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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit der Graydon-Affäre?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit der Graydon-Affäre?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Als 1861 der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, bedeutete das eine massive militärische Umschichtung in den USA. Die Hauptkräfte der ohnehin sehr kleinen Bundesarmee wurden von ihren Posten im Westen, Süd- und Nordwesten abgezogen, um auf den Schlachtfeldern im Osten und Süden eingesetzt zu werden. Freiwilligenmilizen in allen der Union angehörenden Staaten wurden neu aufgestellt.

Unter dem Abzug der Truppen litten vor allem die an der südwestlichen Grenze entstandenen Siedlungsgebiete. Viele der ohnehin kleinen und schwächlichen Forts wurden aufgegeben oder unerfahrenen Milizen übergeben. Die hier lebenden Indianervölker begannen, diese Schwächen auszunutzen und Transport-Trails und Siedlungsstätten anzugreifen.

Zu den Posten, die zeitweise geschlossen wurden, gehörte das 1855 gegründete Fort Stanton im New Mexico Territorium. Von hier aus war versucht worden, die Mescalero Apachen unter Kontrolle zu halten. Der Abzug der Armee führte dazu, dass die Apachen ihre Raubzüge im Farmland wieder aufnahmen.

Im Herbst 1862 ordnete der Militärkommandant dieser Region, Brigade-General James H. Carleton, an, das Fort wieder in Betrieb zu nehmen. Er delegierte diese Aufgabe am 12. Oktober 1862 – vor 160 Jahren – an Colonel Kit Carson. Der ehemalige Trapper, Scout und Indianeragent kommandierte die Freiwilligen-Einheiten von New Mexico. Carleton befahl ihm, mit 5 Kompanien der 1. New Mexico Kavallerie Fort Stanton wieder zu besetzen. Mit dem Rest des Regiments sollte Carson die umherstreifenden Apachen jagen und unterwerfen.

Carleton unterschrieb einen seiner bekannt brutalen Befehle: Dieser lautete u. a.: „Alle Männer der Mescaleros sind sofort zu töten, egal wann und wo sie angetroffen werden.“ Einschränkend fügte er hinzu: „Wenn sie um Frieden bitten, müssten sich ihre Häuptlinge und alle führenden Krieger in Santa Fe zu Verhandlungen einfinden.“ Was dann geschah, ging als „Graydon-Affäre“ in die Geschichte ein.

Carson und seine Männer trafen am 26. Oktober 1862 in Fort Stanton ein. Hier erfuhr der Colonel, dass seine Vorhut unter Captain James Graydon in den westlichen Ausläufern des Galinas Peak einen Zusammenstoß mit einer Streifschar Mescaleros gehabt hatte. Diese Apachen waren zu Friedensverhandlungen auf dem Weg nach Santa Fe gewesen. Obwohl Graydon darüber informiert worden war, befahl er seiner Kompanie, das Feuer zu eröffnen. Die Häuptlinge Manuelito und Jose Largo, sowie 4 Krieger und 1 Frau wurden sofort getötet. Die übrigen Apachen flüchteten und wurden von der Kavallerie verfolgt. Mindestens weitere 5 Krieger wurden erschossen, etwa 20 verwundet. Die Pferdeherde der Apachen wurde erbeutet.

Als Carson in Fort Stanton einritt, meldeten sich sofort weitere Apachen, die ihn kannten und ihm vertrauten, und kapitulierten. Gleichzeitig erfuhr Carson, dass Captain Graydon der Manuelito-Gruppe eine Falle gestellt hatte. Ihm war dabei von einem Zivilisten namens Charles Beach geholfen worden, dem Graydon die Pferdeherde als Lohn versprochen hatte.

Carson sandte sofort einen Kurier zu General Carleton, der zurückschrieb, dass Carson die Pferde und Mulis an die Mescaleros zurückerstatten und Charles Beach aus New Mexico ausweisen solle. Weitere Gerüchte erhoben sich, wonach Captain Graydon in der Vergangenheit mehrfach Alkohol an die Indianer verkauft, sie zu Trinkgelagen eingeladen und im Rausch erschossen hatte.

Die Angelegenheit wurde kontrovers. Die Praktiken von Captain Graydon verbreiteten sich. Ein ehemaliger Militärarzt, J. W. Whitlock schrieb einen Artikel in der „Santa Fe Gazette“ und beschuldigte Graydon offen, gemeinsame Sache mit Charles Beach und dessen dubiosen Geschäften gemacht zu haben.

Graydon forderte Whitlock daraufhin zum Duell. Beide Männer trugen schwere Verletzungen davon. Colonel Carson forderte Graydon auf, sofort seinen Abschied zu nehmen. Ein weiterer Brief General Carletons traf ein, der ein Militärgerichtsverfahren gegen Graydon anordnete.

Dr. Whitlock verließ nach dem Duell Fort Stanton. Einige Soldaten aus Graydons Kompanie schossen den Arzt hinterrücks vom Pferd und feuerten 130 Kugeln in den am Boden liegenden Mann. Kit Carson war außer sich. Er forderte ein sofortiges Militärgerichtsverfahren und sagte: „Wer an Witlocks Mord beteiligt war, soll morgen hängen.“ Dazu kam es nicht. Es gab ein Gerichtsverfahren, aber keine Todesurteile.

Graydons eigenes Militärtribunal war jetzt unvermeidlich, doch bevor es dazu kam, erlag der Captain am 9. November 1862 seinen Wunden, die er im Duell erlitten hatte. Der Tod von Manuelito löste bei den Mescaleros größte Bitterkeit aus.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, 22/4Die kommende Ausgabe

 

 

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