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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Nellie Davis Tayloe Ross?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Nellie Davis Tayloe Ross?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler werden wir diese Beiträge im Zauberspiegel übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler: Am 29. November 1876, vor etwas mehr als 141 Jahren, wurde eine der bemerkenswertesten Frauen der amerikanischen Geschichte geboren, deren Name heute wahrscheinlich nur noch wenigen Menschen bekannt ist: Nellie Davis Tayloe Ross.

Sie war die erste Gouverneurin der USA.

Vielfach vergessen ist, daß das Frauenwahlrecht – heute eine Selbstverständlichkeit – bis Anfang des 20. Jahrhunderts heftig umkämpft war. Im 19. Jahrhundert galt die Überlegung, dass Frauen wählen, bzw. sich für ein öffentliches Amt bewerben durften, als geradezu umstürzlerisch. Die sogenannten „Suffragetten“, die für Gleichberechtigung der Geschlechter eintraten, galten als exotische Außenseiterinnen und lästige Störenfriede.

Was heute ebenfalls fast vergessen ist: Der erste Staat der Welt, der diese geschlechtsspezifische, diskriminierende Beschränkung aufhob, war das als tiefster „Wilder Westen“ angesehene Territorium Wyoming.

1869 veranlasste die couragierte Esther Hobart Morris in der wilden Goldrauschstadt South Pass City in den Rocky Mountains den Kandidaten W. J. Bright (Demokratische Partei), einen einfachen Saloonkeeper, nach seiner Wahl in das Territoriumsparlament ein Gesetz einzubringen, das Frauen das aktive und passive Wahlrecht einräumte. Er hielt sein Wort. Vermutlich zu seiner eigenen Überraschung wurde das Gesetz angenommen. Seither ist Wyoming der „Equality State“ – der „Staat der Gleichberechtigung“. Die Initiatorin, Esther Morris, wurde zur ersten gewählten Richterin der Welt.

Nach dieser Entscheidung breitete sich das Frauenwahlrecht langsam, schrittweise, aber unaufhaltsam aus, und es ist insofern nicht erstaunlich, dass es wieder der Staat Wyoming war, der mit Nellie Davis Tayloe Ross den ersten weiblichen Regierungschef in den USA wählte.

Ross kam in St. Joseph (Missouri) zur Welt, absolvierte die Highschool in Miltonvale (Kansas) und erhielt noch in den 1890er Jahren ihr Diplom als Lehrerin.

1902 heiratete sie William B. Ross. Mit ihm zog sie nach Wyoming. W. B. Ross war aktives Mitglied der Demokratischen Partei und wurde 1923 zum Gouverneur von Wyoming gewählt.

Als er am 2. Oktober 1924 unvermittelt starb, wurde die Wahl eines Nachfolgers nötig, da Wyoming keinen stellvertretenden Gouverneur (Lieutenant Governor) hatte.

Nellie Davis Tayloe Ross wurde in der kurzfristig angesetzten Neuwahl von den Demokraten aufgestellt und gewann am 4. November 1924 die Mehrheit der Stimmen. Die erste Gouverneurin der amerikanischen Geschichte.

Ross setzte die Politik ihres verstorbenen Mannes fort – Steuerreform, Unterstützung für arme Farmer, eine Bank-Reform, Schutz für Kinder, eine Stärkung der Rechte von arbeitenden Frauen und Minenarbeitern. Unter ihrer Regierung wurde ein Gesetz zum Verbot für Kinderarbeit durchgesetzt. Sie war populär, aber ihre Wiederwahl scheiterte sehr knapp - vermutlich weil sie die Alkoholprohibition unterstützt hatte.

Nellie Ross blieb aktiv in der Politik und galt schon 1928 als mögliche Kandidatin für das Amt des US-Vizepräsidenten.

1933 ernannte Präsident Franklin D. Roosevelt sie zum Direktor der US-Münzanstalt – die erste Frau auf diesem Posten. Sie wurde fünfmal wiederernannt und ging erst 1953 in Pension.

Danach war sie als Autorin für zahlreiche große amerikanische Zeitungen aktiv. Sie starb am 19. Dezember 1977 im Alter von 101 Jahren in Washington DC.

Meine Fotos zeigen ein Portrait von Nellie Ross, ein Artikel, der für ihre Wahl wirbt, ein Wahlplakat, sowie das Kapitol von Wyoming, wo sie amtierte, und die Statue von Esther Morris, die das Frauenwahlrecht in Wyoming durchsetzte. (Copyright © by D. Kuegler)

Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, März 2018Die kommende Ausgabe

 

 

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2018-02-07 10:58
Immer wieder faszinierend, wie unermesslich groß die Kluft in den USA zwischen Bundes- und Landesebene ist.

Heute schwer nachzuvollziehen, dass es bis 1920 gedauert hat, bis das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Da waren ja selbst die Deutschen was schneller. (Obwohl der Vergleich hinkt; ohne die Revolution wäre das vermutlich erst Jahrzehnte später passiert.)
#2 R. Windeler 2018-02-07 19:55
Die Hintergründe für die Einführung des Frauenwahlrechts in Wyoming sind komplex. Der fortschrittliche Gedanke der Gleichberechtigung stand keineswegs an erster Stelle.
Eine Übersicht bietet: www.wyohistory.org/encyclopedia/right-choice-wrong-reasons-wyoming-women-win-right-vote

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