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Kurt Brand wird 100! - »Schlomos« vierundzwanzigste Kolumne

Ren Dhark & das Weltall Kurt Brand wird 100!
»Schlomos« vierundzwanzigste Kolumne

100 Jahre Kurt Brand! Da muss ich einfach über ihn schreiben. Nur: Was soll man von jemand berichten, den man nie persönlich getroffen hat? Und der trotzdem eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt hat – und immer noch spielt.

Nun, da hilft wohl nur die Guttenplag-Methode: Bei Leuten, die ihn kannten abkupfern, was das Zeug hält!


Kurt BrandAber halt. Im Checkmaster steht eh alles, b.z.w. eigentlich sogar Allem, einschließlich dem Dativ.

Wäre wohl nicht sehr schlau, das alles noch einmal irgendwo zu veröffentlichen, außerdem würd ich mir dann blöd vorkommen – wegen mit fremden Federn schmücken und so. Also schreib ich einfach mal wild drauf los – was anderes kann ich eh nicht – und versuch mir selbst klar zu machen, wie ich Kurt Brand anhand seiner Romane erlebt und eingeschätzt hab.

Ganz am Anfang, als ich die ersten Ren Dhark Hefte beim “Schmucker”, dem lokalen Schreibwarenladen, in dem es wirklich alles gab, kaufte, dachte ich, das seien Übersetzungen aus dem Amerikanischen. Irgendwie war das klar, darüber musste ich nicht nachdenken, da alle Romanhefte, die ich bis dato konnte, U$ Produkte waren. Genau wie die Pulp Hefte, die mein Vater und ich (später) so gerne lasen. Bei Ren Dhark nur eben ins deutsche übersetzt.

Irgendwann – ich weiß selbst nicht mehr wann und bei welche Gelegenheit – schaltete ich meine Vorstellung dann um: Die Autoren hatten die Geschichten auf deutsch geschrieben, da musste nichts übersetzt werden. Auch wenn die Namen einzelner Autoren durchaus amerikanisch klangen – etwa Staff Caine, aber wieso Staff, nicht Stef oder Steff? - und dann stand ja auch noch auf jedem Titelblatt “Die große SF – Story von Kurt Brand”. Das dürfte die Zeit gewesen sein, in der ich begriff, dass ich nicht Dinge las, die bereits vor langer Zeit geschrieben worden waren, sondern dass genau jetzt im Augenblick in Literatur und Forschung die Post ab geht. Bei den Fix&Foxi Heften oder bei Micky Maus war mir das schon lange klar, aber bei so etwas komplexem wie Bücher oder Romanheften?

Gut, Bücher hatte ich aus der Leihbibliothek, die Hefte waren eben gebraucht aus den Tauschregalen beim “Schmucker”. Neu waren nur die Taschenbücher aus dem Kiosk vor dem Krankenhaus in der McGraw, sowie die Comics - jede Woche neu aus einem Zeitschriftenladen. (Wobei es mich immer wieder gewundert hat, wie Walt Disney oder Rolf Kauka es jede Woche schafften, ein ganzes Heft zu zeichnen. Ich brachte in einer Woche bestenfalls zwei Seiten in vergleichbar (Mann, war ich mir gegenüber unkritisch!) Qualität zu Stande. Ihr könnt euch vorstellen, wie grenzenlos meine Bewunderung diesen Leuten gegenüber war...)

Und jetzt kommt Kurt Brand ins Spiel: Er hatte bei Ren Dhark die Figur “Vandekamp” eingebaut. Und der konnte nur meinen Brieffreund Peter van de Kamp zum Vorbild haben. Also musste Kurt Brand die Geschichten zeitnah geschrieben haben. Es fühlte sich für mich recht sonderbar an, als ich begriff, dass es die Dinge, die mich begeisterten, nicht schon seit ewig langen Zeiten gab, sondern sie gerade jetzt ganz aktuell entstanden. Die Autoren von Romanen waren genau so reale Personen wie Wissenschaftler, denen man jederzeit zufällig begegnen konnte. Damals, das dürfte so etwa 1969 gewesen sein – noch vor der ersten Mondlandung – hatte ich den Eindruck, im Hier und Jetzt angekommen zu sein.

Als es keine neuen gebrauchten Ren Dhark Hefte mehr gab – ich wusste damals noch nicht, dass nur 98 Stück geschrieben worden waren – und ich notgedrungen auf Perry Rhodan (natürlich auch gebracht vom Schmucker) umsteigen musste, waren ein paar Hefte darunter, die mir besonders gut gefallen haben. Mir fällt dabei immer sofort Heft 208, “Die blauen Herrscher” ein. Wie ich sehr viel später heraus fand, das letzte PR Heft von Kurt Brand. Ich mochte die Horror Story, die Abenteuer in der Hohlwelt, und ganz besonders gefiel mir die Art, wie “unser” Kurt Brand diesen Teil erzählte. Das hatte schon etwas vom Ren Dhark Feeling.

Bei diesem Heft bemerkte ich auch zum ersten mal, dass Kurt Brand nicht nur Ren Dhark, sondern auch PR geschrieben hat. Dass es sein letztes PR Heft war, wusste ich damals noch nicht, hatte auch keine Ahnung, wann es erschienen war. Jedenfalls hab ich von da an immer geschaut, wer der Autor war. Und da ich die Hefte in einer wilden Reihenfolge gelesen hab, stieß ich gelegentlich auf Kurt Brand Hefte. Das ging sogar so weit, dass ich nach Januar 1971, als ich PR in einem Schreibwarenladen vor dem Schimpansium jede Woche neu kaufte (Ab der Woche nach den Weihnachtsferien 70/71, erstes Heft: 491) nach sah, wer es geschrieben hatte. Und jedes mal ein klein wenig enttäuscht war, dass es eben nicht von KB kam.

Da ich nach wie vor gebrauchte Hefte kaufte – immer in der Hoffnung, doch noch das eine oder andere Ren Dhark Heft zu finden, das ich noch nicht kannte – stieß ich auch auf einige Terra Hefte von Kurt Brand, so zum Beispiel TERRA Extra Band 44, “Er nahm die Erde mit”, ein Roman, den ich für ein frühes Werk von KB hielt, da er deutlich holperiger geschrieben war, als etwa Ren Dhark Hefte. Was ich ebenfalls ergatterte, war “Genies vom Fliessband” vom Andromeda Verlag. Schräg, aber cool.

Jahr später erfuhr ich, dass Kurt Brand auch Krimis und Western geschrieben hat, aber davon hab ich vermutlich keine gelesen. Es sei denn, sie wurden gelegentlich ins Englische übersetzt. Denn von den Pulp Heften, etwa den “True Detective Stories” hab ich jede Menge konsumiert. Western gar keine. Die hat nur mein Vater gelesen, aber ebenfalls nur amerikanische Pulp Hefte. Die Western, die meine Mutter liest, sind zwar auf deutsch, aber Serien aus den 50er Jahren. Pete, Tom Prox, Bill Jenkins und so.

Bei allen Geschichten, die Kurt Brand schrieb, hatte ich den Eindruck, dass es ihm wirklich Spaß gemacht hat, die Story zu erzählen. Anders – so denk ich – hätte er nie diese Wahnsinnsmenge an Romanen in seine Schreibmaschine hacken können. Man schätzt momentan, dass er insgesamt etwa 800 bis 1000 Romane geschrieben hat. Das währen 40 Jahre lang alle 2 Wochen ein Heft! Eine unvorstellbare Menge. Ich hab mal ausprobiert, wie lange ich für nur einen einzigen 64 Seiten Band brauche: Etwa 6 Wochen. Ihr könnt euch sicher vorstellen, WIE ich Kurt Brands Leistung bewundere. Nicht nur die Menge, sondern vor allem die Ideen und die Umsetzung. Und er hatte nur eine simple Schreibmaschine, keinen Computer, keine Rechtschreibprüfung, kein Wikipedia zum nachschlagen...

Und dabei war er seiner eigenen Arbeit gegenüber offensichtlich nicht unkritisch: Ich denk da an eine Szene aus den den frühen Ren Dhark heften, in der Dhark von den Mysterious träumt: Es ist ein Alptraum, die Unbekannten sind darin üble menschenverachtende Sklavenhalter. Als er aufwacht hofft er, dass das wirklich nur ein Alptraum war.

Den Grund für diese Szene konnte ich sofort verstehen: Ich kannte die Geschichten um die Maschinenhöhle auf Hope von meinem Vater. Der war bei der Demontage des “Mittelbau Dora”, einer Außenstelle des KZ Buchenwalds dabei. Die Überlebenden der Familie waren im befreiten KZ einquartiert, und mein Vater hatte einen Job von der Roten Armee bei der Demontage des V-Werks. Was es von damals erzählt hat entsprach (strukturell) sehr genau der Beschreibung Kurt Brands vom Maschinendom auf Deluge. Er muss es also (zumindest aus Erzählungen) gekannt haben. Daher hat er Ren Dhark von den Monstern träumen lassen. Ich hab diese kurze Szene als Kurt Brands persönliche Abrechnung mit den Nazis betrachtet. Was es vermutlich auch war.

Wie genau die beiden Erzählungen zusammen passen, zeigt sich unter anderem an der Stadt (oder deren Ruinen) vor den Höhlen bei KB, korrespondierend dazu die KZ Baracken bei meinem Vater. Bei Ren Dhark versuchen Roccos Leute die Höhlen mit “Plastit” zu sprengen, in Realität hat die Rote Armee mit mehren Zugladungen Sprengstoff das selbe versucht. Und dazu dann noch die vielen Details aus den Höhlen... Das passt einfach zu genau.

Wundert sich jetzt noch jemand, wieso Ren Dhark in meinem Kopfkino schwarze Haare hat, wie in meiner Familie üblich?

Es gibt noch etwas, das mich an Kurt Brand begeistert. Hab ich – wenn ich mich nicht irre – bei Kurt Giesa gelesen: “/1945 kam er in russische Kriegsgefangenschaft, wo er es aber nicht lange aushielt. Wie sein Freund Werner Kurt Giesa berichtet, entließ sich Kurt Brand nach Kriegsende selbst, weil er, nach eigenem Bekunden, keine Lust mehr hatte./“ Quelle: Checkmaster, http://wiki.rendhark-universe.net/Kurt_Brand

Sich nicht irgend welchen “Obrigkeiten” zu beugen, war – soweit ich das beurteilen kann – das Wichtigste, das ich in der Volksschule gelernt hab. Der Rektor der Schule hatte einen religiösen Tick, rief einmal an einem Samstag alle Schüler, die nicht katholisch waren zusammen (was mir wie eine Selektion vorkam) und bestimmte, dass wir am Samstag ein paar Stunden länger bleiben mussten - zum Chorgesang! Gedacht war das offensichtlich als Strafe dafür, dass wir nicht katholisch waren. Das erste mal entkam ich dem Unfug nicht, musste mir den Mist einer Le(e/h)rerin mit religiöser Demenz anhören. Zumindest brauchte ich nicht zu singen, weil ich mir einen Daumen in ein Taschentuch gewickelt hatte, behauptete, verletzt zu sein und daher nicht mitmachen zu können. Am nächsten Samstag bin ich einfach vorher gegangen. Ist niemand aufgefallen.

Wobei ich echt überrascht war, wie stolz zu Hause deshalb alle auf mich waren...
So im Nachhinein würd ich das als die “*Kurt Brand Methode*” bezeichnen.

Schalom,
Schlomo

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