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Dragon, Magiras Frechlinge, Giesa im weißen Frack und Hellebonia

Teestunde mit RolfVielleicht könnte es ganz hilfreich sein, wenn Du nochmal die Geschichte vom Einstieg in FOLLOW erzählst, erst recht unter dem Aspekt, dass dadurch Beziehungen entstanden, die später sicha uch bei der Fantasy-Heftserie bewährtenn. Also, wie war das noch?

Dragon, Magiras Frechlinge, Giesa im weißen Frack und Hellebonia

Dragon – die erste deutsche Fantasy-Serie, zeigte uns Kasseler Fantasy-Enthusiasten, das wir nicht „alleine im Universum“ waren.

„Wenn Sie Conan kennen…wenn Sie Bürger einer Phantasie-Welt werden wollen …. Dann schreiben Sie an FOLLOW…an einen gewissen Hubert Straßl in Unterammergau.“

Was? Bürger einer Fantasy-Welt? Wie denn? Wir hatten ja schon das Reich Hellebonia gegründet und Hans Klipp zu unserem Herrscher ausgerufen. Hans Klipp? Wen denn sonst?  Unser hauseigner Majestix muss ja immer der Boss sein, sonst wird er knurrig. Da ich aber Statthalter des Reiches war, hatte ich die Sache mit diesem sonderbaren Reich „Follow“ allerdings schriftlich einzurühren. Den Titel „Kanzler“ wollte mir „der Herrscher“ nicht geben – von wegen des daraus resultierenden Titels „Reichskanzler“…ahem… also eben Statthalter des Herrschers – und den führe ich im Fantasy-Reich Helleb. heute noch.

 

Das ist so vergleichbar mit dem japanischen Shogun, der ja seinerzeit auch dem Kaiser alle Arbeit abgenommen hat und die eigentliche Regentschaft geführt hat. Die „Reichsbarone“, Hermann ist der letzte, den es davon noch gibt, stehen im japanischen Rang eines Daimyo. Und die Recken und Ladies des Helleb stellen die Samurai dar. Für den späteren Aufbau eines gewissen „Netzwerks“ ist das wichtig zu wissen.

Also, der Statthalter hatte also an jenes seltsame Gebilde „Follow“ zu schreiben. Und das natürlich in der „Alten Sprache“. Und dieser Brief hatte ungefähr den Inhalt und den Charme, als ob die USA dem Fürstentum Liechtenstein eine Allianz in Wirtschafts- und Verteidigungsfragen vorschlagen. Wir waren schließlich ein festgefügtes trink- und rauffreudiges Barbarenreich, dass mit einer gewissen Herablassung sich anbot, hier „diplomatische Beziehungen“ aufzunehmen. Ein „souveräner Staat“, den man nicht so einfach „eingemeinden“ konnte.

Als Antwort kamen einige Follow-und Magia-Magazine. Und da stand drin, dass man sich einem Clan unterstellen müsse – und dass der Löwen-Clan von Hugh Walker keine Mitglieder mehr aufnehme. Aber – es war kein persönliches Anschreiben dabei – und erst kochte der Herrscher – gleich darauf der ganze in die Kneipe einberufene Hofstaat. Die schienen uns gar nicht für voll zu nehmen.

Na klar, wir hätten vielleicht besser das „sehr geehrte Damen und Herrn“ anstatt das „Wir, Erlik, Fürst von Twerne und Statthalter des Reiches Hellebonia entbieten Euch Unseren Gruߓ nehmen sollen. Andererseits – wenn das wirklich Leute waren, die sich eine Fantasy-Welt geschaffen hatten, also ein Reich, das „nicht von dieser Welt ist“, aber in dem man geistig leben kann, dann mussten sie auch solche Worte und Sätze begreifen. Wann dem nicht so war – dann wollten wir damit auch nichts zu tun haben.

Klar, da existiere eine gedachte Welt, die sogar durch das Spiel „Armageddon“, jetzt das „Ewige Spiel“ eine feste Grundlage hatte. Die Spielzüge wurden aufgeschrieben und stellen Politik und Historie dieser Welt dar. Es gab verschiedene Völker mit archaischen Kulturen, die damals noch alle an historischen Völkern angelehnt waren.  

Gereizt hätte uns das schon. Aber - wir sollten uns einem Clan anschließen. Und das würde bedeuten, dass das Reich Hellebonia (jetzt Helleb) nicht nur seine Souveränität aufgab, sondern einfach von der Bildfläche verschwand. Aber warum konnte man unser Reich nicht einfach in die Welt Magira integrieren. Anschließen an einen besehenden Clan – das war für uns gleichbedeutend mit Unterwerfung. Und schon kochte der Zorn der Barbaren.

Wir - und uns unterwerfen? Wir, die Barbaren von Hellebonia? Schon war das klassische Zitat aus Goethes Erstlingswerk in aller Munde und das Schwert unseres Zauberers fing an zu brennen. Er hat Haarspray drauf gesprüht und die Sache dann angesteckt – sah richtig gut aus. Nur der Wirt fand das gar nicht und nur eine schnell bestellte Runde und die Versicherung, dass es keine weitere „Zauberei“ gäbe, rettete unseren Zauberer vor dem Rauswurf.

Irgendwann hatten sich die Gemüter beruhigt und der Auftrag des Herrschers lautete, in „geziemender Weise“ zu antworten. Und das habe ich getan – zwar im „höflichen Ton“ – aber doch so, dass Rom seine Legionen hätte marschieren lassen. Und der Brief kam in Unterammergau an, als alle wichtigen Leute von Follow anwesend waren. Damals wurden die Zines noch mit Spiritus-Umdruck gefertigt und mussten gelegt, zusammengelegt und geheftet werden. Da waren jede Menge Hilfs-Völker notwendig, und diesmal eben die Lords von Follow. Und die bekamen dann einen Brief der mit den Worten begann:

„Was erfrechet ihr euch…!“ Was ich weiter geschrieben habe weiß ich nicht mehr, aber die ersten Worte vergesse ich nie. Von Gustav Gaisbauer, der immer noch den Ersten Deutschen Fantasy-Club (EDFC) leitet habe ich später erfahren, dass erst mal allen Anwesenden bei so einer Dreistigkeit die Spucke weggeblieben ist. Kommentar Gaisbauer damals: „Es gibt noch mehr so Verrückte wie wir!“

Ja, und weil sich immer Gleiches zu Gleichem gesellt, wollte man wirklich in Kontakt mit uns treten. Der Bären-Clan suchte gerade Mitglieder. Und deshalb bekam der Lord der Bären jenen Brief zur Beantwortung.

In Fantasy-Kreisen den Namen Dr. Helmut Pesch erklären zu wollen, heißt Eulen nach Athen tragen. Damals war er aber noch Student und es war nicht dran zu denken, dass er mal mein Redakteur bei „Bastei-Fantasy“ werden würde oder beim Lübbe-Verlag echte Bestseller-Autoren betreuen würde. Dass er auch einige bekannte Übersetzungen gemacht und Bücher geschrieben hat (zusammen mit Hermann) sie hier nur mal am Rand noch mit erwähnt.

Für uns war Helmut Pesch in erster Linie durch seine wirklich ganz tollen Zeichnungen bekannt. Er hat ja dann auch einige Titelbilder für Dragon gezeichnet und hätte sicher auch mit diesem Talent sein Leben ganz gut einrichten können. Einmal schrieb er mir, dass er sich sein neu tapeziertes Zimmer selbst ausmalen würde. Zitat: „Es ist was besonderes, in einem echten Pesch zu leben…“

Ja, und mit dem Brief, der dann in meinem Kasten lag, begann eine wundervolle Freundschaft, die auch andauert, obwohl wir kaum noch Kontakt haben, weil jeder so sein eigenes Leben lebt. Aber wenn ich Helmut nichts zu verdanken habe – dass er mich mehr oder weniger „per Lordbefehl“ gezwungen hat, den „Herrn der Ringe“ nicht nur zu kaufen, sondern mich auch über die ersten 150 Seiten zu kämpfen und das Epos zu lesen, das ist sein Verdienst, für das ich ihm Dankbar bin. Das war übrigens ein billiger dreiwöchiger Urlaub. Kaum fertig geworden, musste ich das Buch noch mal lesen – und insgesamt drei Mal, um alles richtig begriffen zu haben. Aber jetzt ist der „Herr der Ringe“ das Buch, das ich greife, wenn zu gar nichts Lust zu lesen habe – nicht mal mehr zu einem Cotton oder Unger-Western. Egal, wo ich den Herrn der Ringe aufschlage – ich finde immer was Interessantes…

Einige Briefe flogen hin- und her, dann war der große Tag gekommen, dass sich Lord Elrod höchst selbst ankündigte, um drei neue Gefolgsleute in seinen Clan aufzunehmen.

Eigentlich wollten wir ja, wenn schon überhaupt, in den Löwen-Clan. Schon deshalb, weil da keiner reinkam. Und in unseren, nun nenn wir es mal „natürlichen Größenwahn“, waren wir natürlich der Meinung, dass wir würdig waren, in so einem Eliteverein die erste Geige zu spielen. Dass dieser Hubert Straßl auch mit dem von uns hochgeschätzten Hugh Walker identisch war, haben wir erst viel später erfahren.

Aber bei einem Helmut Pesch im Clan mit dabei zu sein, das war auch eine Ehre. Allerdings haben das nur Hans Klipp, Michael Müller und ich gemacht. Die restliche Meute sah das alles als Verein an, wo man Beitrag bezahlen musste – auch, wenn dafür was  zu lesen gab. Gelesen haben die aber nur, wenn sie Hefte oder Bücher borgen konnten – das Geld fehlte ja sonst für Bier oder Zigaretten.

Aber wie Hans, Mülli und meine Schönheit bei Follow eingetreten wurden und wie Helmuts erstes Wochenende in Kassel sonst noch ablief, davon mehr beim nächsten Mal.

Übrigens – heute bin ich, wie schon mehrfach erwähnt, bei den Löwen. Was lange währt, wird endlich gut…

Doch wegen den Vorbereitungen für die Buchmesse muss ich hier und jetzt erst mal abbrechen – zumal ja hinten noch was kommt, was ich schon geschrieben habe. Das sind so meine spontanen Reaktionen auf Leserbriefe, Anrufe oder sonstige Kommentare. Und – nicht jede Teestunde kann eine Ben-Hur-mäßige Überlänge haben. Zumal ich der Meinung bin, es kann für die heutigen Fantasy-Freunde nicht schaden, wenn sie hören, wie man in „grauer Vorzeit“ zueinander fand.

Es freut mich auch immer wieder, wenn meine eingestreuten Episoden den Lesern gefallen und sie gern dabei gewesen wären. Ja, es war schon ein sehr ungewöhnliches Bild, als da sieben oder acht junge Männer zwischen 20 und 30 mit geschwungenen Schwertern über die Königsstraße flanierten. Zumal das so um 1975 war – und es damals weder Fantasy-Romane oder Filme dieser Art und schon gar keine Ritterfeste oder Mittelalter-Märkte gab.

Für die Leute hatten wahrscheinlich die Insassen irgendeiner Klapsmühle Ausgang. Sogar die beiden Polizisten sahen nur ganz misstrauisch zu uns hinüber, ohne  sofort ein Rollkommando herbei zu rufen. Wir haben uns dann noch am Imbiss halbe Hähnchen vom Grill geholt und uns  die „Contergan-Spatzen“ mit dem Charme eines Cimmeriers und dem Schmatzen eines ganzen Schweinestalls reingepfiffen. Und – nachdem wir meinten, beim gaffenden Pöbel genug Eindruck geschunden zu haben, sind wir von ganz alleine schön brav heimgefahren.

Wir haben zwar immer gern ein wenig Show gemacht, auf den Putz gehauen und Aufmerksamkeit erregt – aber außer vielleicht etwa ruhestörendem Lärm durch das Absingen unzüchtiger Lieder aufgrund fortgeschrittener Trunkenheit hat es nie Beschwerden gegeben. Die Sache mit den Schwertern war lange vor der Schreibe-Zeit – und die außergewöhnlichen Aktionen wurden erst richtig intensiv, als dann W.K.Giesa mit zu unserer Truppe gehörte. Da konnten dann schon mal die „Outfits“ vom Ritter und Barbaren zum Dämon wechseln – und meistens war der Cowboy zu sehen. Und wenns drauf ankam, zog Werner mit weißen Anzug, weißem Zylinder und Spazierstock mit. Hauptsächlich dann, wenn wir irgendwo bei Festumzügen mitmischten. Und bei diesen Umzügen hatte Hans dann die Gitarre um und ich das Banjo – und los gings – Rocking all over the World.  

Und W.K. sah mit seinem weißen Outfit und dem schwarzen Vollbart immer so aus wie eine Mischung aus Zirkusdirektor oder dem „Großen Zampano“. Und keiner der Zuschauer ahnte, dass da mit wirbelndem Stöckchen und geschwungenem Zylinder Professor Zamorra oder Robert Lamont höchst selbst vorbei ging. Und das wussten auch die Teenies nicht, die damals vor der Geisterbahn anstanden, als Werner und ich meinten, auf einem Volksfest mal eine „Dienstreise“ machen zu müssen. Gemeinerweise redeten die Girlies über John Sinclair – und das nahm den Lamont-Twins die Möglichkeit, sich mal wieder richtig in Szene zu setzten.

Ja, Werner und ich sind immer ganz gern aufgefallen. Wenn zum Pfingstfest in Wallenstein auf der Burg die Fahne vom Schwalm-Eder-Kreis gestrichen und die Fahne der alten , amerikanischen Südstaaten aufgezogen wurde, dann wussten die Leute, dass die „Verrückten“ mal wieder da waren und es entweder eine Art alternativer „Karl-May-Festspiele“ oder die „Ritter der Tafelrunde“ gab. Und nachts zogen dann Geister und Dämonen durch die Zelte und Campingwagen.

Nicht nur der Herausgeber des Zauberspiegel, sondern auch einige andere Leute vom Fandom waren teilweise dabei. Die erinnern sich auch noch gern daran.

Alleine die Episoden mit Willibald, Werner Skelett, das immer etwas westernmäßig angezogen dabei war. Allerdings ist Werner auch mit Willibald alleine durch Lippstadt gefahren. Aber nicht, das jemand denkt, der Knochenmann hätte auf dem Beifahrersitz gesessen.

Werner hat damals immer Automatik-Wagen gefahren. Und seine „Excalibur“, ein beiger Commodore, war reich mit Zierstreifen versehen und hatte auf der Tür selbstverständlich sein Wappen, das er als Reichsbaron von Helleb führte. Und so saß Willibald mit schwarzem Anzug und Chauffeur-Mütze auf dem Fahrersitz und seine Knochenhände waren am Lenkrad befestigt. Auf der anderen Seite saß W.K. im Weißen Anzug und weißem Zylinder. Mit dem linken Fuß hat er auf der anderen Seite Gas gegeben und gebremst und unten am Lenkrad mit der linken Hand seinen allen von der Optik her recht auffälligen Wagen quer durch Lippstadt gelenkt. Für den unbedarften Betrachter sah es aus, als ob Gevatter Tod einen Exklusiv-Transfer macht.

There’s no Business – like Show – Business…

Aber ob die Masse des Lippstädter Volkes wusste, wer das auf so ungewöhnliche Weise an ihnen vorbei fuhr, wage ich zu bezweifeln. Es ist auch kaum anzunehmen, dass diese Aktion die Verkaufsauflage seiner Romane erheblich in die Höhe getrieben hat. Aber Spaß hat’s gemacht, den Leuten mal was zu gucken zu geben. Und da gäbe es noch eine Reihe ähnlicher Episoden zu berichten…

Vielleicht mache ich irgendwann mal eine Teestunde, in der ich nur einige dieser lustigen und skurrilen Sachen erzähle, die damals abgelaufen sind – und die meistens von Werner und mir ausgeheckt wurden. Denn das – gerade das, rundet das Bild von Werner Kurt Giesa für die Leute, die ihn später als Ehemann kennengelernt haben, erst richtig ab. Denn so, wie ich nach meiner Eheschließung „ruhiger wurde“, – so geschah das auch mit Werner.

Alles verändert sich – und es verändert sich immer wieder.

Aber mir gefällt es inzwischen, die alten Erinnerungen dieser verrückten und wilden Zeit noch mal wieder geistig auszugraben und Revue passieren zu lassen. Und auf dem Video, wo die vom W.K.G. gedrehten Filme drauf sind, ist am Schluss noch ein Film, den ich seinerzeit mal in Wallenstein gedreht habe. Vielleicht zeige ich den mal auf einem Con…

Aber jetzt ist erst mal Schluss für heute. Wir sehen uns – inch Allah – auf der Buchmesse – oder wie lesen uns in einer Woche…

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2008-10-16 23:45
Ich bin nicht der erwähnte Michael Müller in Rolfs Text- aber das weiß ja hier jeder... :-)
Tja, der BuCo... schon ewig nicht mehr dort gewesen...
und ich denke dieses Jahr wirds auch nicht klappen - obwohl wäre schön gewesen mal paar "alte" Weggefährten wiederzusehen.
Ansonsten fiebre ich der nächsten Woche entgegen.
#2 Holzi 2008-10-16 23:59
Tja, nach 20 Jahren Follow kann ich sagen: Es gibt immer noch welche, die so tun, als habe ihr Follow-Rang auch in der Realwelt Geltung (oder es gar glauben)... 8) :-*
Und es gibt auch immer noch welche, von denen Du auf eine Anfrage keine Antwort bekommen würdest... :-x

Glücklicherweise gibt es auch andere und die sind in der Mehrzahl...

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