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Vestigo Leonis – Die Spur des Löwen

Teestunde mit Rolf... - spezialMoin Rolf, Hubert Straßl aka Hugh Walker wird heute 70. Da hast Du uns doch bestimmt einiges zu erzählen... Der Tee ist serviert...

Vestigo Leonis – Die Spur des Löwen

Ist es wirklich wahr?

Der „Löwe von Magramor“ hat bereits das siebente Jahrzehnt erreicht?

Der Mann, der wie kein anderer dafür gesorgt hat, dass die Literaturgattung „Fantasy“ in Deutschland populär wurde. Und der vor allem dafür sorgte, dass die Fans von Robert Ervin Howard endlich die spannenden Stories des Meisters in deutscher Sprache lesen konnten. Und der, last not least, mit wenigen, aber prägnanten Horror-Romanen in diesem Genre neue Akzente setzte.

 

Ich bin sicher, dass zu diesem runden Geburtstag sich viele andere Leute finden, die den Lebensweg des Hubert Straßl detailliert beschreiben und seine Werke gebührend würdigen – was übrigens schon in einem Sonderband des „Ersten Deutschen Fantasy-Clubs“ vor einigen Jahren geschehen ist.

Ich werde aber, wie das hier bei uns in der „Teestunde“ so üblich ist, abseits von allen Jubelchören oder Analysen über die Werke des Mannes, der „Hugh Walker“ ist, ein wenig darüber plaudern, was eben dieser Hubert Straßl schon für mich war, als ich gerade mal den Namen kannte – und was er heute ist, wo ich sehr stolz darauf bin, ihn zu meinen engsten persönlichen Freunden rechnen zu können.

Da werden wieder Gedanken und Erinnerungen wach. Erinnerungen, die irgendwann in die 70er mit dem Erst-Kontakt mit Conan zurück reichen – und die in gewisser Weise auch etwas Fandom-Geschichte von damals bis heute mit sich bringt.

Vestigo  Leonis – die Spur des Löwen – eben diese Löwen-Spur in meinem Leben. Da ich ja seit Jahren ebenfalls zum ehemaligen „Clan der Löwen“ gehöre, laufen in den letzten Jahren also gewissermaßen zwei Löwenspuren zusammen. Und die historische Figur der deutschen Geschichte, die diesen lateinischen Spruch prägte, war dann schließlich auch mein „Namensgeber“ innerhalb des Clans.

Da „Lè“ in der Fantasy-Welt MAGIRA  so viel wie „Der Löwe“ bedeutet, war der Name „Heinrich“ für mich bestens geeignet – nur dass ich ihn dann  in „Enricus“ latinisiert habe. Also „Enricus Lè“ - für diesen Namen verzichtete ich dann in der Fantasy-Welt MAGIRA auf den alten Fantasy-Namen Erlik von Twerne, unter dem ich ja in den 70ern ja auch einige Zeit beim „Bären-Clan“ war.

Erst später fiel mir auf, dass es noch einen interessanten Namen für mich gegeben hätte. Nämlich „Ercu-Lè“ - die italienische Form von Herkules. Schon deshalb, weil die sich um meinen Äquator versammelnden Muskeln in etwas anderen Proportionen auf den ganzen Körper verteilt tatsächlich für die passende Gestalt sorgen würden.

Aber Heinrich der Löwe ist auch eine meiner Lieblingsgestalten in der deutschen Geschichte. Und wer im Zauberspiegel unter „Historisches“ und „Geschriebenes“  nachsieht, der findet unter dem Titel „Die Schwerter des Herzogs“ auch eine historische Novelle aus der Jugend Heinrichs des Löwen, wie er schon mit 14 Jahren den Erzbischof von Bremen „austrickste“, um Graf von Stade zu werden.

Das „Vestiga Leonis“ steht übrigens am Kirchturm der Stadt Bardowick. Als Heinrich der Löwe nach dem Richtspruch Kaiser Barbarossas nach England in die Verbannung gehen musste, verweigerten ihm die Bürger  dieser Stadt nicht nur den Einlass, sondern sie stellten sich auf die Mauern, ließen die Hosen fallen und zeigten dem „Löwen“ jenes Körperteil, das in späteren Zeiten der Reichsritter Götz von Berlichingen dem kaiserlichen Feldhauptmann zu lecken anempfahl.

Wie wir aus der Geschichte wissen, war die Verbannung Heinrichs relativ kurz. Kaum war Barbarossa auf dem Kreuzzug, war „der Löwe“ wieder da. Und er hatte nichts vergessen. Die erste Tat war die Erstürmung der Stadt Bardowick, von der er nur die Kirche stehen ließ. Und in deren Steine er eben die Worte „Vestiga Leonis“ - das ist die Spur des Löwen – einmeißeln ließ. 

Auch Hubert „Hugh Walker“ Straßl, in der von ihm geschaffenen Fantasy-Welt MAGIRA  ist er „Kaiser Hugh-Lè – der Löwe von Wolsan“, hat in unserer Realwelt wie in MAGIRA eine Spur hinterlassen, die man getrost auch als eine „Spur des Löwen“ bezeichnen kann.

Auch wenn wir uns irgendwann mal  im Himmelreich, in Odins Walhalla, in Croms Palast aus Nebel, Eis und Fels auf einem hohen Berg, den Elysäischen Gefilden oder im „Kessel Sieben“ beim Asmodis wieder finden – das, was Hubert geschaffen hat, - seien es seine Verdienste um die Fantasy in Deutschland oder auch das sich im Verlauf der Jahre um seine Welt MAGIRA scharende Fandom – das hat Bestand und wird weiter bestehen, wenn von uns anderen schon die Namen nur noch wenigen „Eingeweihten“ bekannt sind – wenn überhaupt.  

So, das war die Overtüre. Jetzt hebt sich langsam der Vorhang zum ersten Akt. Und auf der Bühne stehen zwei Figuren. Die eine ist der Schreiber dieser Zeilen, der andere ist der oft genannte Hans Klipp. Und der hat ein Roman-Heft in der Hand, das einen halbnackten Krieger mit einem Schwert zeigt. Und schon lesen wir auch den Titel: „DRAGON – Söhne von Atlantis“.

„Es gibt noch andere Leute, die so verrückt sind wie wir!“ waren die Worte des „Chefs“ und zeigte auf eine Art „Werbeseite“ innerhalb dieses Heftes. Immerhin hatten wir ja schon in unserer Begeisterung für „Conan“ einige der bereits in der Teestunde beschriebenen „Barbaren-Feste“ gefeiert, bei denen nicht nur jede Menge Bier getrunken und am offenen Feuer gebratenes Fleisch halb roh verschlungen wurde, sondern auch mit selbst gemachten Schwertern aus Holz aufeinander eingedroschen wurde. Nur hatten wir immer angenommen, das eben nur wir in unserem damaligen „jugendlichen Überschwang“ zu solchen Verrücktheiten fähig waren.

Aber da hieß es in dem Heft auf einmal: „Wenn Sie sich für Conan oder Fafhrd und Grey Mouser begeistern.... wenn Sie Bürger eines Fantasy-Welt werden wollen, dann schreiben Sie an ...“ - und dahinter die mysteriöse Bezeichnung FOLLOW. 

Heute, im Zeitalter des Rollenspiels, kann jeder mit solchen Begriffen etwas anfangen. Vielleicht gab es das auch damals schon – nur, wir wussten das nicht. FOLLOW – die „Fellowship of Lords of a World of Wonder“ - zu Deutsch ungefähr „Bruderschaft von Herren einer Fantasy-Welt“ - das klang schon ganz interessant.

Was weniger interessant sondern eher befremdlich für uns klang, waren Name und Anschrift. Ein gewisser „Hubert Straßl“ in „Unterammergau“. Also tiefstes Bayern, das für unsere ganze bunte Republik Deutschland damals eine Art ländlich-sittliches Entwicklungsland war, wo der Förster vom Silberwald hauste und die glücklichen Kühe die Milch für die Bärenmarke gaben.

Hubert Straßl, also ein „Unterammer-Gauner“ am Fuß der blauen Berge. Aber wie auch immer. Es mussten verwandte Geister sein und mit uns einen Sinnes. Es war also ganz klar, dass wir hier Kontakt aufnehmen mussten.

Ich habe schon in früheren Teestunden erzählt, wie die ersten Kontaktbriefe in der „Alten Sprache“ von mir geschrieben wurden. Und so können wir einiges überspringen und sind gleich an dem Punkt, als uns, d.h. Hans Klipp, Michael Müller und mich, die wir so was wie den „harten Kern“ darstellten, ein gewisser Helmut Pesch besuchte. Damals noch Student, aber bereits bei FOLLOW Lord des Bären-Clans. Und durch den erhielten wir etwas mehr Einblick in die Strukturen des Fantasy-Fandoms im Allgemeinen und FOLLOW im Besonderen.

Ja, dieser Hubert Strassl würde mit seiner Frau sehr zurück gezogen leben und nur besondere Freunde bekämen Kontakt mit ihm. Im Keller seines Hauses stünden die Druckmaschinen, mit denen die beiden Magazine „Follow“ und „Magira“ gedruckt würden. Und wenn der Druck lief, dann wären alle Freunde aufgerufen, beim Drucken, Zusammenlegen und Heften mit zu helfen.  Das konnte schon mal länger als 24 Stunden dauern.

Für uns Unbedarfte hörte sich das sehr romantisch an – und auf Grund dieser Erzählungen reifte in Hans und mir der Entschluss, dass wir das auch können. Was wir aus Kassel dann auch mit unseren Zines ANTARES, CERVISIA und POINT – OF bewiesen haben.

Aber auf einem der Umschläge, die Helmut Pesch dabei hatte, entdeckte ich einen Stempel, der mich elektrisierte. Auch wenn er vermutlich aus einem Stempelkasten für Kinder geschaffen wurde (ich hatte mal so einen, mit dem ich dann meine ganzen Bücher als Eigentum zeichnete), es war eben doch ein Stempel. Und es war zu lesen „Hugh Walker-Fan-Club“.

Ja, das war ja interessant. Also Helmut Pesch war auch Fan eines Autoren, der für mich die besten Romane der Dragon-Serie schrieb. Auch Horror-Romane aus der Pabelschen „Vampir“-Serie hatte ich von diesem Hugh Walker schon gelesen und war über die Art, wie er an das Vampir-Thema heran ging, fasziniert. Ganz klar, dass ich Helmut darauf ansprach. Und dann von ihm in seiner unglaublich charmanten Weise aufgeklärt wurde.

Ich war wie vom Donner gerührt, als ich hörte, dass eben jener Hubert Straßl und der vielgepriesene Autor „Hugh Walker“ ein und dieselbe Person waren. Was wussten wir denn damals von der „Schreibe-Szene“ und Pseudonymen. Mit diesem Erstkontakt mit Helmut Pesch taten sich völlig neue Welten auf. Und das war einige Jahre bevor wir über die AGSF mit der Lippstädter Gruppe und Werner Kurt Giesa Kontakt aufnahmen.

Wie das damals mit meiner Zeit in der Fantasy-Welt MAGIRA und im Bären-Clan Lord Elrods war (Lord Elrod – für Unbedarfte sei noch mal erwähnt, dass dies Helmut Pesch war), habe ich bereits in der Teestunde berichtet.

Hans Klipp war ja damals der Meinung, dass nur der „Löwen-Clan“ von „Lord Hughbold“ damals für uns der Richtige sei – weil wir uns ja immer für was Besonderes hielten. Aber dieser Clan nahm keine neuen Mitglieder auf – da musste man schon den Lord persönlich sehr gut kennen. Und das hat sich über viele Jahre gehalten.

In Magira „Löwe“ zu sein, das glich in etwa der Ehre, in England dem Orden vom Hosenband anzugehören. Und ich muss gestehen, dass es beim Bären-Clan zwar eine kurze, aber schöne Zeit war – über die ich ja schon in vergangenen Teestunden ausführlich berichtet habe. Auch über die Gründe, warum ich mich von FOLLOW wieder getrennt habe.

Und so vergingen einige Jahre, in denen ich zwar Hugh-Walker-Romane gelesen habe, wenn ich einen erwischen konnte und natürlich auch die „Terra-Fantasy“-Serie fast komplett sammelte. Aber es waren Jahre, in denen weder der Autor Hugh Walker noch der Mensch Hubert Straßl  bei mir eine größere Rolle spielte.

Ich hörte, dass er irgendwann mit seiner Frau Lore von Unterammergau nach Büchlberg bei Passau umgezogen war und so näher bei einigen wichtigen Leuten der damaligen Fantasy-Szene wohnte. Wobei ich hier stellvertretend nur die Namen Gustav Gaisbauer und Franz Schröpf nenne, die sich ebenfalls beide sehr für die Fantasy  in Deutschland verdient gemacht haben.  

Wir müssen jetzt einen Sprung über einige Jahre machen und sind in der Zeit, als ich mit W.K.Giesa voll den Zamorra gestaltete. Werner hatte durch seine Mitarbeit bei der Serie „Mythor“ Kontakte zu Hubert Straßl aufgebaut, bezeichnete ihn jedoch als ziemlich unnahbar und verschlossen. Ich hatte den großen Meister nur bei verschiedenen Festen der Fantasy gesehen – und mich mächtig gewundert.

Während alle Anwesenden von der Gewandung her sofort durch ein Zeittor nach Mittelerde, ins hyborische Zeitalter oder nach Gor hätten gehen können, lief die wichtigste Gestalt des Abends, der „Nährvater der Fantasy in Deutschland“, der Gründer Magiras und oberste Lord schlichtweg im „Räuber-Zivil“ rum. Eine alte Jeans und ein verwaschenes Sweat-Shirt – das wars. Die „Fantasy“ kam dazu, als ihm ein königsblauer Umhang mit dem goldenen Löwenwappen über die Schulter gelegt wurde.

Denn Blau-Gold sind die Wappenfarben des Reiches „Wolsan“. Der steigende, goldene Löwe auf blauem Grund – jeder brave Bayer kennt diese Art Löwen auch als Symbol der Münchner Löwen-Brauerei. Nur dass beim Wappen von Wolsan der Untergrund tiefblau ist.

Aber den ersten richtigen Kontakt mit Hubert Straßl bekam ich erst 1984 beim ersten Kongress der Fantasy.  Auf den „Festen“ hat es sicher mal einige kurze Wortwechsel zwischen uns gegeben – aber nichts, an das ich mich erinnern könnte. Ich war zwar fester Autor beim Zamorra – aber ein Hugh Walker spielte in einer ganz anderen Liga. Und er war überwiegend für Pabel tätig – und ich eben für Bastei.

Auf diesem Kongress waren zwei Personen von Jung-Autoren wirklich belagert. Einmal nämlich Ernst Vlcek, der gerade den „Dämonen-Killer“ wieder zum Laufen brachte und eben Hubert Straßl, von dem man sich  erzählte, dass er bei „Mythor“ Einfluss auf den Einsatz von Autoren hätte.

Werner hing damals, wer wollte es ihm verdenken, wie ein Klette am „Ernstl“ Vleck, weil er unbedingt noch in den „Dämonen-Killer“ wollte. Immerhin wurden bei Pabel andere Honorare gezahlt als bei Bastei – weshalb mir Werner ja dann auch aus Gründen seines Engagements bei Pabel den Zamorra komplett übergeben wollte.

Wie bekannt ist, hatte Werner mit seinem Gespräch dann auch Erfolg und war im Dämonen-Killer mit drin. Ernst Vlcek, der annahm, Werner und mich als Doppel einkaufen zu müssen, war sehr erstaunt, als ich ihm kategorisch erklärte, dass ich an  einer Mitarbeit an der Dämonenkiller-Serie nicht interessiert sei. Und das stimmte sogar. Schon deshalb, weil ich gerade geheiratet hatte und es immer schwieriger wurde, die Ehe mit der normalen Tätigkeit bei der Stadt Kassel und den Roman-Aufträgen in Einklang zu bringen.

Irgendwann erwischte ich dann in einem der hinteren Räume Hubert Straßl, der sich vom allgemeinen Trubel zurück gezogen hatte. Eine Burg, bei der die Zugbrücke hochgezogen wird und auf den Zinnen Bewaffnete erscheinen ist vielleicht der beste Vergleich zu dem Eindruck, den Hubert in diesem Moment auf mich machte. Und deswegen legte ich gleich alle Karten auf den Tisch.

Er sah mich genau so verwundert an wie Ernst Vleck, als ich Hubert erklärte, dass ich absolut keine Ambitionen auf Mythor hätte. Nur ihn selbst, der damals bei DRAGON die besten und interessantesten Romane geschrieben hatte und der als Herausgeber von TERRA-Fantasy für diese Literatur-Gattung in Deutschland „eine Bresche geschlagen hatte“, den wollte ich gerne mal persönlich kennen lernen, um ihm zu danken. Und sei es bloß, dass ich durch Terra-Fantasy die Howard-Stories nicht mühsam übersetzen musste, sondern eben als deutsche Übersetzung mundgerecht serviert bekam.

Hubert erkannte dann recht schnell, das ich ihn nicht als eine Sprosse für die Leiter zum Erfolg benutzen wollte, sondern mein Worte ehrlich meinte. Und so führten wir ein längeres und interessantes Gespräch, bei dem Huberts „Eispanzer“ dann doch recht schnell zerbrach.

Ein noch schöneres Gespräch hatte ich schon vorher mit seiner Frau Lore gehabt, die damals die Neuauflage der Conan-Serie bei Heyne auch völlig neu und vor allem korrekter übersetzt hatte.

Lore Straßl, leider schon einige Jahre von uns gegangen, war das Musterbeispiel einer warmherzigen Frau, in derem Beisein einfach keine bösen Worte oder Zank und Streit aufkommen können. Für mich gehört Lore zu den wertvollsten Menschen, die jemals meinen Lebensweg gekreuzt haben. Wer sie kannte, wird wissen, was ich meine.

Es ist eine der großen persönlichen Tragödien, dass Lore so früh diese Welt verlassen musste. Aber wenn es um die Tage unseres Erdenwandelns geht, danach werden wir ja nicht gefragt. Es bleibt mir hier nur noch, Lore Straßl denen, für die sie nur ein Name ist, im weiteren Text als Mensch noch etwas näher zu bringen.

Wir müssen wieder einen Sprung über einige Jahre machen, in denen ich  Hubert und Lore zwar einige Male auf dem Fest der Phantasie oder dem Fantasy-Kongress in Passau wieder gesehen habe. Aber außer einigen kurzen, netten Gesprächen gab es keine festeren Kontakte. Um so was zu schmieden, dafür sind Cons ohnehin nicht geeignet. Da trifft man zu viele Leute und will auch möglichst mit vielen Leuten Gespräche führen. Und wenn man dann auch noch der schreibenden Zunft angehört, dann haben Fans und Leser ohnehin etwas „Vorfahrt“.

Der erste richtige Kontakt mit Lore und Hubert Strassl kam erst, als ich schon wieder glücklich geschieden und Herr über mich selbst war. Der Umstand war jenes Wochenende bei Gustav Gaisbauer in „Haus im Wald“. Ja, der kleine Ort irgendwo in den unergründlichen Tiefen heißt tatsächlich so und von der Größe her hat Nassenerfurth dagegen städtischen Charakter. Gustav hat dort ein Haus, wo er mit seiner Familie meist den Sommer verbringt.

Eingeladen waren Werner und Heike Giesa samt Hexen-Hermann und meiner „Schönheit“. Warum soll ich „Wenigkeit“ sagen – sooo wenig ist doch meine Körpermasse gar nicht. Der Grund war die Vorbereitung jenes inzwischen lange ausverkauften Buches zum 500sten „Professor Zamorra“, das der Erste Deutsche Fantasy-Club“ (EDFC) herausgebracht hat, dessen Vorsitzender Gustav Gaisbauer war – und vermutlich noch ist.

Über dieses Wochenende habe ich schon in der Teestunde berichtet. Damals wurde ein sehr langes Interview mit Werner und mir samt Hermann und Heike als „Sachkundige“ geführt, dass aber leider nur unvollständig abgedruckt werden konnte, weil Werner am nächsten Tag erklärte, den Text redigieren zu wollen. Was verständlich ist, weil dieses Gespräch mit laufendem Tonbandgerät in gemütlicher Party-Atmosphäre geführt wurde, wo natürlich nicht grade Mineralwasser getrunken wurde.

Und da habe dann nicht nur ich in meiner üblichen ehrlichen Art  locker drauf los geplaudert, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, irgendwelche Verlagsleute zu verprellen. Ich war beim Zamorra ja draußen und hatte nichts zu verlieren. Also konnte ich, wie hier in der Teestunde auch, so richtig Tacheles reden. Ich war schon immer der Meinung, dass Fans, die sich so mit unserer Schreibe und den Ideen auseinander setzen, Anspruch auf größtmögliche Ehrlichkeit haben.

Aber auch Werner hat bei dem Interview so einige Sachen gesagt, die bei einigen Leuten in den Verlags-Etagen sicherlich Befremden ausgelöst hätten. Da musste der Text natürlich in nüchternem Zustand noch mal durchgesehen werden, damit eventuelle Peinlichkeiten entfernt werden konnten. Es würde mich ernsthaft mal interessieren, ob dieses Interview, das ja im Original erst mal abgeschrieben wurde, noch existiert.

Heute, wo es nicht mehr drauf ankommt, wäre es wirklich ein interessantes Zeitdokument. Vielleicht gelingt es Hermann ja mal, den Text auszugraben. Immerhin war er schließlich dabei – und das Chilly, das uns den nötigen Durst gebracht hat, das hat Hermann zurecht gezaubert. Er kann also nicht nur Fisch nach den Spezialrezepten der Eingeborenen hinter den Deichen bruzzeln.

Weil wir nun schon mal da waren, erfuhren wir auch die für Außenstehende wirklich hohe Ehre, auf der Rückreise bei Lore und Hubert Strassl zum Tee gebeten zu werden - es kann auch Kaffee gewesen sein.

Der Ortsteil von Büchlberg, wo sie wohnten und wo Hubert heute noch wohnt ist ohne den dritten Grad der Pfadfinderprüfung kaum zu finden. Wenn du in den Abendstunden kommst und einen Fuchs samt Hase in angelegentlichem Gespräch beobachten kannst, bist du richtig. Ein Kreuz am Wegrand, in Bayern nichts Ungewöhnliches, ist die einzige Wegmarkierung, nach der man sich auf der letzten Etappe richten kann.

Das Haus ist oben am Waldrand, etwas hinter einem Bauernhof versteckt und dahinter beginnt gleich die Wildnis. Für die sechs Katzen, die damals den Menschen gnädig erlaubten, das Haus mit ihnen zu teilen, ist so was das Paradies. Da im Sommer natürlich immer alle Türen auf sind, wird auch so manches Mäuschen mit eingeschleppt und Hubert hat dann das Problem, die Maus möglichst lebend einzufangen und ihr durch Aussetzen im Garten eine zweite Chance zu geben.

Lore bestand kategorisch darauf, dass kein Tier, nicht mal Insekten, getötet wurden. Jedenfalls nicht willentlich. Manchmal nach dem Regen haben wir wahre Eiertänze auf der Terrasse gemacht, wenn sich dort die Schnecken lang schleppten, von denen natürlich keine zertreten werden durfte. Und wenn die Fliegen im Wohnzimmer lästig wurden, dann gab es nicht mit der Fliegenklatsche. Hubert trieb alles, was Fliege, Biene oder sonst wie hieß an die Fensterscheibe. Dann wurde ein Wasserglas drüber gestülpt, rasch über die Öffnung ein Stück Pappe geschoben und das Insekt nach draußen  in den Garten gebracht, wo es in die Freiheit entlassen wurde.

Verrücktheit? Spinnerei? Nein, liebe Freunde, das ist die Ethik einer Liebe zu jedem  Geschöpf Gottes, das das Leben in dieser Welt mit uns teilt. Erklären kannst du das nicht – so was muss man fühlen. Und – wenn man Lore Strassl kannte, dann hat man dafür Verständnis gehabt. Auch ohne lange Diskussionen und Belehrungen. Tiere waren für die beiden eben Wesen, die auch ein Recht auf Leben haben. Wobei aber weder Lore noch Hubert Vegetarier waren. Und Hubert freut sich jedes Mal, wenn ich zu Besuch komme, auf Gehacktes und „Ahle Wurscht“ aus Nordhessen, wo wir so unsere Spezialrezepte haben.

Die Katzen im Hause Strassl sind legendär und jeder Besucher weiß, dass die Katzen dort im Zweifelsfall „Vorfahrt“ haben. Wer selbst Katzen hat, weiß das und hat dafür Verständnis. Wer nicht – nun ja, dazu kommen wir gleich.

Werner, Heike, Hermann und ich wurden von den Strassls mit der ihnen eignen Herzlichkeit empfangen, die man nicht beschreiben kann, sondern erlebt haben muss. Nach der „Schlossbesichtigung“ der Arbeitszimmer und der neidvollen Beäugung einer gigantischen Bibliothek wurden wir ins Wohnzimmer gebeten, wo bereits eingedeckt war. Wie üblich wurde gebeten, Platz zu nehmen und es sich gemütlich zu machen.

Ja, das war einfach gesagt – aber etwas problematisch getan. Denn überall, wo man sich hinsetzen konnte, lag eine Katze. Für Hermann und mich war so was ganz normal. Man setzt sich eben auf den Rand, damit die Katze ihren wohlverdienten Schlummer weiter halten kann.  Irgendwann erhebt sie sich schon, kommt auf den Schoß und will schmusen und gestreichelt werden.

Werner hätte das eigentlich auch wissen müssen. Immerhin lebten im Haus seiner Eltern in Lippstadt Lady und Nicky, zwei schwarze Katzen, an denen er sehr hing. Ich habe schon erwähnt, dass ihm Heike vor ihrer Hochzeit ein absolutes Haustier-, speziell Katzenverbot diktiert hat. Bei uns war das ganz anders. Meine Ex hat damals trotz Verbot der Vermieter einen kleinen Kater mit ins Haus genommen und gefüttert. Und schon nach einer Stunde hätte ich Kater Merlin nicht mehr hergegeben. Ich hatte vorher auch schon Haustiere – aber Merlin war die erste Katze. Vermutlich waren dann auch die Katzen der Grund, warum Heike außer das eine Mal, wo sie von uns eine Waschmaschine und eine Kühltruhe geschenkt bekamen, nie wieder bei uns einen Besuch gemacht hat.

Die Behandlung der Strassl-Katzen war dann eben bei Heike und auch bei Werner so, wie man es in einem solchen Fall erwarten kann. Weg da, Katze! Das ist mein Platz! Der befremdliche und beleidigte Blick der Katze wurde ignoriert. Aber Lore und Hubert hatten die Reaktion der Giesas sehr wohl registriert.

So war denn das Kaffeetrinken nach der üblichen Zeit auch  beendet und man erhob sich zum Aufbruch. Immerhin war ja auch noch die Strecke bis nach Hause zu fahren. Werner und Heike wurden verabschiedet – nun, wie man eben Leute verabschiedet, die man nicht wieder da haben will. Als Hermann und ich auch los wollten, wurden wir von Hubert noch zurück gehalten und in ein Gespräch verwickelt, das dann noch mehrere Stunden dauert.

Und am Ende dieses Gesprächs hatten Hermann und ich die nächste Einladung, während Heike und Werner diese Strecke nicht mehr zu fahren brauchten.

Und so sind Hermann und ich ziemlich oft im Haus von Lore und Hubert Strassl  gewesen. Es gäbe da sicher noch manche lustige Episode zu erzählen.  Schon alleine die Problematik, vor dem Frühstück noch den erdverbundenen Barbaren zu spielen und sich in den Swimming-Pool der Strassls zu stürzen, wenn das Wasser 17 Grad und weniger hat.

Doch das hebe ich mit für die nächsten Teestunden auf. Damit die Kolumne dem „Zauberspiegel“ noch etwas erhalten bleibt und nicht mangels Masse, sprich wenn alles erzählt ist, beendet wird.

Bleibt mir nur noch von hier aus dir, lieber Hubert, zu deinem 70sten Wiegenfest alles Gute zu wünschen.

Gesundheit – das wird für uns mit den Jahren immer wichtiger.

Glück – vom inneren Glück bis zu dem gewissen „Schweineglück“, das man immer so braucht.

Erfolg – ja, leider musst du deine Zeit ja mit Übersetzungen verbringen, wo künftige Generationen sich anschließend die Haare raufen werden, dass man dir zu Lebzeiten nicht die Möglichkeit gegeben hat, deiner Erzählkunst die Zügel freizugeben. Aber – warum soll man was schreiben, das bei den Verlagen niemand haben will. Dooh gäähts dääh wie määh! (Übersetzung aus dem Kasselänischen: Da geht es dir wie mir).

Dazu wünsche ich dir die philosophische Gelassenheit, mit dem zufrieden zu sein, was erreicht worden ist.

Und zum Schluss das wichtigste: Immer einen Euro mehr in der Tasche als du gerade benötigst.

Mit Grüßen aus dem schönen Nordhessen - der Welt der Fantasy und der Kommando-Brücke des „Stern von Magramor“

Dein Freund Rolf – alias Enricus LE – mit Cindy, Fee, Nina, Melly und Susi – Miau!!!

Kommentare  

#1 Rolf2 2011-02-04 14:40
Hoffentlich gratulieren Gustav Gaisbauer und Franz Schröpf...

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