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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit James Wilson Marshall?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit James Wilson Marshall?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 10. August 1885 starb einsam und vergessen in der Kleinstadt Kelsey in Kalifornien ein Mann, der indirekt für die große Wanderung der Amerikaner nach Westen verantwortlich war. Seit Jahrzehnten politisch gewollt, löste er die Initialzündung für die großen Trecks durch den Kontinent aus. Er veränderte (ungewollt) die Welt: JAMES WILSON MARSHALL. Am 24. Januar 1848 stieg er in das Bett des American River, wo er gerade eine Sägemühle errichtete, und sah ein Blinken im flachen Wasser. Er hob den vermeintlichen Stein auf. Es war ein Goldnugget im damaligen Wert von ca. 5 Dollar (heutige Kaufkraft ca. 150 Dollar). Damit begann der große kalifornische Goldrausch. Der erste Goldrausch in Nordamerika. Es begann ein Boom ohnegleichen, der zu einer explosionsartigen Besiedelung der amerikanischen Westküste führte.

Marshall war am 8. Oktober 1810 in New Jersey geboren worden. Seine Eltern waren englische Einwanderer. 1834 entschied Marshall sich, die kleine Farm der Eltern zu verlassen und nach Westen zu gehen. Er ließ sich zunächt in Missouri nieder und legte eine eigene Farm an. Hier infizierte er sich mit Malaria, eine fiebrige Infektion, die sich 1844 epidemisch in dem gesamten Gebiet am Missouri River ausbreitete. Ein Arzt riet ihm, die Gegend zu verlassen. Also schloss Marshall sich 1845 einem der damals noch seltenen Trecks nach Westen an.

Das Territorium Oregon warb um Siedler, um das Gebiet für die Vereinigten Staaten zu sichern. Marshall erreichte mit dem Treck das Willamette Valley, sah aber für sich keine Zukunft hier und verließ die Region im Juni 1845. Er begab sich nach Kalifornien, nach New Helvetia, in die aufstrebende Kolonie des Einwandererer Johann August Sutter.

Kalifornien war zu dieser Zeit noch im Besitz Mexikos. Sutter hatte unter der Bedingung, Siedler anzuwerben, Land von der mexikanischen Regierung erhalten. Er errichtete dort, wo sich heute die kalifornische Hauptstadt Scramento befindet, ein Fort. Sutter amtierte auch als „Alcalde“, seiner Kolonie.

Marshall erhielt von Sutter ein großes Stück Land nördlich des Butte Creek, einem Nebenfluss des Sacramento River, sowie mehrere Kühe, damit er eine eigene Viehzucht beginnen konnte.

Im Mai 1846 brach der Krieg zwischen den USA und Mexiko aus. Der amtierende US-Präsident Polk wollte die gesamte Westküste unter amerikanische Kontrolle bringen. Der als „Pfadfinder“ berühmte John Fremont hielt sich zu dieser Zeit in Kalifornien auf und organisierte die sogenannte „Bärenflaggenrevolte“, mit der amerikanische Siedler die mexikanische Herrschaft stürzen und das Land übernehmen wollten. James Marshall schloss sich Fremonts Rebellion an, kehrte allerdings 1847 auf seine Farm zurück. Seine Felder waren in seiner Abwesenheit verwildert, sein Vieh war gestohlen worden. Marshall musste sich von Johann August Sutter anstellen lassen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Sutter trug ihm auf, einen Platz für eine Sägemühle zu suchen und den Bau zu leiten. Marshall fand den geeigneten Standort ca. 40 Meilen flußaufwärts am American River, heuerte mexikanische und indianische Arbeiter an und begann im August 1847 mit dem Bau. Im Januar 1848 erwies sich, dass der Abflusskanal zu flach und zu schmal war. Marshal entschied, den Kanal zu erweitern.

Als er am frühen Morgen des 24. Januar 1848 die Kanalarbeiten inspizierte, bemerkte er einen glitzernden Stein. Marshal hatte einige mineralische Kenntnisse. Er sah sofort, dass er pures Gold in den Händen hielt, als er den Stein aufhob.

Um nicht einen Aufstand seiner Arbeiter zu riskieren, gestattete Marshall ihnen, nach getaner Arbeit ebenfalls nach Gold zu suchen. Am 28. Januar ritt er zu Sutters Fort, um seinen Fund zu zeigen. Als er dort eintraf, war der Krieg mit Mexiko vorbei. Kalifornien war jetzt amerikanisches Staatsgebiet.

Johann August Sutter führte einige Tests durch und stellte fast, dass die Nuggets einen Goldgehalt von 96% hatten.

Sutter und Marshall konnten nicht verhindern, dass sich die Nachrichten von den Goldfunden verbreiteten. Binnen weniger Wochen erreichten sie nicht nur die amerikanische Ostküste, sondern gingen um die ganze Welt.

Die Sägemühle wurde niemals fertiggestellt. Goldsucher schwärmten auf Sutters Land aus und wühlten alle Wasserarme um. Felder wurden zerstört. Sutter fand keine Arbeiter mehr. Alle seine Angestellten liefen davon, meldeten Claims an. Das Goldfieber erfasste sie alle.

James Marshall verließ die Sacramento-Region. Er versuchte sich hier und da als Tischler und Farmer, kehrte 1857 nach Coloma zurück und legte wenige Jahre später einen Weinberg an. Er gab dieses Unternehmen Ende der 1860er Jahre wieder auf, weil sich weitere Weinbauern in der Gegend ansiedelten, die offensichtlich erfolgreicher waren als er. Marshall kaufte sich als Partner in eine Goldmine bei Kelsey ein, die sich allerdings als Reinfall erwies. Danach war er praktisch bankrott.

1872 genehmigte ihm das kalifornische Parlament eine kleine Staatspension für seine Verdienste um die Besiedelung des Staates. Diese Zuwendung wurde 1874 erneuert aber 1878 gestrichen. Damit war Marshall völlig mittellos. Ihm blieb nur noch eine winzige Hütte. Er lebte von Betteleien und Zuwendungen alter Freunde. Als er am 10. August 1885 starb, war er vergessen.

1890 gelang es der Vereinigung „Native Sons of the Golden West“, die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass der Entdecker des kalifornischen Goldes ein Monument verdient habe. So wurde ein Denkmal für Marshall in Placerville errichtet – das erste Denkmal dieser Art in Kalifornien.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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