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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Maximilian Alexander Prinz zu Wied?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Maximilian Alexander Prinz zu Wied?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Die heutige Erinnerung kommt ein bisschen spät, aber nicht zu spät, da wir immer noch im Februar sind. Am 3. Februar 1867 verstarb einer der bedeutendsten deutschen Privatgelehrten, dessen wissenschaftliches Erbe die Zeiten unbeinträchtigt überdauert hat: MAXIMILIAN ALEXANDER PRINZ ZU WIED. Heute gilt er als einer der besten Indianerforscher aller Zeiten, wobei zweifellos ein Teil dieses unsterblichen Ruhms dem ihn begleitenden Künstler gebührt, Karl Bodmer.

Maximilian war am 23. September 1782 als 8. von elf Kindern geboren worden. Sein Vater war Friedrich Carl Fürst von Wied-Neuwied.

Maximilian diente in der preußischen Armee, kämpfte in den Schlachten von Jena und Auerstedt, erreichte den Rang eines Majors der Husaren und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Da er als nachgeborener Sohn keine Aussicht auf Regierungsämter hatte, widmete er sich nach seinem Militärdienst geographischen und völkerkundlichen Wissenschaften. 1815 brach er zu einer zweijährigen Expedition nach Südamerika auf. 1832 begann seine Expedition nach Nordamerika. Er reiste von Rotterdam (Holland) auf einem amerikanischen Dampfschiff nach Boston. Begleitet wurde er von seinem Leibjäger David Dreidoppel, der ihm auch als persönlicher Diener zur Verfügung stand, und von dem jungen Schweizer Künstler Karl Bodmer, dessen Bilder diese Reise später zu einer einzigartigen wissenschaftlichen Quelle machen sollten. Von Boston aus begab sich die kleine Gruppe nach Philadelphia und weiter in den Westen von Pennsylvania.

Maximilian war ein Mann von unglaublicher Energie, obwohl er gesundheitlich angeschlagen war. Er war von schmächtiger Statur, nur ca. 1,60 m groß, litt unter Malaria-Anfällen und Behinderungen durch eine Kriegsverletzung. Er hatte kaum noch Zähne, weshalb er schwer zu verstehen war. Sein Englisch hatte einen starken Akzent. In Philadelphia hatte er sich mit Cholera infiziert. Um so erstaunlicher sind seine Leistungen zu bewerten. Am 22. September 1832 kam er in Pittsburgh an, einer wachsenden Industriestadt, und besuchte die Siedlung Economy, die 1824 von der schwäbischen Sekte der Harmonisten gegründet worden war.

Als Maximilian, Bodmer und Dreidoppel Pittsburgh verließen, begann ihre „indianische Reise“, wie es heute noch romantisch verklärt heißt. In St. Louis trafen sie mit William Clark zusammen, einem der Leiter der legendären „Lewis & Clark“-Expedition, der dort als Superintendent für die Indianervölker im Westen amtierte. Er erteilte Maximilian den Passierschein in die Indianergebiete am Oberen Missouri. Von dort aus ging es über Fort Pierre (heute South Dakota) in die Mandan-Dörfer unf zu dem Pelzhandelsposten Fort Union unweit der Mündung des Yellowstone in den Missouri, bis weit nach Westen. Maximilian beschrieb die verschiedenen Völker, auf die er traf, deren Eigenarten, Sitten und Bräuche. Karl Bodmer schuf einzigartige Indianergemälde von detailgetreuem dokumentarischem Wert bzgl. Kleidung, Bewaffnung, Bemalungen, die bis heute erstrangiges völkerkundliches Studienmaterial sind.

Es entstanden über 400 Gemälde und Skizzen von Menschen, Landschaften, Pflanzen und Tieren. Ein Großteil dieser Bilder ging in das Monumentalwerk Maximilians „Reise in das Innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834“ ein, das nach seiner Rückkehr nach Deutschland entstand. Es ist nicht nur von zeitlosem wissenschaftlichem Wert, sondern stellt wegen der als Kupferstiche gedruckten Bodmer-Bilder eine Meisterleistung des Buchdrucks im frühen 19. Jahrhundert dar. Diese Bände werden von dem zusätzlich produzierten Bildatlas mit weiteren 81 Illustrationen womöglich noch übertroffen. Neben den exakten Darstellungen der Indianervölker, sind genaue Beschreibungen der damaligen Geografie, Flora und Fauna des Oberen Missouri enthalten.

Bis heute kann man anhand dieser Beschreibungen Plätze dieser Landschaft wiederfinden, wenn man diese Region bereist.

Trotzdem war es für Maximilian, der seine gesamte fürstliche Apanage darauf verwendete, dieses Werk drucken zu lassen, schwer, genügend Abnehmer zu finden. Die erste Druckversion erschien ab 1837. Nur 215 Exemplare wurden in Deutschland vorbestellt. (Einer der Vorbesteller war ein gewisser Karl May, in dessen Bibliothek in Radebeul ich die beiden prächtigen Wied-Bände gesehen habe.)

Danach kam eine französische und englische Version aus den Druckmaschinen. Um 1840 herrschte eine wirtschaftliche Rezession in Deutschland; das machte sich beim Verkauf des teuren Werks bemerkbar. 1848 dämpfte die deutsche Revolution die Verkäufe. Für Maximilian zeichnete sich ein finanzielles Desaster ab. Hinzu kam ein Streit mit Karl Bodmer, der 1847 die Arbeit mit Maximilian beendete und ihm das gesamte bildnerische Werk überließ. Den Spitznamen „Indianer-Bodmer“ sah er als Fluch. Er sah die Arbeit an den Bildern in Amerika als „verlorene Zeit“ seines Lebens an.

Die großen Hoffnungen auf internationale Anerkennung durch die Wissenschaft zerschlugen sich für Wied. Nach seinem Tod gerieten seine Bücher und die Bodmer-Gemälde in Vergessenheit. Sie fanden erst im 20. Jahrhundert wieder Aufmerksamkeit, nachdem eine New Yorker Kunsthandlung die Hinterlassenschaften, das Archiv und die Druckplatten, die im Schloss Neuwied aufbewahrt worden waren, aufkaufte. Jetzt erst erfolgte die verdiente Würdigung von Wieds Arbeit in den USA. Seit den 1980er Jahren liegen alle Unterlagen im Joslyn-Art-Museum in Omaha (Nebraska).

Trotzdem erhielt Maximilian noch zu Lebzeiten einige wissenschaftliche Ehrungen. 1820 ernannte ihn die „Bayerische Akademie der Wissenschaften“ zum Ehrenmitglied. Dasselbe tat 1824 die „Naturforschende Gesellschaft zu Emden“. Die Mitgliedschaft in der „Akademie der Wissenschaften Göttingen“ erhielt er 1835.1858 verlieh ihm die „Friedrich Schiller Universität“ in Jena einen Ehrendoktor. 1840 ernannte König Friedrich Wilhelm IV ihn zum Generalmajor. In dem Ernennungsschreiben hieß es: „Wenngleich Sie die militärische Laufbahn verlassen haben, so gereicht es Mir doch zum besonderen Vergnügen, Ihnen zum Andenken an die Leistungen einer früheren Zeit den Charakter als Generalmajor beizulegen.“

Maximilian zog sich im Frühjahr 1867 eine schwere Lungenentzündung zu, an der er am 3. Februar verstarb. Die Sammlung mit indianischen Artefakten, die er 1834 aus Amerika mitgebracht hatte, landete zum Teil auf dem Müll. Der erhaltene Teil liegt heute im „Ethnologischen Museum“ in Berlin, im „Linden-Museum“ in Stuttgart und im „British Museum“ in London. (Copyright © by Dietmar Kuegler)

Hier der Link zu meinem englischsprachigen Vortrag über MAXIMILIAN OF WIED IN PITTSBURGH.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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