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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit George Washington und Yorktown?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit mit Yorktown im Oktober 1781?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Der 19. Oktober 1781 war ein Triumph für Amerika – die ehemaligen 13 Kolonien gewannen ihre Unabhängigkeit, als die glorreiche englische Armee in Yorktown kapitulierte.

Wenig wird heute noch darüber gesprochen, dass es eine knappe Woche später zu einem Ereignis kam, dass kein so gutes Licht auf den damaligen Oberkommandierenden der Continental-Armee, George Washington, wirft. Am 25. Oktober 1781 unterschrieb Washington einen Befehl, der aus heutiger Sicht eher schändlich war. Auch dem damaligen Zeitgeist folgend, war er zumindest dubios.

Washington ordnete an, dass “Neger oder Mulatten“ – so nannte man Afro-Amerikaner damals – die sich bei der britischen Armee aufhielten, in zwei Umzäunungen beiderseits des Yorktown River zusammengetrieben werden und dann an Sklavenhalter in Virginia zurückgegeben werden sollten.

Beim 200jährigen Gedenken an Yorktown sprach 1981 der damalige Präsident Ronald Reagan unter dem Beifall von rd. 60.000 Zuhörern davon, dass es an diesem Platz gelungen sei, „Freiheit über Tyrannei“ triumphieren zu lassen. Die Nachkommen der ehemaligen Sklaven hatten eine andere Erinnerung. 1781 machte die schwarze Bevölkerung immerhin bereits 20% der amerikanischen Population aus. Es sollten weitere 80 Jahre vergehen, bevor die Sklavenhaltung in den USA formal aufgehoben wurde. Erstaunlich ist, dass dieses Dokument bis ins 20. Jahrhundert hinein unbeachtet, ja teils völlig unbekannt blieb.

Ein Exemplar von Washingtons Befehl, mit dem ganze Regimenter seiner Armee zu „Sklavenjägern“ wurden, wie ein Historiker es ausdrückte, liegt in der „Library of Congress“. Abschriften, die an mehrere Offiziere der Continental Army verteilt wurden, befinden sich in anderen Archiven. Die Geschichtsschreibung spricht von einem "Sklaven Round up".
Diese Menschen waren von verschiedenen Plantagen geflüchtet und hatten sich unter den Schutz der Engländer begeben. Sie hatten gehofft, nach einem englischen Sieg freigelassen zu werden. Eine vergebliche Hoffnung, der durch Washingtons Befehl jegliche Basis entzogen wurde. Ein anderer Historiker drückte es so aus: „Für die versklavten Menschen im 18. Jahrhundert trug die Freiheit eine rote Uniform, nicht eine blaue.“

Nach einem Gespräch mit zwei Schwarzen, die einer Familie in Pennsylvania dienten, die vor dem Vormarsch der Rotröcke auf Philadelphia floh, vertraute Reverend Henry Melchior Muhlenberg, ein lutherischer Geistlicher mit deutschen Wurzeln, seinem Tagebuch am 20. September 1777 an: „Sie wünschen sich den Sieg der britischen Armee. denn dann werden alle Negersklaven ihre Freiheit erlangen.“

Diese Erkenntnis wurde den Soldaten von George III. klar, als sich der Schwerpunkt des Krieges 1778 von Neuengland und den mittleren Kolonien nach Süden verlagerte. Im Mai 1780 notierte ein Offizier: „Alle Neger, Männer, Frauen und Kinder, hielten sich bei der Annäherung irgendeiner Abteilung der Truppen des Königs für befreit von ihren amerikanischen Herren und vollständig aus der Knechtschaft entlassen: Beeinflusst von dieser Idee verließen sie die Plantagen und folgten der Armee von Lord Cornwallis, der das Kommando über die britischen Streitkräfte im Süden übernahm, Er schrieb: „Die Zahl der Neger, die diesem Corps beiwohnen ,ist für uns eine äußerst ernste Belastung.“

Bis heute diskutieren Historiker über die genaue Zahl der Sklaven aus Virginia, die 1781 britischen Schutz suchten. Thomas Jefferson, der Gouverneur des Old Dominion in der ersten Hälfte dieses Jahres, behauptete, dass der Staat durch Cornwallis 30.000 Sklaven verloren habe – zweifellos eine große Übertreibung. Eidessstattliche Erklärungen von Pflanzern in neunzehn Bezirken und Einwohnern von Portsmouth ergab eine Zahl von 1.119 geflüchteten Sklaven – auch wenn man diese Angaben als nicht vollständig ansehen kann.

Selbst wenn Cornwallis militärische Erfolge erzielt hätte, wäre die vollständige Freiheit für viele schwarze Flüchtlinge ein Traum geblieben. Die Pockeninfektion, möglicherweise der größte Mörder des achtzehnten Jahrhunderts, marschierte längst in den Reihen der Engländer mit, und Afroamerikaner infizierten sich und starben in Scharen, nachdem die Briten in Virginia eingedrungen waren. General Edward Hand, einer der leitenden Stabsoffiziere Washingtons, schrieb während der Belagerung von Yorktown: „Fast in jedem Dickicht finden Sie den unangenehmen Anblick von elenden schwarzen Kadavern. Krankheit und Hunger haben sie ums Leben gebracht.“

Ein amerikanischer Historiker fasste die Essenz in einem Artikel im „Journal of the American Revolution“ zusammen: „In Yorktown siegte die Sklaverei. In der Geschichte der Vereinigten Staaten wurden Freiheit und Gleichheit und Chancen für einige durch die Unterdrückung anderer erkauft. Unsere verehrten Gründer schwelgten in einer egalitären Rhetorik, an die sich die meisten von ihnen nicht hielten. Was die Revolution erlöst hat, ist die Tatsache, dass so viele gewöhnliche Amerikaner diese Rhetorik wörtlich genommen haben. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich verschiedene Außengruppen dafür eingesetzt, die Grenzen der Freiheit zu erweitern, und ihre Bemühungen haben dieses Land zu einem besseren Ort zum Leben gemacht. Wenn wir die Revolution eher als einen fortlaufenden Prozess denn als ein gesäubertes Relikt betrachten, das mit einem Mythos verhüllt werden sollte, kann diese Bewegung immer noch als positive Kraft in der amerikanischen Gesellschaft dienen, und ihre erklärten Prinzipien bleiben es wert, gefeiert zu werden.“

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, 22/4Die kommende Ausgabe

 

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