Leit(d)artikel KolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Mark Kellog?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Mark Kellog?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 21. Juni 1876 schrieb ein Mann seinen letzten Brief; 4 Tage später war er tot: MARK KELLOGG war Korrespondent der „Bismarck Tribune“, einer Zeitung im Dakota-Territorium. Kellogg war als Journalist mit der 7. US-Kavallerie von Fort Abraham Lincoln unter Führung von Lieutenant Colonel George A. Custer nach Westen aufgebrochen. Er starb mit den meisten Männern des Regiments am Little Bighorn.

Seine letzten Zeilen schrieb er in einem Feldlager am Rosebud River. Der Inhaber der „Bismarck Tribune“, Clement Lounsberry, las: “Wir brechen morgen vom Rosebud auf. Wenn Sie diese Zeilen lesen, werden wir die roten Teufel gefunden und mit ihnen gekämpft haben; mit welchem Resultat, werden wir sehen. Ich gehe mit Custer und werde bis zum Tode dabei sein.“

Eine Prophezeiung, an die Kellogg in diesem Moment wahrscheinlich selbst nicht glaubte. Aber genauso sollte es kommen.

Angesichts der Katastrophe für die US-Armee, die sich am 25. Juni 1876 am Little Bighorn abspielte, war Mark Kellogg kaum mehr als eine Fußnote der Geschichte. Er war kein Soldat, kein Armee-Angestellter. Er war der einzige Journalist, dem es gestattet war, Custer auf dem Feldzug zu begleiten. Die „Associated Press“ – schon damals eine der weltgrößten Presseagenturen – behauptete sogar, dass er der erste Kriegskorrespondent der Welt war, der bei einem Einsatz ums Leben kam. Möglich. Einer der ersten war er sicher.

Mark Kellogg hatte als Reporter und Telegrafist in vielen kleinen Nestern entlang der „Northern Pacific Eisenbahn“ gearbeitet, als er in North Dakota ankam. Er fand sofort Arbeit bei der „Bismarck Tribune“, deren Druckerpresse fast zur selben Zeit in der Stadt eintraf wie Kellogg. Gleichzeitig schrieb er Berichte für östliche Zeitungen und Presseagenturen.

Kellogg war am 31. März 1831 in Ontario (Kanada) als drittes von zehn Kindern seiner Eltern geboren worden. Die Familie zog von einem Siedlungsplatz zum anderen und legte schließlich in Wisconsin eine Farm an. Hier wuchs Mark heran und lernte den Beruf des Telegrafisten. Er arbeitete für die „Northwestern Telegraph Company“ und für die „Atlantic & Pacific Telegraph Company“. Er heiratete 1861 Martha Robinson. Es kamen zwei Töchter zur Welt. 1867 starb seine Frau.

Kellogg hatte schon im Bürgerkrieg begonnen, für Zeitungen und Presseagenturen zu schreiben und war in diesen Jahren stellvertretender Chefredakteur der Zeitung „La Crosse Democrat“. Nach dem Tod seiner Frau, ließ er seine Kinder bei einer Tante in Pflege zurück und zog mit den Eisenbahnercamps nach Westen. Er arbeitete für Zeitungen in Iowa und Minnesota und bewarb sich hier erfolglos um einen Sitz im Staatsparlament.

1873 half er dem ehemaligen Offizier Clement A. Lounsberry, die „Bismarck Tribune“ zu gründen, noch heute die größte Zeitung von North Dakota. Im Frühsommer 1876 bot sich ihm eine einzigartige Chance, national bekannt zu werden. Die große Kampagne gegen die Sioux, Cheyenne und Arapaho stand bevor, und nur ein Reporter erhielt die Genehmigung, George A. Custer auf dem Feldzug zu begleiten. Wäre diese Kampagne ein Erfolg geworden, wäre er mit einem Schlag zu einem der prominentesten Journalisten Amerikas geworden.

Kellogg folgte dem 7. Regiment durch die Little Missouri Badlands. In seinen Tagesberichten beschrieb er die Routine: Aufstehen 3 Uhr früh, um 5 Uhr saß das Regiment im Sattel. Kellogg schrieb, die Konditionen des Marsches seien “quälend”. Bereits einen Tag nach dem Aufbruch wurden indianische Feuerstellen entdeckt. Scouts bemerkten, dass der Ausmarsch der Kavallerie von Indianern beobachtet wurde. Trotzdem erwarteten Custer und sein Stab keine unmittelbare Gefahr.

Kellogg schickte 3 Berichte nach Bismarck. Den letzten schrieb er 4 Tage vor dem Erreichen des Little Bighorn – eingangs zitiert.

Am 27. Juni 1876 erreichte Colonel John Gibbon mit seiner Kolonne das Schlachtfeld. Er berichtete später, dass seine Soldaten den Leichnam Kelloggs in einer Niederung fanden, wo viele Tote aus Kompanie E lagen. Kellogg waren der Skalp und ein Ohr abgeschnitten worden. Er wurde anhand seiner äußerst ungewöhnlichen Stiefel identifiziert.

Als die ersten Telegrafenmeldungen von der katastrophalen Niederlage in Bismarck eintrafen, schrieb Clement Lounsberry über Nacht eine Sonderausgabe der „Bismarck Tribune“, die am 6. Juli 1876 erschien. Es war die erste Zeitung, die einen Bericht über Little Bighorn veröffentlichte.

Kelloggs Tagebuch und einige seiner Notizen wurden bei seiner Leiche gefunden und befinden sich heute in der „Historical Society of North Dakota“. Sie sind bedeutende „Erste-Hand-Quellen“ für die letzten Stunden vor dem Beginn der schicksalhaften Schlacht. Lounsberry war ein geschickter Zeitungsmann, der den Tod seines „Star-Reporters“ – der nie als fester Angestellter für ihn gearbeitet hatte – zur Legende machte. Dazu gehörten auch einige falsche Angaben, etwa dass die Indianer Kellogg „Der Mann, der das Papier zum Sprechen bringt“ genannt hätten. Tatsächlich dürfte keiner der Indianer am Little Bighorn Kellogg überhaupt wahrgenommen haben.

Ferner behauptete Lounsberry, dass eigentlich er selbst mit Custer reiten wollte, aber eine plötzliche Erkrankung seiner Frau dies verhindert habe.

Das ist ein Mythos, mit dem Lounsberry seine eigene Rolle in dem Drama hervorheben wollte; so als sei er durch eine wundersame Vorsehung dem Schicksal Kelloggs entgangen. Der Journalist Sandy Barnard, der eine lesenwerte Biografie über Mark Kellogg schrieb („I Go With Custer“), enthüllte einige dieser Legenden als falsch.

Kelloggs wenige Habseligkeiten, die sich bei seiner Leiche fanden, wurden an den Drogerieinhaber John Piatt Dunn in Bismarck geschickt, bei dem Kellogg ein Zimmer gemietet hatte. Barnard schrieb in seinem Buch, Kellogg habe „ein sicheres Auge für Details und eine hervorragende Beobachtungsgabe“ gehabt. Er war mit einem Spencer-Repetiergewehr ausgerüstet und hatte sich offenbar am Kampf beteiligt – aber nur am Rande. Barnard: „Die Welle der Schlacht spülte über ihn hinweg. Er war zurückgelassen worden. Er fiel weit entfernt vom Zentrum, wo die meisten Reiter fielen.“


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2019Die aktuelle Ausgabe

 

Der Gästezugang für Kommentare wird vorerst wieder geschlossen. Bis zu 500 Spam-Kommentare waren zuviel.

Bitte registriert Euch.

Leit(d)artikelKolumnenPhantastischesKrimi/ThrillerHistorischesWesternAbenteuer/ActionOff TopicInterviewsHintergründeMythen und WirklichkeitenFictionArchivRedaktionelles

Wir verwenden Cookies, um Inhalte zu personalisieren und die Zugriffe auf unsere Webseite zu analysieren. Indem Sie "Akzeptieren" anklicken ohne Ihre Einstellungen zu verändern, geben Sie uns Ihre Einwilligung, Cookies zu verwenden.