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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Sitting Bull?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Sitting Bull?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 15. Dezember 1890 starb einer der bedeutendsten und einflußreichsten indianischen Führer des 19. Jahrhunderts: Sitting Bull. (Diese englische Namensgebung – „Sitzender Bulle“ – ist, wie bei vielen indianischen Namen, eine unzureichende Übersetzung. Der englische Völkerkundler Dr. Colin Taylor gab an, daß sein Lakota-Name, Thathanka Iyotake – auch hier gibt es verschiedene Schreibweisen – bedeutete: „Der Bisonbulle, der mitten unter uns lebt“. Ein weitaus machtvollerer Name, entsprechend dem Ansehen, das der Bison in der Kultur der Plainsindianer genoß.)

Sitting Bull profilierte sich im Laufe seines Lebens als traditioneller, unbestechlicher Führer, der sich spätestens nach Red Clouds Krieg weigerte, mit dem weißen Mann zu verhandeln. Seine konsequente Haltung brachte ihm letztlich die Gegnerschaft anderer Lakota-Führer ein, die bereit waren, Kompromisse mit der amerikanischen Regierung einzugehen.

Zu nationalem Ruhm stieg Sitting Bull nach der Schlacht am Little Bighorn (25. Juni 1876) auf, als die 7. US-Kavallerie unter George A. Custer im Kampf gegen die Lakota, Cheyenne und Arapaho unterging. Sitting Bull hatte diesen Sieg in einer Vision vorausgesagt – aber er hatte selbst an diesem Kampf nicht teilgenommen. Vermutlich 1831 geboren, war er zu dieser Zeit schon 45 Jahre alt und damit jenseits der Blütezeit eines aktiven Kriegers. Es war seine spirituelle Führung, seine moralische Kraft, sein konsequentes Festhalten an den kulturellen Werten seines Volkes, die ihm seine starke Position unter den Lakota verlieh.

Später aufkommende Versuche, die Persönlichkeit des „Schlächters von Custer“, wie es häufig in der Presse hieß, durch Verleumdungen zu schwächen, gingen ins Leere; denn Sitting Bull hatte unter seinem Volk nicht nur den Ruf eines geistigen Führers. Er hatte in seiner Jugendzeit an zahlreichen Stammeskriegen (etwa gegen die Crow) teilgenommen; seine unter den Lakota weithin bekannten persönlichen Kriegstaten waren eindrucksvoll. Er hat sie selbst in piktographischen Aufzeichnungen dokumentiert, die sich heute im Archiv der Smithsonian Institution in Washington befinden.

Nach jahrelangem Exil in Kanada, kehrte er schließlich 1881 in die USA zurück und begab sich in Fort Buford (North Dakota) in Kriegsgefangenschaft. Er ließ sich schließlich auf der Standing Rock Reservation nieder, wo er zunächst vom zuständigen Indianeragenten James McLaughlin hofiert wurde.

McLaughlin nutzte seine Stellung aus, den prominenten Häuptling regelrecht zu „vermarkten“. Er kontrollierte und vermittelte öffentliche Auftritte, für die er Geld einstrich, bis Sitting Bull entschied, daß er genug von der Welt des weißen Mannes gesehen hatte.

Nach dem Wegfall dieser „Einnahmequellen“ beobachtete McLaughlin mit Mißtrauen, daß Sitting Bulls Einfluß auf die Indianer der Reservation immer noch weitaus stärker war als sein eigener. Mit gezielten Falschmeldungen nach Washington und Intrigen auf der Reservation versuchte er, Sitting Bulls Stellung zu unterminieren.

Als Ende der 1880er Jahre die Geistertanzbewegung entstand, die für große Beunruhigung unter den Behörden und der Armee sorgte, brandmarkte McLaughlin Sitting Bull als Urheber und Anführer, der einen neuen Indianerkrieg vorbereitete.

Bevor diese Verleumdung durch eine Untersuchung der Vorgänge aufgedeckt worden wäre, ordnete McLaughlin die Festnahme Sitting Bulls durch die Agenturpolizei an. Es besteht heute kein Zweifel daran, daß die Indianerpolizisten unter Führung von Red Tomahawk und Bull Head freie Hand hatten, den Häuptling zu beseitigen.

Als die 39 Indianerpolizisten an Sitting Bulls Hütte eintrafen, hatten sich Anhänger von ihm hier gesammelt, die die Verhaftung verhindern wollten. Es kam zu einer Schießerei zwischen der Polizei und Sitting Bulls Gruppe. Die Polizei drang in die Hütte ein und erschoß Sitting Bull und mehrere andere seiner Gruppe. 8 Indianerpolizisten wurden getötet, darunter auch Bull Head, einer der Mörder Sitting Bulls.

Zu den Erschlagenen gehörte auch Crowfoot, Sitting Bulls bevorzugter Sohn, den er nach dem berühmten Blackfoot-Häuptling Crowfoot benannt hatte, der ihn bei Begegnungen in Kanada sehr beeindruckt hatte. Der 14jährige Crowfoot hatte sich in einer Truhe versteckt und wurde von Indianerpolizisten brutal umgebracht.

Sitting Bulls Leichnam wurde ins nahegelegene Fort Yates gebracht und begraben. 1953 wurde er exhumiert und auf einer Anhöhe über dem Missouri nahe dem Ort Mobridge (South Dakota) bestattet.

Nach dem Mord an Sitting Bull flüchteten zahlreiche Anhänger des Häuptlings, sowie Beteiligte an der Geistertanzbewegung in die Badlands von South Dakota, darunter die Gruppe von Big Foot, die am Wounded Knee Creek gestellt und am 29. Dezember 1890 niedergemacht wurde. (Die vollständigste und beste Darstellung des Wounded Knee Massakers findet sich in dem umfangreichen Werk AMERICAN CARNAGE = „Amerikanisches Blutbad“ von Jerome Greene.)

Eine detaillierte Untersuchung der Machenschaften des Indianeragenten James McLlaughlin, die zum Mord an Sitting Bull führten, bietet das von mir 2006 verlegte Buch „SITTING BULL’S PIPE, Rediscovering the Man, Correcting the Myth“ von Prof. Dr. Robert Pickering und Prof. Dr. Kenneth Tankersly (in englischer Sprache).

Das Buch ist noch immer bei mir vorrätig.

Meine Fotos zeigen Sitting Bull Red Tomahawk, der Sitting Bull in den Kopf schoß, Crowfoot, das Grab Sitting Bulls bei Mobridge und das erwähnte Buch SITTING BULL’S PIPE, das bei Erscheinen die Nominierung für den „Golden Spur“ der Western Writers of America“ erreichte.

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2018Die kommende Ausgabe

 

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