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Wird in Schreibseminaren zu viel gekuschelt? – März 2011

Auf eine Mail mit Uschi ZietschWird in Schreibseminaren zu viel gekuschelt?
März 2011

Schreibseminare haben häufig eine Art Montessori-Ansatz: Jeder Teilnehmer wird ermuntert, weiterzuschreiben, die Wertungen der Texte schonen die Seele des Schreibenden. Sie besagen in erster Linie, dass der eine härter an seinem Text arbeiten muss und der andere schon viel weiter ist. Ist das ein ehrlicher und sinnvoller Ansatz?

 

Oder sollte man exakter werten, manch einem auch schon mal nach guter, alter Reich-Ranicki-Manier offen sagen, dass er es nie über den Hausgebrauch hinaus schaffen wird?

Uschi: Offen gestanden kann ich gar nicht beurteilen, ob es jemand mit mäßigem Talent „nie über den Hausgebrauch schaffen“ wird. Ich meine, auch Erma Bombecks „Nur der Pudding hört mein Seufzen“ wurde ein Bestseller. Und das ist garantiert „nur für den Hausgebrauch“. Insofern halte ich mich mit solchen Behauptungen besser zurück.

Jemand, der hoffnungslos untalentiert ist, kommt gar nicht erst in meine Gruppe mit nur wenigen Teilnehmern. Das habe ich nur in den Seminaren in Österreich erlebt, wo mehr als 15 Teilnehmer dabei waren. In so großen Gruppen und anhand der Erfahrungen ähnlicher Seminare oder Kursen an der Volkshochschule geht der eine oder andere davon aus, hauptsächlich mit Theorie „berieselt“ zu werden, sich Notizen zu machen, aber nicht direkt „im Brennpunkt“ zu stehen. Ich kann mich an zwei Geschichten erinnern, die ich nicht analysiert hätte, weil sie schon an der Orthographie gescheitert waren. Das hat nichts mit Legasthenie zu tun, da waren schlicht und ergreifend überhaupt keine Rechtschreibungs- und Grammatikkenntnisse vorhanden, dementsprechend waren auch die Formulierungen katastrophal. Die Geschichten dahinter waren verständlicherweise überhaupt nicht mehr zu finden. Absolut unlesbar. Als Seminarleiter würde ich in dem Fall das Seminargeld zurückerstatten und die Leute heimschicken, beziehungsweise ihnen vor Anreise absagen, sobald ihre eingereichten Storys gesichtet wären.

Bei Kleingruppen ist so etwas eher unwahrscheinlich und kam bisher auch nicht vor. Die Teilnehmer wissen, dass es hier hauptsächlich um Praxis geht, dass ihre Texte durchleuchtet werden. Sie sind bereit, sich kritisch mit ihren Texten auseinanderzusetzen, um weiterzukommen oder überhaupt festzustellen, wo genau die Schwächen liegen. Es ist dann meine Aufgabe, das Beste in den Autoren zu wecken, wenn nicht gar schon ein bisschen was aus ihnen herauszukitzeln. Richtiges Coaching kann ich bei einer Gruppe mit mehreren Teilnehmern nicht machen, aber es ist ein Bestandteil des Seminars: Motivation zu wecken, schreiben zu wollen – oder festzustellen, dass einem Grenzen gesetzt sind, die man vorher nicht wahrgenommen hatte. Wofür es dann reicht – das stellt sich später heraus und erkennt der Autor schließlich selbst.

Es spielen so viele Faktoren eine Rolle, warum der eine Autor publiziert wird und der andere nicht, das hängt nicht allein vom Können ab. Das Handwerk kann man durch viel Übung erlernen, sodass man brauchbare Texte schreiben kann. Mit der Zeit kommt auch das Gespür für die richtige Darstellung von Szenarien. Es reicht dann vielleicht nicht bis zum eigenständigen Hardcover-Roman, aber es gibt ja so viele andere Möglichkeiten.

Bisher habe ich bei jedem meiner Teilnehmer die Möglichkeit zur Publikation gesehen und sporne deshalb an. Ob es dann tatsächlich dazu kommt, kann ich natürlich nicht garantieren. Aber wenn der Autor Freude am Schreiben hat, dann soll er auch schreiben. Niemand hat das Recht, ihm das zu verleiden. Es hat auch bei jedem Teilnehmer, der wiedergekommen ist, eine Entwicklung gegeben. Keiner ist stehengeblieben, und nicht wenige Teilnehmer haben inzwischen veröffentlicht oder sind auf dem besten Wege dazu.

Wenn ich dem Autor seine Schwächen oder gar Fehler deutlich mache, ist das der einzig sinnvolle Weg, damit er weiß, woran er besonders arbeiten muss und wie er weiterkommen kann. Ich bin für positive Förderung, nicht mit Zwang und Druck. Schließlich geht es hier um Kreativität.

Bis zur nächsten »Mail mit Uschi« im April!

Kommentare  

#16 Marc A. Herren 2011-03-07 23:34
?Wahre Ernsthaftigkeit in bezug auf das Schreiben ist eine von zwei absoluten Notwendigkeiten. Die andere, unglücklicherweise, lautet Talent.?
Ernest Hemingway (1899-1961) 8)
#17 Andrew P. Wolz 2011-03-07 23:46
Wolfgang mag also den Begriff Talent nicht. So viel ist mir klar geworden. Er ist ganz fest von dessen Nicht-Existenz überzeugt und empfindet ihn als räudig. Je öfter jemand von Talent spricht, umso empfindlicher reagiert Wolfgang. Am liebsten würde er das Wort aus dem Duden tilgen, könnte man glauben. Sicherlich, nur weil es für etwas einen Namen gibt, muss es längst noch nicht existieren. Andersherum kann man aber auch sagen, nur weil wir über den Begriff streiten, heißt das noch lange nicht, dass wir nicht vielleicht doch dasselbe meinen. Es ist wohl unumstritten, dass der eine Mensch etwas schneller lernt als der andere. Sei es nun eine körperliche oder geistige Tätigkeit. Dem einen macht etwas mehr Spaß als dem anderen. Der eine bringt etwas zur Perfektion, während der andere genervt aufgibt, weil er einfach keine Fortschritte macht. Das sind Erfahrungen, die jeder von uns gemacht hat. Nun ist es mir wurscht, ob man das Talent, Begabung oder Superkalifragilisti nennt - es ist nun einmal so, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Dinge unterschiedlich gut können. Da mag sich Wolfgang noch so oft aufregen.
#18 joe p. 2011-03-07 23:49
Nachdem Mr Trubshaw die Kategorie "Talent" abgeschafft hat, darf nun jeder nach Herzenslust versuchen zu singen und/oder zu schreiben. Moment, nee, das war ohnehin schon immer möglich. Niemand darf mehr sagen "Bei Dir hat das Üben keine [oder eben: "sehr viel"] Aussicht auf Erfolg." Komisch. Ich hätte jetzt gedacht, solche Äußerungen (besonders aus berufenem Munde) seien einerseits von der Meinungsfreiheit gedeckt und zum anderen in einem Bereich, in dem die Nachfrage (und damit das Werturteil des potentiellen Publikums) entscheidet, durchaus sinnvoll. ;-)
#19 Uschi Zietsch 2011-03-08 01:29
@ Wolfgang T.: Zitat:
Ich sehe nicht im Geringsten ein, weshalb ich mich hier dieser halbsubtilen Aufforderung zur Beweislastumkehr fügen sollte. Im Regelfall hat die Existenz einer Sache belegt zu werden, nicht deren Nicht-Existenz.
Heißt: Ich kann es nicht belegen, also beweis mir doch das Gegenteil. ;-)
Mir scheint das hier, nachdem ich einen Teil deiner weiteren Ausführungen gelesen habe, eher eine persönliche Fehde zu sein denn eine sachliche, fundierte Argumentation zur Diskussion. Aber niemand hier will dir Böses oder dich zu einem Seminar zwingen - ich am wenigsten, glaub mir. Das wäre im höchsten Maße kontraproduktiv.

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