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Ein Adliger als Pirat - »Sandokan« Komplettbox

»Sandokan« KomplettboxEin Adliger als Pirat
»Sandokan« Komplettbox

Emilio Salgari (1862-1911) schuf mit der Figur des ungewöhnlichen malaysischen Piraten Sandokan einen der erfolgreichsten Abenteurer der neueren italienischen Literaturgeschichte, der seinen Erfinder um etliche Jahrzehnte überlebte. Am überzeugendsten wurde Sandokan vielleicht vom Inder Kabir Bedi verkörpert, der mehrfach in die Rolle schlüpfte. Die beiden deutsch synchronisierten Miniserien aus den Jahren 1975 und 1996 sind nun erstmals zusammen in einer Komplettbox auf BluRay erschienen.

SandokanDie erste „Sandokan“-Verfilmung „I Pirati della Malesia“ von Enrico Guazzoni entstand bereits 1941 in Italien, mit Luigi Pavese in der ikonografischen Hauptrolle und mit Massimo Girotti als Tremal-Naik. Noch im gleichen Jahr wurde mit den beiden eine Fortsetzung realisiert. In Deutschland musste man allerdings noch mehr als 20 Jahre warten, bis mit Umberto Lenzis „Sandokan“ ein erstes synchronisiertes Abenteuer des Piraten über hiesige Leinwände flimmerte, nun mit US-Muskelmann Steve Reeves in der Hauptrolle. Auch hierzu ließ man schon wenige Monate später eine Fortsetzung („Sandokan – Die schwarzen Piraten von Malaysia“) folgen, bevor schließlich Ray Danton die Nachfolge von Steve Reeves antrat und zwei weitere Kinoabenteuer als Sandokan erlebte. Von Salgaris Romanvorlage war das alles zumeist sehr weit entfernt, zumal man stets einen Europäer oder Amerikaner in der Rolle des Asiaten besetzte. Das sollte sich erst 1975 ändern, als Sergio Sollima („Der Gehetzte der Sierra Madre“) mit „Der Tiger von Malaysia – Die Abenteuer des Piraten Sandokan“ eine erste ernstzunehmende Adaption der Romanfigur als sechsstündige Miniserie realisierte. Deren Erfolg war dermaßen groß, dass auch eine zweigeteilte Kinoversion aus der Serie zusammengeschnitten wurde, die es auf eine rund vierstündige Laufzeit brachte. Aus dem noch relativ unbekannten indischen Hauptdarsteller Kabir Bedi (1946 in Lahore geboren) wurde in Folge einer der beliebtesten „Exoten“ in westlichen Filmen wie „Der schwarze Korsar“, „Der Dieb von Bagdad“ oder als Bond-Gegenspieler Gobinda in „Octopussy“.

SandokanMitte des 19. Jahrhunderts haben sich die Briten mit der Ost-Indischen Gesellschaft den Fernen Osten Untertan gemacht. Sie kontrollieren die Region nicht nur wirtschaftlich, sondern drücken der Bevölkerung auch kulturell ihren Stempel auf. Einer der wenigen, der sich gegen die kolonialen Besatzer zur Wehr setzt, ist der ehemalige Adelige Sandokan (Kabir Bedi), dessen Familie von den Briten ermordet wurde, als er noch ein Kind war. Als Pirat hat er nun auf Rache geschworen und sabotiert die Kolonialisten, wo es nur geht. Bei einem seiner Angriffe auf ein britisches Handelsschiff wird Sandokan schwer verletzt an Land gespült. Lord Guillonk (Hans Caninenberg) und insbesondere dessen Nichte Lady Marianna (Carole André) kümmern sich um den exotischen Mann, den sie für einen Prinzen halten. Zunächst lässt er die Briten in diesem Glauben, kann Marianna aber nicht länger anlügen, als er sich seiner Gefühle für die hübsche junge Frau bewusst wird. Es wird nicht lange dauern, bis Sandokan auch seinem Erzfeind Sir James Brooke (Adolfo Celi) erneut gegenüberstehen wird, der nun als Maharadscha von Sarawak die Interessen der britischen Krone als offizieller Statthalter vor Ort skrupellos durchsetzt.

SandokanDie von Emilio Salgari erdachte Abenteuergeschichte bedient sich bei allerhand klassischer Vorbilder, vom Grafen von Monte Christo über Robin Hood bis zu Tarzan. Die Rachegeschichte ist demzufolge nicht besonders originell und von Sergio Sollima auch mitunter etwas langatmig in Szene gesetzt. Positiv sind aber die exotischen Schauplätze und der enorme Aufwand hervorzuheben, da man vor Ort in Asien und mit echten Tieren drehte und auch auf offenem Meer beeindruckende Schlachten mit Segelschiffen nachgestellt wurden. Ebenso überzeugend ist das minimalistische Spiel Kabir Bedis, der mit dieser Miniserie zum neuen erotischen Leinwandhelden avancierte. Für Abenteuerfans bietet der Sechsteiler auch heute noch gelungene Unterhaltung, zu der auch der Ohrwurm-Soundtrack von Guido und Maurizio de Angelis („Oliver Onions“) beiträgt.

SandokanIn der Box sind die sechs einstündigen Folgen der ersten Miniserie auf zwei BluRays verteilt, die ein ganz gutes Bild von angemessener Schärfe und leicht blassen Farben (im Vollbildformat 1,33:1) bieten. Der Ton (Deutsch und Italienisch im DTS HD Master Audio 2.0, optional mit deutschen Untertiteln) ist nicht weiter zu beanstanden. Die Extras kennt man schon größtenteils von der DVD-Erstveröffentlichung bei Koch Media aus dem Jahr 2004. Sie umfassen das zweiteilige Featurette „Sandokans Abenteuer“ (zusammen 59 Minuten), in dem Sergio Sollima sich an die Dreharbeiten erinnert, den deutschen Kinotrailer der Filmversion, die deutschen Vor- und Abspänne (zusammen 14 Minuten), die englischen Abspänne (zusammen 4 Minuten), sehr umfangreiche animierte Bildergalerien und die vierteilige Super-8-Version der Serie (zusammen 64 Minuten).

SandokanSo ganz komplett ist diese „Sandokan Komplettbox“ von Fernsehjuwelen nicht, denn bereits 1977 ließ Sergio Sollima mit dem Fernsehfilm „La tigre è ancora viva: Sandokan alla riscossa!“ mit Kabir Bedi eine erste Fortsetzung folgen, die es allerdings nie nach Deutschland schaffte. Dort ließ man erst 1998 die Legende weiterleben, als mit dem Fernsehvierteiler „Die Rückkehr des Sandokan“ die 20 Jahre nach der Originalserie gedrehte Fortsetzung erstmals auf SAT.1 ausgestrahlt wurde. Das ebenfalls sechsstündige Sequel setzte auch tatsächlich 20 Jahre nach „Der Tiger von Malaysia“ ein, als die junge Reporterin Lady Dora Parker (Mandala Tayde) nach Indien reist, um vor Ort Sandokans (Kabir Bedi) Biografie zu schreiben. Der zur Legende gewordene Ex-Pirat wird nach wie vor von den meisten seiner Landsleute verehrt, von den britischen Besatzern allerdings verachtet. Auch Lieutenant James Guilford (Tobias Hoesl) ist Sandokan ein Dorn im Auge, weswegen er sich mit dem Raja Raska (Mathieu Carrière) verbündet, um den Helden ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Die beiden entführen Raskas Cousine, die Maharani Surama (Romina Power), und lassen den britischen Gouverneur Sir Burton (Sergio Nicolai) ermorden, um Sandokan der Tat zu beschuldigen. Mit Hilfe seines alten Freundes Yanez de Gomera (Fabio Testi), dessen Sohn André (Lorenzo Crespi) und des Yogi Azim (Franco Nero) muss der edle Inder nun versuchen, sich von diesen Anschuldigungen wieder rein zu waschen.

SandokanKabir Bedi schlüpft hier mit Leichtigkeit wieder in die Rolle, die ihn zwanzig Jahre zuvor weltberühmt gemacht hatte. Die Story (geschrieben von Italo-Western-Star George Eastman unter seinem bürgerlichen Namen Luigi Montefiori) hat das gewisse Etwas der handfesten Durchschnittsunterhaltung: die Bösen sind beim ersten Anblick als böse zu erkennen, die Konstellationen genügen den einfachsten Unterhaltungsansprüchen, der Tiefgang der Sollima-Folgen wird nicht mehr erreicht. Dennoch ist auch diese Miniserie spannend und actionreich inszeniert und hat einiges an fremdländischen Schauwerten zu bieten. Die BluRay-Erstveröffentlichung präsentiert die sechsstündige Serie auf einer Scheibe und lediglich in SD-Qualität. Das Bild (im Vollbildformat 1,33:1), das vom deutschen Master gezogen wurde, ist entsprechend gut, aber nicht perfekt. Der Ton (Deutsch und Italienisch im DTS HD Master Audio 2.0, optional mit deutschen Untertiteln) ist stets gut verständlich. Das Bonusmaterial umfasst ein Interview mit Mathieu Carrière (23 Minuten), Outtakes aus der Serie (2 Minuten), einen deutschen Trailer sowie ein 32seitiges Booklet (aus dem Jahr 2018) mit zahlreichen Fotos und einem Hintergrundtext aus der Feder von Dominik Starck.

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