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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Töpfern im Acoma-Pueblo?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Töpfern im Acoma-Pueblo?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Zu den markantesten Ausdrucksformen der Indianerkulturen in Nordamerika gehören die verschiedenen Handarbeiten – Quill- und Perlenstickerei, Lederbearbeitung, Korbflechterei, Weberei und Töpferei.

Im amerikanischen Südwesten erregt vor allem die Töpferei großes Interesse und ist inzwischen ein hervorragendes Kulturmerkmal der indianischen Pueblovölker.

Die Kunst der Töpferei – in den meisten Fällen ohne die bei uns bekannte Töpferscheibe, sondern freihändig, in Wickeltechnik hergestellte Gegenstände – datiert Tausende von Jahren zurück und wurde bereits von den Vorfahren der Pueblos, den Bewohnern der Cliff Dwellings in der Mesa Verde und anderswo gepflegt. Mag sich die Technik der Herstellung auch ähneln, Formen und Muster unterscheiden sich von Pueblo zu Pueblo. (Pueblo-Indianer sind zwar miteinander verwandt, bilden aber in jedem Dorf einen eigenen Stamm, haben eine eigene Symbolik, sprechen auch unterschiedliche Sprachen, nämlich Tano, Tiwa, Tewa, Towa, Keresan, Hopi und Zuni.)

Besonders auffällige, unverkennbare und charakteristische Töpferarbeiten kommen aus Acoma Pueblo.

Acoma ist das vermutlich spektakulärste Pueblo in New Mexico. Archäologen bestätigen, daß die Acoma-Indianer wahrscheinlich seit ca. 2.000 Jahren in der Region westlich des heutigen Albuquerque zuhause sind. Die gleichnamige Siedlung – die in der touristischen Werbung des Stammes heute „Sky City“ genannt wird – ist über 1.000 Jahre alt und dürfte damit eine der ältesten ständig bewohnten Niederlassungen in Nordamerika sein.

Das Dorf liegt auf einer 110 Meter hohen Felsmesa, zu der erst seit den 1950er Jahren eine Straße hinaufführt Davor gab es jahrhundertelang nur eine Treppe aus 200 bis 300 einfachen Stufen, die mit primitivsten Werkzeugen in den Fels geschlagen worden waren, oder einen Aufstieg aus in die steilen Felswände gehauenen Mulden für Hände und Füße.
Die auf der Mesa stehenden Häuser weisen die typische Pueblo-Bauweise aus Lehmziegeln und Felssteinen auf und wurden ursprünglich über das Dach betreten. In Zisternen wurde Regenwasser gesammelt. Die Felder der Acoma befanden sich im Tal und wurden in der trockenen Wüstengegend mit einem ausgeklügelten System aus Grundwasserquellen und kleinen Creeks bewässert.

Acoma-Pueblo ist heute eine „National Historic Landmark“, steht also in einer Art Denkmalschutzregister der USA. Etwa 300 bis zu drei Stockwerke hohe Behausungen sind noch immer erhalten.

Die Acoma gehörten zu den wehrhaftesten Völkern der Region. Das bekamen die Spanier zu spüren, als sie vor 400 Jahren auf der Suche nach den legendären „goldenen Städten“ von Südamerika aus in dieses Gebiet vordrangen. An den Acoma ließ der spanische Gouverneur Juan de Onate ein Exempel statuieren, um den Widerstand aller Völker dieses Kulturraums zu brechen. Er stürmte im Januar 1599 mit seiner Armee die zuvor als uneinnehmbar angesehene Ansiedlung, richtete ein Massaker unter der Bevölkerung an – fast 800 Männer, Frauen und Kinder wurden getötet. Danach ließ er allen überlebenden Männern über 25 Jahre einen Fuß oder eine Hand abhacken. Alle jüngeren Männer über 12 Jahre wurden für 20 Jahre nach Mexiko in die Sklaverei verschleppt.
Aber die Acoma überstanden auch diese Drangsal. Sie kehrten zurück und waren führend an der Pueblo-Revolte 1680 beteiligt, mit der die Spanier zeitweise aus New Mexico vertrieben wurden. Heute ist die Kultur der Acoma lebendiger denn je.

Wer Acoma Pueblo betritt, trifft auf moderne Indianer mit starkem Traditionsbewusstsein. Neben der englischen Sprache wird die eigene Sprache, das „Keresan“, gesprochen – auch von den sehr jungen Leuten. Wenn man durch die schmalen Gassen des Dorfes geht, ist die uralte Geschichte dieser Menschen zum Greifen nahe. Man erkennt Motive von alten Fotos des Indianerfotografen Edward S. Curtis.

Die Töpferkunst der Pueblovölker hat es mir persönlich immer angetan, die Töpferei der Acoma hat für mich eine besondere Attraktivität. Dazu tragen die klaren Muster und Formen ebenso bei wie die markanten Beige-, Schwarz- und Rotbrauntöne, die an die Felsen in der umliegenden Wüste erinnern. Ein Acoma-Töpfer sagt: “Rotbraun und Schwarz sind traditionelle Farben." Allerdings haben heutige Künstler weitere, leuchtende und lebhafte Farben hinzugefügt. Schraffierungen symbolisieren den Regen. Auch Blitze, Gewitterwolken und Berge werden dargestellt. Der Einfluss des Lebenskreislaufs, Wasser und Himmel werden häufig einbezogen.
Indianische Töpferei war ursprünglich auf funktionale Alltagsgegenstände wie Töpfe, Trinkgefäße, Vorratsbehälter, u. a. beschränkt. Heute finden sich auch figürliche Darstellungen, etwa verschiedene Tiere (Salamander, Schlangen, Bären, Vögel).

Die Acoma-Töpfer benutzen größtenteils eine Arbeitstechnik, die weit über 1.000 Jahre alt sein dürfte. Sie finden den Ton auf ihrer Reservation. Der Ton wird getrocknet. Zermahlene Scherben älterer Werkstücke werden untergemischt. Dann werden lange Tonwülste gerollt und spiralartig übereinandergelegt, in die gewünschte Form gebracht und mit den Händen geglättet. Die Wände der Behälter sind vergleichsweise dünn.

Die Muster werden traditionell mit Erd- und Pflanzenfarben und den angespitzten Stielen von Yuccapflanzen (nicht mit Pinseln) aufgemalt. Diese Muster sind in der Regel uralt. Inzwischen werden aber auch moderne Muster im traditionellen Stil aufgebracht. Dazu gehören geometrische Gebilde ebenso wie symbolisierte Vögel, Antilopen, Pflanzen, usw. Die Stücke können im offenen Feuer oder in Brennöfen gebrannt werden.

Bevor die Töpfe in den Ofen kommen, hält sie der Töpfer ans Ohr und streift mit einem Stück Holz oder mit den Fingern darüber. Dabei sollte ein helles Geräusch, fast wie ein Glockenton, entstehen. Gibt es dieses Geräusch nicht, hat der Ton Blasen und würde beim Brennen reißen. In diesem Fall wird der Topf wieder zerbrochen und zerstampft und frischem Ton für eine neue Arbeit untergemischt.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die kommende Ausgabe

 

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