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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit dem »Northfield Raid«?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit dem »Northfield Raid«?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 7. September 1876, also vor 142 Jahren, ritt Jesse James mit seiner Bande in die wohlhabende Kleinstadt Northfield (Minnesota) und versuchte, die örtliche Bank auszurauben, die sich im Besitz von zwei ehemaligen Unionsgenerälen des Bürgerkrieges und Politikern befand. Adelbert Ames war nach dem Bürgerkrieg Militärgouverneur, Senator und ziviler Gouverneur von Mississippi gewesen, dazu Schwiegersohn von Benjamin Butler, zeitweise Stadtkommandant von New Orleans. Die ideale Zielscheibe für die ehemaligen konföderierten Guerillas. Nicht umsonst werden die Ereignisse von Northfield gelegentlich als „die letzte Schlacht des Amerikanischen Bürgerkrieges“ bezeichnet.

Jesse James war in jenen Tagen der meistgesuchte Kriminelle Amerikas. Der Erfolg seiner Raubzüge lag u. a. im Überraschungsmoment, einer regelrecht militärischen Planung und der Einschüchterung der Betroffenen.

In Northfield erlebte er sein Desaster. Frank James, Bob Younger und Charlie Pitts betraten die First National Bank. Clell Miller und Cole Younger hielten vor der Tür Wache, bzw. behielten die Division Street im Auge. Jesse James, Jim Younger und Bill Stiles warteten in einer Seitengasse, um gegebenenfalls eingreifen zu können.

Einigen Bürgern waren die vorgeblichen Viehhändler, die alle in lange, weiße Staubmäntel gekleidet waren, aufgefallen. Einer folgte ihnen zur Bank und wurde von Clell Miller angegriffen. Er ergriff die Flucht und brüllte aus Leibeskräften: „Get your guns, boys, they are robbing the bank!“

Innerhalb von Sekunden brach die Hölle los. Jeder Mann, der eine Waffe halten konnte, stürmte auf die Straße und begann zu schießen. Die Banditen galoppierten die Division Street auf und ab und feuerten ebenfalls aus allen Rohren.

In der Bank spielte sich ein Drama ab: Der mutige Kassierer Joseph Lee Heywood weigerte sich, den Safe zu öffnen. Er wurde – vermutlich von Frank James – kaltblütig erschossen.

Die Banditen flüchteten im Kugelhagel. Clell Miller und Bill Stiles waren bereits auf der Straße niedergestreckt worden. Der junge schwedische Einwanderer Nicolaus Gustafson geriet zwischen die Banditen und wurde erschossen. Der Kampf dauerte gerade mal 7 Minuten.

Fast 1.000 Mann in Minnesota schlossen sich zum größten Aufgebot der amerikanischen Pionierzeit zusammen und jagten die Outlaws. Zwei Wochen später wurden die 3 Younger-Brüder bei Mankato gestellt. Sie landeten für 30 Jahre im Zuchthaus. Frank und Jesse James waren verwundet entkommen.

1948, als noch immer Augenzeugen des dramatischen Geschehens lebten, begannen die Bürger von Northfield, das Ereignis wieder aufzuführen um daran zu erinnern, wie ihre Väter und Großväter sich mutig dem Terror einer Räuberbande entgegengestellt hatten. Sie hatten damit ein Beispiel für Zivilcourage gesetzt, das bis heute wirkt.

2004 nahm mich die James-Younger-Gang von Northfield als „Mitglied auf Lebenszeit“ auf – eine besondere Ehre; denn in diese Gruppe kann man nicht „eintreten“, man wird von den Männern ausgesucht und eingeladen. Ich bin stolz, noch immer der einzige Nicht-Amerikaner zu sein, der zur Gang gehört.

25 mal habe ich in der Rolle des Clell Miller am Reenactment teilgenommen. Vor Tausenden von Zuschauern.

Die „Defeat of Jesse James Days“ sind heute das größte Volksfest von Minnesota mit rd. 100.000 Besuchern in der kleinen Stadt.

Mehr als das - die Zeitschrift TRUE WEST zeichnete die Veranstaltung als "Bestes Old-West-Reenactment" aus.

Alles Gute an meine Freunde! Ich wünsche Euch gutes Gelingen, ohne Stürze und Verletzungen. Euer Anliegen, an den Mut der Northfielder zu erinnern, ist heute noch so aktuell wie vor 70 Jahren!

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, Dezember 2018Die kommende Ausgabe

 

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