alles festgehalten haben wollte, was er so an Weisheiten zum Besten gab. Aber in der Umgebung Mohammeds war eine solche Kurzschrift garantiert nicht bekannt. Zudem es ja auch oft genug an Material mangelte, was beschrieben werden konnte.

Und so sind die ursprünglichen Worte Mohammeds rein zufällig von seinen Getreuen auf Papyros, Palmenblätter oder den Schulterknochen von Hammeln und Kamelen niedergeschrieben worden.

Solange Mohammed lebte, kümmerte sich da niemand darum, und diese Dinge wurden irgendwo abgelegt. Niemand dachte daran, dass Mohammed, der sich stets als ›Mensch‹ bezeichnete, eben wie ein Mensch sterben könne. Dies geschah dann völlig unerwartet im Jahr 632 und der Tod des Propheten bringt genauso viele Spekulationen, wie der Tod des Märchenkönigs Ludwig II. Nur vermutet man hier, dass Mohammed durch ein langsam wirkendes Gift umgekommen ist. Das ist aber jetzt nicht unser Thema.

Solange Mohammed lebte, konnte er reden und predigen – und niemand brauchte sich um Dinge, die er mal in früheren Jahren gesagt hatte, Gedanken machen. Denn gelegentlich kam der Engel und brachte nicht nur zu den ›Verordnungen‹ zusätzliche ›Durchführungsverordnungen‹ sondern auch immer wieder ›Verordnungen zur Änderung der Durchführungsverordnungen‹.

Der Islam war also, so lange Mohammed lebte, eine Religion, die sich von den inneren Strukturen her verändern und neuen Gegebenheiten anpassen konnte. Passte irgendwas nicht ins Konzept und musste überdacht und neu formuliert werden – schwupp – war der Engel da und brachte die ›reine Lehre‹ auf den aktuellen Stand.

Nach Mohammeds Tod war den Männern seiner Nachfolge klar, dass zu ihnen kein Engel kommen würde – oder dass ein solcher Engelsbesuch von den Gläubigen nicht so recht akzeptiert würde. Man musste also aus dem, was Mohammed zu seinen Lebzeiten gesagt hatte, ein Buch schaffen, das als religiöse ›Leitlinien‹ betrachtet werden konnten.

Abu Bekr war einer von Mohammeds engsten Freunden und einer seiner Schwiegerväter. Denn nach Chadidschas Tod hatte der Prophet mehrere Frauen – Aischa, die jüngste, war die Tochter Abu Bekrs. Man einigte sich darauf, nicht dem wilden und ungestümen Ali, sondern dem alten und besonnenen Abu Bekr die Nachfolge des Propheten als Kalif anzuvertrauen. Es waren ihm jedoch nur zwei Jahre vergönnt, die er hauptsächlich darauf verwendete, alles, aber auch wirklich alles, was von Mohammeds Worten und Predigten aufgeschrieben war, zu sammeln und dann alle Texte von den Palmenblättern, Kamelknochen und Papyri abschreiben zu lassen.

Die einzelnen Texte der Predigten oder Reden werden als ›Suren‹ bezeichnet und sie sind von unterschiedlicher Länge. Die erste Sure, die ›Fathia‹, habe ich in der letzten Teestunde schon zitiert. Aber danach wird die Sache schon problematisch.

Denn leider hat Abu Bekr die Suren nicht nach der Zeit der Entstehung geordnet, sondern nach der Länge. Sie beginnt mit der ›Sure von der Kuh‹ mit fast 50 Druckseiten – und die letzten Suren bestehen, wie die Verfluchung Abu Lahabs, aus wenigen Sätzen. Zum Inhalt des Korans werden wir noch kommen.

Experten können zwar ungefähr ausmachen, welche Suren in Mekka gesprochen wurden und welche in Medina. Aber leider nicht die Folge, in der sie gehalten wurden. Außerdem finden sich im Koran sehr viele Geschichten aus den Büchern Moses im Alten Testament wieder – wenn auch teilweise etwas ›geändert‹ - wir erinnern uns, nach moslemischer Vorstellung wurde Mohammed von als Gesandter Gottes geschickt, weil Juden und Christen in ihren heiligen Schriften Änderungen hatten – und der Koran stellt nun richtig, wie es wirklich gewesen ist.

Als der erste Koran fertig geschrieben war, starb Abu Bekr – aber nicht ohne vorher Omar, einen von Mohammeds früheren ›Body-Guards‹ in der Zeit von Mekka, zum Kalifen zu ernennen. Wer Omar kannte, der wusste, dass es nicht gut war, sich mit ihm anzulegen oder gar eine Wahl zu fordern. Selbst Ali, der sich schon wieder in einem Amt betrogen sah, das ihm seiner Meinung nach durch seine Nähe zum Propheten zugestanden hätte, wagte es nicht, Omar das Kalifat streitig zu machen.

Zu Omars Zeiten kümmerte man sich nicht so sehr um den Koran. Omar ist der große Eroberer des Islam, der die Banner des Propheten durch ganz Arabien, Ägypten und Persien bis vor die Tore von Byzanz und nach Nordafrika tragen ließ. Nachdem Omar in der Moschee von Medina einem Attentat zum Opfer gefallen war, wurde Othman zum Kalif gewählt.

Othman war zwar ein Schwiegersohn Mohammeds, doch gehörte er nicht dessen Familie der Haschimiten an, sondern zu den Omajaden. Womit wir bei unserer ursprünglichen Frage nach den Omajaden wären. Und jetzt wird es interessant.

Denn die Omajaden waren gleichzeitig auch Koreischiten. Zu den Koreischiten aber gehörten wiederum die Haschimiten, also Mohammeds Familie - wie ich schon erwähnte. Den Haschimiten gehörte auch Ali an – der nach der Ermordung Kalif Othmans der letzte der ›rechtgeleiteten Kalifen‹ ist.

Und gegen diesen Ali rebellierte Merwar, der Statthalter in Syrien, der in Damaskus seinen Hauptsitz hatte. Und dieser Merwar gehörte selbstverständlich zur Familie der Omajaden.

Die Grundlage dieser Rebellion Merwars war, dass durch Othman das Kalifat eben von den Haschimiten an die Familie der Omajaden gegangen wäre – und selbstverständlich nur in dieser Familie weitervererbt werden könne. Als Ali dann ermordet wurde, riss Merwar das Kalifat an sich und machte Damaskus zur Residenz.

Ein großer Teil der Moslems akzeptierte das – zumal Hassan, der älteste Sohn Alis, freiwillig auf das Kalifat verzichtete und Hussein, der zweite Sohn Alis – und damit Enkel des Propheten – auf dem Schlachtfeld von Kerbela in Persien durch die Heere des Kalifen von Damaskus besiegt und getötet wurde.

Damit war der Islam gespalten – in die größere Glaubensrichtung der Sunna (d. h. Überlieferung), die der Tradition folgten und den stärksten Herrscher einfach akzeptierte, und die ›Schiat Ali‹ - die ›Partei Alis‹, die von den ›rechtgeleiteten Kalifen‹ nichts wissen will und für die Ali und seine Söhne die einzigen wahren Nachfolger des Propheten sind. In den Schiiten existiert also die ›Partei Alis‹ heute noch. Und zwischen Sunniten und Schiiten ist die Rivalität größer als zwischen den christlichen Konfessionen. Auf die Schiiten und andere moslemische Sekten werden wir noch kommen.

Nur noch kurz zurück zum Koran. Kalif Othman war nicht vom Schlage der Eroberer wie Omar, der den ersten „Heiligen Krieg“ ausgerufen hat. Er war ein Gelehrter und Schöngeist, der sich den Text des Korans vornahm und ihn redigierte, dass die Worte des Propheten im Arabischen klingen wie Gedichte und Balladen. Dass dabei sicher so einiges verändert wurde, muss angenommen werden – inwieweit gravierende Dinge vom Inhalt her dazu gehören, kann heute nicht mehr festgestellt werden. Denn die beschriebenen Kamelknochen und die anderen Dinge sind nicht erhalten. Vermutlich hat man sie schon zu Zeiten Omars weggeworfen, weil sie ja nicht mehr gebraucht wurden.

Aber seit dieser Zeit, also seit der Bearbeitung des Kalifen Othman, ist am Koran nichts mehr verändert worden. Wer das Hoch-Arabisch beherrscht und nicht auf Übersetzungen angewiesen ist, der kann die Worte noch so lesen, wie sie damals gemeint waren – und nicht, wie man sie vielleicht heute übersetzen müsste, damit diese uralten Formulierungen überhaupt verstanden werden.

Im Topkapi-Serail in Istanbul könnt ihr den handgeschriebenen von Othman fertiggestellten Koran sehen, in dem er gelesen hat, als ihn die Meuchelmörder von hinten erdolchten. Wer in das alte Byzanz-Kontantinopel kommt, sollte den alten Sultans-Palast auf jeden Fall besichtigen. Im hinteren Hof, durch das Tor mit dem Thron des Sultans und dann auf der rechten Seite – gegenüber der Schatzkammer – sind diese Dinge neben Schwertern Omars und anderer Kalifen und den Schlüsseln zur Kaaba zu finden.

Bleibt jetzt noch die Frage offen, was Mohammed von Paulus übernommen hat und womit er, wie Paulus auch, seine Religion für das einfache Volk interessant gemacht hat. Aber dazu kommen wir in der nächsten Woche.

Alsdann – man liest sich ...

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