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Nostalgie und Anpassung - Textstile gestern und heute - Von der Geradlinigkeit zur Verschwurbelung

1Nostalgie und Anpassung
Textstile gestern und heute - Von der Geradlinigkeit zur Verschwurbelung

Erst einmal: dieser Text ist keine Verurteilung, nur eine passive Gegenüberstellung. Ich lese die heutige EA regelmäßig und auch recht aufmerksam, so dass mir inhaltliche und sprachliche Fehler leicht auffallen. Das geht auch anderen engagierten Lesern im PR-Forum so. Auf Kanonfehler, also inhaltliche Irrtümer wird dabei von kritischen Langlesern ebenso eingegangen wie auf Stilblüten oder seltsame Formulierungen.

Nun konnte man damals, im Mittelalter des zwanzigsten Jahrhunderts, also vor der Erfindung des Internetzes und der Echtzeitkommunikation die Perryhefte nicht so schnell öffentlich analysieren wie heute. Auch war der geneigte Leser, weil jung, vielleicht geringfügig unkritischer und mehr der SF-Begeisterung zugeneigt … da nahm man alles, was es gab in Deutschland an SF gerne mit, ohne allzu kritisch daraufzuschauen. Das taten dann eben die damaligen Fachleute, von der Science-Fiction-Times etwa oder dem Quarber Merkur.

Auch andere SF-Fans entwickelten ihre Kritikfähigkeit im Fandom mitunter am dann nicht mehr ganz so frühen Perry.Auch wurde die Serie eine Zeitlang nicht für voll genommen. Es gab ja noch den Heyne-Verlag, dazu Fischer-Orbit und Goldmann. Diese drei Verlage deckten sozusagen die ernsthafte SF für den schmalen Geldbeutel des Schülers, Lehrlings-Auszubildenden oder Studenten ab.Die Leihbuchzeit war bereits vorbei. Der Heftchenmarkt boomte noch mit schlechten oder verkürzten Übersetzungen im TERRA NOVA/TERRA ASTRA/UTOPIA usw. Auch deutsche Eigenkreationen nahmen zu … aber der Stil war meistens geradlinig, frisch und kreativ.

Viele Außenhandlungen wurden klar geschildert, Dialoge beschleunigten das Lesetempo. Es gab keine echten Schreibvorlagen (außer den Exposes und einigen Richtlinien), wie man zu schreiben oder ein Heft anzufangen hatte.Die Vielfalt war daher groß, auch beim Perry. Standardisierung und Durchplanung waren also nicht ganz so stark wie heute (ideenmäßig erkennbar auch in den gemischten Innenillus, in den Text eingebettet. Personen wurden damals sehr gut dargestellt, vom Mausbiber bis zum Perry selbst oder Atlan.Heute gibt es nur eine einzige, ganzseitige Illustration, die meist nur ein dröges Raumschiff zeigt. Das ist symptomatisch, auch für Textstandardisierung im Heft, insbesondere bei Einleitungen, die heutzutage stilistisch allzu ähnlich daherkommen). Ähnlich wie die Bilddarstellung scheint es auch heutzutage mit den Texten zu gehen.

Ein subjektiver Einstieg, auf einer halben bis zu zwei Seiten bezogen auf einen personalen Innen-Erzähler, dann kommt die objektive Haupthandlung in der dritten Person. Fast alle Autoren halten sich an dieses Muster. Offiziell soll es ja angeblich keine Regelung dazu geben. Warum subjektive Innensicht einen besseren Einstieg in eine Handlung liefern soll, erschließt sich mir nicht logisch, denn vergleiche ich die heutigen Hefte mit KHS, Mahr oder HGE, so sind die objektiveren Romananfänge von damals mindestens ebenso gut wie heute und erzeugen auch sofort ihre Spannung.Mehr ist also nicht unbedingt besser, selbst wenn die Schreibstile heutzutage elaborierter sind, die Sätze länger, gedrechselter.

Dafür fehlt aber oft die Klarheit und Frische, die mir immer wieder auffällt, wenn ich einen Silberband zur Hand nehme.Als Ausnahme von damals will ich allerdings Walter Ernsting alias Clark Darlton nennen, dessen Perry-Schreibe bisweilen primitiv, wegen seiner elliptischen Sätze zumindest sehr einfach gehalten ist. Seine von Perry unabhängigen Romane, die notgedrungen auch ohne Gucky auskommen müssen, sind oft besser. CD ist meines Erachtens nämlich immer dann am schlechtesten, wenn er den Ilt auffährt und dessen Eskapaden beschreibt.

Von diesem Autor aber abgesehen (und der Walter war sicher ein guter, netter Mensch, der auf Cons immer ein Wort und eine Minute für den Fan hatte), waren die Charaktere überzeugend, die Handlung ebenso, wenn man sie natürlich mitunter ebenfalls auf inhärente Logik abklopfen musste, wie heute. Auch damals hielt das nicht immer stand. Kanonfehler kamen ebenso oft vor, wenn die Autoren das damalige papierne Lexikon zum Perry (erst ein-, dann später zweibändig) nicht neben der Schreibmaschine stehen hatten. Zum Glück aber kam das eher selten vor.

Wie Voltz nämlich einst sinngemäß sagte: „Nehmt den Leser ernst, der merkt so etwas!“ Auch realpolitische Gegebenheiten wurden zum Glück meist aus der Serie herausgelassen bis auf ganz geringfügige Ausnahmen (etwa der Homo Superior im Schwarmzyklus).Dann wurden sie außerdem so verfremdet, dass die Bezüge zur Gegenwart nur noch schwer erkennbar waren. Heute ist das anders … bei einigen Autoren, die das für witzig oder sozialkritisch halten.

Literarische Anspielungen, die heutzutage natürlich weniger aus Büchern oder der großbürgerlichen Bildung stammen, sondern aus Kinofilmen der relativen Moderne, sind natürlich inzwischen häufiger geworden.Wer aufmerksam liest, kann so etwas finden.Wenn er/sie/es/0/* denn will.

Dafür werden Namen von Personen oder Fremdvölkern nicht mehr einfach erfunden (wie weiland bei Kneifel, der sich einfach einen Atlas griff: „Dumfries“ etwa ist ein Ort in Schottland), sondern aus anderen (auch antiken) Sprachen begriffstechnisch verfremdet.Diese Art der Spurensuche amüsiert den Leser zeitweilig und es sprießen die Spekulationen ins Kraut, was denn die Expokratie damit gemeint haben könnte.

Abschließend sei gesagt, dass Ich auch heute noch die Serie gern lese, und auch die meisten der aktuellen Autoren, wenn auch oft mit Seufzen … wenn ich mir aber einen Silberband greife, erfrischt mich die klare, schnelle Sprache von früher viel mehr als das manchmal mühsam wirkende Geschreibe von heute .Das ist wie ein Glas Wasser in der Wüste, vom Durst geplagt und ächzend … Ja, die Schriftsprache war einfacher, aber auch geradliniger, schneller auf den Punkt kommend, die Handlung mehr und besser vorantreibend als die heute oft anstrengend wirkenden Versuche, das Geschehen angemessen zu beschreiben.Mehr ist eben nicht immer besser.

 PS: Aktuell habe ich keine älteren Hefte zur Hand (Dachboden), aber ich werde demnächst hier einmal die verschiedenartigen Stile der älteren und der neueren Zeit gegenüberstellen … (falls dies nicht jemand anders gerne tut), damit die Kritiker, die immer gerne nach Beispielen schreien, auch zufrieden sind.

 

© 2019 by H. Döring

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